American Sniper
Hintergrund
Chris Kyle: Ein US-Amerikanischer Scharfschütze mit 160 bestätigten Abschüssen -
und somit (laut US-Verteidigungsministerium) der Scharfschütze mit den meisten Tötungen der US-Geschichte.
1999 bis 2009 bei den Navy SEALs, 14 Auszeichnungen und seitens der irakischen Widerstandskämpfer ein Kopfgeld von 20.000$.
Ein Kriegsheld, aus amerikanischer Sicht, der nach seiner Dienstzeit psychisch und physisch beeinträchtigten Veteranen half und zusätzlich eine Bestseller Biographie schrieb.
Bis er 2013 schließlich erschossen wurde.
Eine große Gedenkfeier wurde in einem Stadion(!) veranstaltet, 200 Fahrzeuge zierten den Prozessionskonvoi auf der 300 Kilometer langen Strecke zur Bestattung.
Der 2. Februar wurde in Texas vom Gouverneur zum Chris Kyle Tag erklärt.
Natürlich schrie das nach einer Verfilmung. Und somit machte sich niemand geringes als Clint Eastwood daran, die perfekte Vorlage in bewegte Kinobilder umzusetzen.
Schon vor dem ersten Take war klar: Dieser Film kann kein Flop werden. Zumindest nicht in dem amerikanischen Sälen. (Stichwort: Patriotismus)
Aber wie lässt sich das aus Mitteleuropäischer Sicht betrachten?
Kritisches, Antikriegs-Filmerlebnis?
Die Frage, ob sich American Sniper als reiner Antikriegsfilm entpuppt, kann man eigentlich schon vorher mit einem "nein" beantworten. Das würde einfach nicht zur Verfilmung eines "Kriegshelden" passen. Immerhin zollen viele Menschen den größten Respekt vor dem verstorbenen SEAL.
Dieses Verständnis bringen hierzulande jedoch eher wenige mit. Der Trend in unserer Popkultur geht ja eher gegen den ständigen "Hurra-Patriotismus" vieler Filme und Games.
Doch American Sniper ist zum Glück kein absoluter "Hurra, wird sind Weltpolizei" Film, sondern zeigt recht viele kritische Szenen mit bedrückenden Bildern. Das Problem nur: Nach jeder Kritik schiebt der Film eben doch wieder eine Art Verharmlosung hinterher. Da wird im ersten Moment ein Leben ausgelöscht, inklusive angebrachter Dramatisierung, nur um in den darauffolgenden Minuten bildlich eine patriotische Rechtfertigung auszusprechen. Gradlinig nach dem Motto: "Alles für unser Land" und "Nieder mit diesen Rebellenschweinen".
Apropos. Der Film nimmt sich (dementsprechend) kaum Zeit die Gegenseite (wenn man sie so nennen möchte) zu beleuchten. In einem gradlinigen Actionstreifen wäre das kein Problem, in einem Film, der sich beim Thema Krieg jedoch derart ernst nimmt, sollte dies meiner Meinung nach nicht fehlen. In wenigen Szenen bekommt man zwar Einblicke hinsichtlich der Feindperspektive, doch am Ende sind es dann eben doch nur die vermummten Menschen, die wie in einem Shooter nur auf die Straße rennen um umgeschossen zu werden.
Eine treffend verfilmte Biographie?
Chris Kyle muss mehrere male in den Einsatz. Zwischenzeitlich verbringt er die Zeit mit seiner Frau und seinen Kindern und versucht sein gutes Verhältnis trotz ständiger Abwesenheit im positiven zu halten.
Der Film schwenkt ständig zwischen diesen Ereignissen hin und her und zeigt dementsprechend wie sich der Scharfschütze nach und nach dramatisch verändert. Diese Momente sind größtenteils gut eingefangen. Der Zuschauer erlebt mit, wie Chris sich dazu entschließt den Navy SEALs beizutreten, bekommt ein paar Einblicke in seine Ausbildung und folgt ihm daraufhin durch den Irak, sowie durch seine heimischen Krisen mit seiner Familie. Auch die Schauspielerische Leistung von Cooper hinsichtlich des innerlichen Verfalls des Soldaten ist sehr gut.
