Für mich gibt es 2024 einen klaren Sieger, der sich so schnell auch nicht ändern wird.
Forza Motorsport versus Gran Turismo - Für mich ist der Groschen gefallen
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"Hallo, mein Name ist Sebastian und ich bin Alkoholiker Xbox Fanboy."
So könnte meine Vorstellung hier noch im Herbst 2023 gelautet haben. Doch in der verhältnismäßig kurzen Zeitspanne bis heute hat sich an meiner Einstellung und an meinen Sichtweisen einiges geändert.
Forza Motorsport hat seine grafischen Lichtblicke. Doch so sieht das Spiel nicht immer aus.
Meine favorisierte Spieleplattform hat sich schon vor längerer Zeit vom PC auf die Konsole verlagert, genauer genommen auf die Xbox. Als Liebhaber von Rennsimulationen bzw. eher "Simcardes" mit bestmöglicher Grafik gab es da für mich natürlich über die Jahre immer eine große Spieleserie, die mein Herz eroberte: Forza Motorsport. Für mich war es seit den frühen Serienteilen schon immer "das bessere Gran Turismo". In meinen Augen hatte Forza Motorsport 7 anno dazumal mit Gran Turismo gnadenlos den Boden aufgewischt und jahrelang war ich davon überzeugt, dass es sein Nachfolger ebenso tun würde.
Im Oktober 2023 war es dann so weit und... nun ja... das Werkzeug zum Boden aufwischen entuppte sich eher als modriger Putzschwamm, der schon viel zu lange feucht in der Ecke neben der Spüle liegt.
Eines gleich vorweg: Das neue Forza Motorsport ist kein schlechtes Spiel, bei Weitem nicht. Doch es ist ein Armutszeugnis für die ansonsten auf Hochglanz polierte Forza Motorsport Serie und vor Allem ein Armutszeugnis gegenüber Gran Turismo 7.
"Built from ground up" wurde uns damals versichert. Das neue Forza Motorsport sollte uns ein Erlebnis bieten, wie kein anderer Serienteil bisher zuvor. Natürlich ist glaubhaft, dass einige Aspekte des Spiels völlig neu entwickelt wurden. Die Grafikengine, mit zahlreichen Stärken und Schwächen, auf die ich später noch zu sprechen kommen werde, ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem nun über sechs Jahre alten Forza Motorsport 7. Der Multiplayer basiert auf einem neuen System ebenso wie zahlreiche weitere Aspekte unter der Haube. Doch ab einem gewissen Punkt beginnen die Kontroversen und damit die Zweifel am "Built from ground up"-Konzept.
So schwankt die Qualität der 3D Modelle unter den Fahrzeugen teils massiv. Während gerade in der Realität relativ neue Fahrzeugmodelle auf gleichbleibend hohem Detailniveau modelliert sind, wirken die Modelle vieler älterer Fahrzeuge im direkten Vergleich dazu regelrecht detailarm und verfügen sogar über die selben Designfehler, über welche die Fahrzeugmodelle vieler früherer Forza Motorsport Teile bereits verfügten.
"Hässlich" ist Forza an keiner Stelle.
Auch der Zustand der im Spiel abgebildeten Rennstrecken weicht teilweise markant vom realen Streckenzustand ab. Zum großen Teil bilden die realen Strecken, im aktuellen Forza Motorsport dargestellt werden, den gleichen Zustand ab, wie in Forza Motorsport 7 und damit einen realen Streckenzustand im Jahr 2015/2016. Selbst in Gran Turismo werden die Rennstrecken zu einem großen Teil in einem neueren Zustand abgebildet. Das wohl bekannteste Beispiel ist hier wohl die Strecke Spa de Francorchamps, welche erst vor wenigen Monaten von Digital Foundry solch einem Vergleich unterzogen wurde.
Die teils veralteten Fahrzeugmodelle gepaart mit den nicht mehr aktuellen Zuständen der Strecken können also durchaus Zweifel an der Theorie aufkommen lassen, dass hier wirklich alles von Grund auf neu erstellt wurde, wobei bisher natürlich lediglich Indizien dafür zusammengetragen und keine Beweise dagegen geliefert wurden. Schließlich würden uns Entwickler doch niemals anlügen, oder? Oder?
