Man denkt halt nach...
Immer öfter ertappe ich mich in der letzten Zeit dabei, wie ich mich als Gamer und damit auch als Mensch hinterfrage. Gaming war in meiner Welt immer sehr präsent, ich kann mich kaum an Zeiten erinnern, in denen es mir nicht wichtig gewesen wäre. Als Schüler, als Lehrjunge, als Soldat, als Krankenpfleger, als Bruder, als Freund, als Ehemann...immer war ich Gamer.
Ich hatte das große Glück, eine Mutter zu haben, die mir meine Freiheiten gelassen hat. Ich durfte mich interessieren für all diese Dinge, die meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Fußball. Motorrad. Zocken.
Irgendwie ist das der rote Faden meines Lebens, und selbst meine (Ex-)Ehefrau war dem Ganzen gegenüber zwar etwas skeptisch, stets jedoch aufgeschlossen. Sie hat mich nicht nur toleriert sondern auch unterstützt, in dem sie zum Beispiel Hardware und Spiele für mich gekauft hat ("Mein Mann soll glücklich sein..."). Es gab sicher schon Spieler, die schlechter gestellt waren was diese Sachen angeht.
Die Zeit bleibt nicht stehen...
anno 1998 vor meinem uferlos starken IBM Aptiva Rechner - mit einer damals völlig überdimensionierten 3 GB Festplatte
Außerdem wie ich grad sehe mit einer tollen Fehlermeldung - Win98 fuhr mal wieder nicht hoch
In ein paar Wochen werde ich nun 44 Jahre alt sein, tatsächlich merke ich inzwischen, dass die Phasen des Spielens kürzer werden, dass ich teilweise weniger tief eintauche und auch leichter "loslassen" kann, um dann mal eine Weile ganz zu verzichten. Meine Beziehungen zu Freunden, Geschwistern und auch Frauen wiegen schwerer, ebenso meine Arbeit.
Es ist glaube ich nicht zuletzt dieser Job, der meine Schwerpunkte etwas verlagert hat. Ich habe das Privileg mit Menschen arbeiten zu dürfen, die wirklich Hilfe dabei brauchen, wieder auf die Beine zu kommen. Den Wenigsten wird "Forensische Psychiatrie" etwas sagen - es reicht im Grunde wenn ich sage, dass meine "Kunden" suchtkranke Straftäter sind. Auch Spielen kann wie wir alle wissen eine Sucht sein, und sei es nur die Verlagerung weg von einer anderen Fixierung.
Manchmal komme ich nach dem Feierabend nach Hause und schaffe es einfach nicht, mich maximal zu konzentrieren. In dem Zustand ist es nicht möglich, FIFA oder diverse FPS zu spielen, ohne dabei den Arsch voll zu kriegen. Und dafür ist mein Ehrgeiz dann einfach noch zu groß, ich konnte noch nie damit leben, Kanonenfutter zu sein. Also bleiben die Geräte immer öfter mal "aus" und ich höre meine Schallplatten, surfe sinnbefreit herum oder lasse mich von YouTube berieseln.
Oft denke ich an alte Freunde und Mitspieler, die mehr oder weniger gar nicht mehr spielen, sei es durch ihre Partnerschaft, durch Kinder, durch Jobs oder finanzielle Umstände. Es ist ein komisches Gefühl, mir würde soviel Zauber und Begeisterung und Neugierde verloren gehen, wenn ich meinen Zugang zu diesem Hobby verlieren würde. Ich kann mich immer noch wie bekloppt auf neue Spiele freuen...ich kann immer noch ungeduldig auf den Release warten, uferlos Geld in Spiele und Hardware stecken oder schlicht losspielen und wie ein Kind mit großen Augen neue Welten entdecken. Es macht mir fast Angst mir vorzustellen, das Alles wäre einfach vorbei.