So richtig emotional wird es allerdings nie, weil der Film die heimische Dramaturgie nicht vollkommen ausmahlt. Es reicht nur für ein paar weinerische "Du hast dich so verändert, Chris", Szenen seitens der Frau, ein paar kurze psycho Störungen seitens Chris und zack, wechselt der Film rabiat und ohne weichem Übergang wieder ins irakische Kriegsgebiet und das Geballer wird fortgesetzt.
Chris' Bruder, der zu Beginn des Filmes noch Charakterisiert wird und der sich ebenfalls der Army anschließt, verschwindet nach dem ersten viertel nahezu völlig. Erst später trifft man ihn völlig verstört und mit blassem Gesicht wieder. Was dem armen Kerl widerfuhr? Völlig egal, Hauptsache Bradley Cooper ist in der nächsten Szene wieder auf irgendeinem Dach mit dem Präzisionsgewehr zu sehen.
Was die Sache mit der verfilmten Biographie ebenfalls kaputt macht macht ist das fiktive und etwas bescheuerte, sowie eher unnötige Duell mit einem Irakischem Profischarfschützen. Quasi aus dem Nichts zieht sich der Film einen fiktiven, "würdigen Gegner", für Kyle an Land. Mehrere Aufeinandertreffen und gegenseitiger Hass ziehen sich über den halben Film. Allerdings steht das "Duell" (immerhin) nie wirklich im absoluten Mittelpunkt. Trotzdem wirkt dieser Baustein aufgesetzt und bleibt unspektakulär, als hätte man eher zwanghaft versucht weitere spannende Abwechslung in den Film zu bringen.
Ein Actionfest für Genrefans?
Also keine ausgereifte Antikriegsdebatte, aber auch keine vernünftig verfilmte Biographie? Bleibt noch die Möglichkeit für einen Action-Kriegsfilm bei dem das Popcorn richtig gut schmeckt.
Genre Fans werden bei diesem Punkt tatsächlich ihren Spaß finden, denn der Film geizt nicht mit schnellen Schusswechseln und Einsetzen einer wackeligen Kamera die dem hektischen und flott geschnittenen Geschehen folgt.
Dem geschulten Auge wird eventuell nur der doch sehr häufige Einsatz von CGI Effekten auffallen. Kein Helikopter flog im Film beispielsweise wirklich.
Aber was in der Hinsicht zu einem Military Action Film dann doch stört, sind die oben bereits angesprochenen abrupten Wechsel zwischen Kriegsgebiet und Heimat von Kyle. Des öfteren macht der Film zu früh im Geschehen der Szene einfach einen Schnitt. Beispielsweise wird ein Charakterisierter Soldat schwer verwundet, doch kurz nach dem tödlichen Treffer wird die Szene beendet. Wie hat die Truppe, umzingelt von Feinden, den verletzten Mann aus der Zone hinaus bekommen? Hier hätte der Film die Spannungskurve nochmal deutlich steigern können.
Handwerklich ist der Film jedoch erwartungsgemäß sehr gut. Eine tolle Kameraeinstellung jagt die nächste und der Sound peitscht einem in den Gefechten grandios um die Ohren.
Fazit
In meinen Augen hat American Sniper hier knapp daneben geschossen. Für eine vernünftig verfilmte Biographie stört das fiktive und etwas unnötige "Duell der Scharfschützenprofis", für einen kritischen Antikriegsfilm ist viel zu viel Gerechtfertigung durch Patriotismus gezeigt worden und für einen militärischen Actionfilm hätten die Actionszenen noch etwas mehr ausgeschmückt werden können. Trotzdem spielt jeder seine Rolle gut, der Film ist handwerklich toll gemacht und einige beklemmende Bilder bleiben auch im Nachhinein im Kopf. Für Gernefans spreche ich also durchaus meine Empfehlung aus.
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