Auch in Forza Motorsport wurden die Strecken bildhübsch umgesetzt,
weichen in Details aber von der Realität ab.
Generell wirkt Forza Motorsport im direkten Vergleich zu Gran Turismo (7) einfach... lieblos. Ohne jegliche Leidenschaft. Wobei der Vergleich in der Kategorie "Leidenschaft" fast schon unfair ist.
In Gran Turismo 7 spürt man einfach an jeder Ecke und Kante, dass dessen Entwickler Motorsport leben und eine wahre Passion für das Automobil hegen. Diese Liebe und Passion fand natürlich auch seinen Weg in die Entwicklung und letztendlich in das Spiel. Wer schon mal ein Making of oder eine vergleichbare Doku zur Entwicklung von Gran Turismo 7 gesehen hat, erkennt schnell, welch schieren Aufwand Polyphony hier betrieben hat und welch kleine Details hier umgesetzt wurden, die selbst nur den passioniertesten Autoliebhabern und Rennsportbegeisterten auffallen.
Im Vergleich dazu versprüht Forza Motorsport nur noch die Leidenschaft einer grauen Betonwand. Während für Gran Turismo jedes einzelne Fahrzeug lasergescannt wurde, gaben die Grafikdesigner von Forza Motorsport mittlerweile zu, 99% der modellierten Fahrzeuge noch kein einziges mal real überhaupt gesehen zu haben. Die Entwickler hatten einfach "ein Rennspiel" entwickelt, weil es ihr Auftrag war. Genau so viel Motivation hätten sie auch in einen euen Egoshooter oder ein Rollenspiel stecken können.
Der Fotomodus von Gran Turismo bietet absoluten Fotorealismus.
Ein gutes Beispiel für diesen Detailsinn sind auch die Streckendetails an sich neben und rund um die einzelnen Rennstrecken. Im direkten Vergleich wirkt so manche Strecke in Forza Motorsport tatsächlich "gefüllter" und mehr ausgestaltet. Nur: Diese Fülle hat leider nichts mit der Realität zu tun.
Wer sich schon länger mit dem Thema Rennsport beschäftigt, sei es virtuell oder auf der realen Strecke, der weiß zum Beispiel, wie wichtig Bremspunkte sein können. Für mich persönlich bilden hier neben Markierungen direkt an der Strecke oder markanten Installationen auch Baumsilhouetten einen wichtigen Anhaltspunkt. Während diese in Gran Turismo eventuell vielleicht etwas unspektakulärer und karger aussehen, entsprechen sie doch in den meisten Fällen so ziemlich 1:1 ihren realen Vorbildern, während die Vegetation der Peripherie in Forza Motorsport zwar dichter und lebendiger wirkt, jedoch klar von der Realität abweicht.
Regeneffekte und nasse Oberflächen sind ein großer Pluspunkt von Forza Motorsport.
Generell, machen wir uns nichts vor: Grafisch sieht Gran Turismo 7 einfach überwältigend aus. Und ich war felsenfest davon überzeugt, dass das neue Forza diese Grafikqualität toppen kann, nein, muss. Leider wurde ich auch hier gnadenlos enttäuscht. Ja, Forza hat seine Lichtblicke und damit auch schönen Seiten. Besonders die Regeneffekte sind im Vergleich deutlich überlegen. Aber besonders, wenn es dämmert und langsam die Scheinwerfer angehen, wird es schnell wieder richtig gruselig. Gerade was Lichtbrechung, transparente Materialien und generell das Thema Scheinwerfer und Rückleuchten betrifft, liegt Forza Motorsport mittlerweile weit abgeschlagen, Raytracing hin oder her. Da aber gerade in Sachen Grafik die Meinungen innerhalb der Communities unterschiedlicher nicht sein könnten, möchte ich mich mit diesem Thema garnicht zu lange aufhalten und es mit folgendem Fazit abschließen: Die Optik liegt im Auge des Betrachters.
In Sachen Scheinwerfer und Lichtbrechung hat Forza klar das Nachsehen.