Meine Begeisterung für Spiele habe ich an meine beiden Geschwister weiter gegeben, zumindest einer meiner Brüder - er ist inzwischen auch 30 - ist nach wie vor begeisterter Gamer. Aber auch er hat durch eine neue Ausbildung deutlich weniger Zeit und Geld für unseren "Sport". Vielleicht müssen wir "Alten" alle irgendwie einen bestimmten Weg finden, den wir beschreiten können, ohne dass das reale Leben davon beeinträchtigt wird.
Wie lief das damals...?
ESO-Lan 2003 in Amberg...es wurde mehr gefeiert als gespielt, man traf Freunde und Bekannte
Manchmal sehe ich Kids mit einer Switch spielen - etwa mein Patenkind mit MEINER Switch - und kann mich über die Begeisterung und die Euphorie freuen, mit der sie zu Werke gehen. So ging es mir auch. Meine ersten Multiplayer-Titel waren Half Life Death Match, Star Craft 1 und irgendwann die ersten Betas von Counterstrike. Damals noch per BNC-Netzwerk in den Kellern meiner Freunde oder bei uns zuhause auf dem Dachboden. An Internet-Zocken wie heute war gar nicht zu denken...geil war es trotzdem. Dann kamen LAN-Parties und irgendwie waren wir alle Buddies, man hat Spiele und Filme (natürlich KEINE Pornos) und andere Sachen getauscht, getrunken, gefeiert und gezockt. Streit oder gar richtiger Stress waren sehr selten und nie wirklich wichtig.
Eine Basis für uns war damals das Turtleboard. Die "Alten" hier mögen sich vielleicht noch daran erinnern. Ein rudimentäres, völlig unpraktisches Stück Forensoftware, dass dennoch die Anlaufstelle für soviele Zocker war. Damals war der PC noch ein mächtiges, weit verbreitetes Medium und als Spiele-Hardware nicht mal im Ansatz bedroht durch Konsolen. Ich hatte auch damals schon Konsolen, aber wirklich viel benutzt habe ich sie nicht.
Bin ich etwa melancholisch-nostalgisch drauf...?
Gildentreffen der "Garde des Terenas" 2005 - der Gildenleiter standesgemäß vorn in der Mitte
Eine sehr entspannte, für alle offene Community...jeder half seinerzeit jedem.
Mir fehlen diese Zeiten. Zeiten vor Stress. Flaming. Bashing. Mobbing. Klar. A****löcher gab es auch damals schon, aber gefühlt deutlich weniger...deutlich leiser...deutlich besser unter Kontrolle durch eine coole, entspannte und wohlwollende Community.
Auch das ist einer meiner Gedanken, wenn ich überlege, wie sich die Zockerei in meiner Welt und meinem Wertesystem verändert hat. Vielleicht tu' ich mich wirklich schwer damit mich unter Menschen zu bewegen, die teilweise abartig miteinander umgehen. Eine "falsche" bzw. andere Meinung provoziert heute sehr oft einen direkten Angriff auf persönlicher Ebene, eine Beleidigung oder gar Denunzierung in diversen sozialen Netzwerken. Ich frage mich, wann sich die Welt so gedreht hat. Was hat diese Veränderung bewirkt? Wo zum Teufel war ich, als das geschehen ist, dass es so an mir vorbeigehen konnte?
Obwohl man mir nicht zuletzt wegen meines Berufes gern vorwirft, dass ich ein ignoranter Zyniker sei, steckt tief in mir drin immer noch ein kleiner Idealist und Optimist. Ich kann mich nicht von der Hoffnung lösen, dass der Großteil der Spieler in der Lage ist, eine positive Community zu bilden, die produktiv und auf gute Weise kritisch wirkt. Und die in der Lage ist, Trolle und andere Störenfriede mehr oder weniger zu absorbieren.
Und auch wenn ich "Dawn of War" nicht zuletzt wegen seiner pathetischen Sprüche so geliebt habe - ich hoffe trotzdem, dass Hoffnung in diesem Fall nicht der erste Schritt auf der Straße der Enttäuschung ist.
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