Fortfahren möchte ich lieber mit einem Aspekt, der wiederum für Forza spricht: Die Fahrzeugauswahl. Ja, sie fällt deutlich geringer aus im Vergleich zum Vorgänger und ja, das kann man kritisieren. Aber gerade als Fan von Oldtimern liefert Forza Motorsport aktuell so einige Klassiker, die ich in Gran Turismo schmerzlich vermisse, die schicken Oldtimer der 30er, 40er und 50er aus Forza Horizon sowieso.
Auch in Sachen optischem Tuning bietet Forza Motorsport mehr Abwechslung, mit einer deutlich radikaleren Auswahl an Stoßstangen, Heckschürzen, Spoiler und Co. Warum sich im Lackierungseditor hingegen immer noch keine Decals auf den Scheiben anbringen lassen, bleibt mir bis heute ein Rätsel.
Beim optischen Tuning hat Forza klar die Nase vorne.
In puncto Fahrphysik und Fahrgefühl schenken sich beide Titel meiner Meinung nach nichts. Hier kann ich weder bei Gran Turismo noch bei Forza großartig meckern. Sämtliche Fahrzeuge steuern sich stets nachvollziehbar und liefern ein spürbares Feedback von der Strecke in beiden Spielen. Reale Rennerfahrungen habe ich bisher lediglich durch einige Touristenfahrten auf der Nürburgring Nordschleife gesammelt und ich hatte lange überlegt, ob sich eines der beiden Spiele "realistischer" anfühlt als das andere. Jetzt, wo nun auch endlich die Nordschleife im neuen Forza verfübar ist, werde ich eventuell in beiden Titeln noch einmal für ein paar Stunden über den Ring heizen und versuchen, hier zu einem Fazit zu kommen. Bisher war es jedenfalls für mich zu schwierig, hier eine klare Entscheidung zu treffen.
Von der Strecke gezeichnet. Forza punktet auch mit schicken Staubeffekten.
Der ledierte Aufkleber hingegen ist mein Werk aus dem Lackierungseditor.
Ich hatte den Artikel damit eingeleitet, dass ich ein Xbox Fanboy war. Ebenfalls in der Einleitung erwähnt hatte ich, dass das neue Forza Motorsport auch kein schlechtes Spiel ist. Immer noch nicht. Das Potenzial ist da und man merkt, dass die Entwickler immer noch an den Kritikpunkten arbeiten, wenn auch viel zu langsam. Dennoch waren meine Erwartungen im Oktober 2023 mehr als hoch und ich wurde vom Releasezustand derart enttäuscht, dass ich mir wenige Wochen darauf eine neue PlayStation 5 samt Gran Turimso 7 bestellte. Und plötzlich bot mir Gran Turismo 7 genau das, was ich von einem eigentlich würdigen Nachfolger von Forza Motorsport 7 erwartet hätte.
Obwohl Gran Turismo 7 älter ist, stellt es grafisch immer noch die Referenz dar.
Ich möchte Forza Motorsport und die Serie generell noch nicht aufgeben. Doch im aktuellen Moment bietet sich für mich keinerlei Anreiz, von Gran Turismo 7 nochmal zurück zu Forza Motorsport zu wechseln. Ich bin gespannt, wie die Sachlage in einem Jahr aussieht und würde mich freuen, Forza dann noch einmal eine Chance geben zu können.
Was die Entwickler bei Polyphony Digital hier erschaffen haben, ist Kunst.Über den Autor
ShortSeb hatte seine ersten, ernsthaften Erfahrungen mit Videospielen wohl 1997 mit der ersten PlayStation gesammelt. Über seine Kindheit blieb er dieser Plattform (nicht zuletzt dank Mama und Papa) auch weitgehend treu, bis er als Jugendlicher schon damit begann, seine eigenen PCs zusammenzubauen und sich hauptsächlich diesen zu widmen. Heute hingegen ist "Shorty" überzeugter Multiplattform Gamer und mit Vollblut auf jeder Plattform zuhause, egal ob PC, Xbox, PlayStation oder Nintendo.
manfred4281 gefällt das.
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