Gönnen können...

Von Sir Hurl · 9. Mai 2016 · Aktualisiert am 9. Mai 2016 ·
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  1. Manchmal ist es frustrierend. Man freut sich auf ein Spiel, weil es genau dem entspricht, was man spielen möchte. Man saugt jede News auf wie ein Schwamm und blickt unwillkürlich auf die Kommentare, weil man seiner Freude auf das Spiel gerne mitteilen möchte oder vielleicht erwartet, andere Gleichgesinnte anzutreffen. Denn was gibt es schöneres bei einem Dialog als über gleiche Interessen zu plaudern.

    Doch bereits nach den ersten drei Kommentaren schlägt einem die unschöne Welt des Hasses und der Beleidigungen ins Gesicht. Es wird gemosert, geschimpft, beleidigt und jedes Spiel, egal wie gut die Aussichten für ein Spiel sind, wird in Grund und Boden gestampft.

    Ich bin nun 42 Jahre alt und habe den gesamten Verlauf der Spielegeschichte erleben dürfen. Um so erschreckender empfinde ich es, wie sehr sich die Fan-Kultur verändert hat.

    In der Zeit vor dem Internet unterhielt man sich über Spiele und sonstigen Nerd-Kram, weil man tierischen Spaß an diesen Dingen hatte. Man spekulierte über die tollen Abenteuer, welche man in diesen Spielen erleben würde, ohne zu wissen, ob das Spiel überhaupt den Erwartungen entsprach. Dies war uns aber egal. Es war die Vorfreude und unsere Fantasie, die uns den Release mit Hochspannung erwarten ließ.

    Die Spiele waren neu. Adventures wechselten vom Text Adventure zu Klick Adventure. Die ersten Shooter wurden entwickelt und die Grafik erreichte eine Qualität, die wir uns nie vorstellen konnten.

    Ich erinnere mich an den Spielfilm Starfighter. Die Hauptrolle spielte ein Junge, der durch ein Computerspiel auserwählt wurde, ein richtiges Kampfraumschiff zu fliegen. Damals dachte ich, wie toll es doch wäre solch ein Spiel zu spielen. Mit dieser Grafik, in einem Cockpit zu sitzen...vielleicht sogar mit einem Freund zusammen.

    Heute ist dies möglich... und es fasziniert mich immer noch. Ein Nerd bleibt immer ein Nerd. :-)

    Diese Faszination etwas zu erleben und neues Gameplay zu erfahren gab es nicht nur in der Pionierzeit der Spieleentwicklung sondern gibt es noch heute. Auch in der Gegenwart gibt es diesen Pioniergeist und es werden immer wieder neue technologische Fortschritte und Design-Ideen vorgestellt.

    Natürlich gibt es heute nicht mehr diese Masse an wirklichen neuen Design- und Spiele-Ideen... aber dennoch sollte man sich, gerade weil sie so selten geworden sind, besonders auf diese Dinge freuen. Und dennoch wird, wie oben schon erwähnt, gemeckert.

    Mir ist klar, dass das reale Leben viel Frust bietet. Das Geld ist knapp, der Stress ist gewaltig und Probleme häufen sich. Aber warum soll man diesen Frust mit in seine Freizeit nehmen? Wieso alles verteufeln, was nicht bei "Drei" auf den Bäumen ist?

    Warum geht man nicht die ganze Vielfalt der Spiele so an, wie man sollte: Mit Genuss und die Möglichkeit für einige Stunden den Alltag zu vergessen. Und dazu gehört auch die Vorfreude und die Vorstellung, wie ein Spiel sein könnte, wenn es mal released wird.

    Die Spieleerfahrung besteht eben nicht nur aus dem aktiven spielen, sondern auch aus der Vorfreude und den angeregten Diskussionen nach dem Spiel.

    Vielleicht sollte man einfach mal das meckern sein lassen, wenn einem das Spielprinzip eines Titels nicht gefällt. Vielleicht sollte man nicht immer das Geld in den Vordergrund stellen, welches die Spielefirmen erwirtschaften wollen.... und vielleicht sollte man nicht jeden als Vollidioten abstempeln, der nicht den gleichen Geschmack hat, wie man selbst...

    Im Grunde sollten wir uns freuen, dass wir die Möglichkeit haben unsere Freizeit mit der wundervollen Welt der Computerspiele zu verschönern. Wir sollten uns über jeden Titel freuen, der veröffentlicht wird, weil es irgendwo jemanden gibt, der Spaß daran haben wird.

    Vielleicht sollten wir einfach mal gönnen können.....

    Über den Autor

    Sir Hurl
    Ich spiele seit 1979 Computerspiele und seit 1990 LARP.
    <br/>In Spielen findet man mich unter dem Nick SirHurl.
    <br/>

Kommentare

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  1. TheVG
    Guter Gedanke, ich denke nur, dass man das so pauschal nicht sagen kann. Ich stimme dir zu, dass das Internet es leichter macht, mal ein paar hässliche Wörter loszuwerden. Aber hat sich meiner Einschätzung nach auch allgemein die Diskussionskultur (etwa im realen Leben) verändert. Das schwankt dann zwischen Zurückhaltung und diesen Hässlichkeiten, je nach persönlicher Ausprägung. Beides kann auch in Abhängigkeit geraten. Doch unabhängig von Bildungsstand oder Wortwahl: Solche Diskussionen sind immer eines, nämlich Behauptung von Macht. Ist natürlich ulkig, wenn ein Prolet auf einen hochgebildeten Menschen stößt, dann wird das Ganze schnell ad absurdum geführt :)
  2. syntax error
    Schöner Appell!

    Wobei einiges sicher auch kulturbedingt ist. Man gönnt dem Anderen einfach nichts mehr. Anstatt sich bestenfalls mit zu freuen reagiert man mit Neid und evtl sogar Hass.

    Ein Schlüsselerlebnis hatte mir ein Kumpel mal berichtet der im ehemaligen Yugoslawien aufwuchs, also einer anderen Kultur. Dort war es wohl so wenn man sich was leisten konnte (neues Auto, Fernseher wasweißich) dann hat man seine Freunde, Bekannten und Nachbarn dran teilhaben lassen und alle haben sich gemeinsam gefreut. Hierzulande musste er ganz schnell schmerzlich erfahren dass die Kultur hier eine ganz Andere ist. Hier wurde sein gutmütiges "schau mal was ich mir gekauft habe" meist sofort als Angeberei eingestuft mit entsprechenden Reaktionen.
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  3. ileus
    Volle Zustimmung. Teilweise mag ich die Kommentare schon gar nicht mehr lesen.
    Bzw. wird einem ja fast jedes Spiel schlecht geredet, aber so richtig...
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  4. Sir Hurl
    Kein Thema taugt für Hasskommentare, usw... :-)

    Mir fehlt die Diskussionskultur. Vielleicht liegt es daran, dass sich viele Menschen keiner Diskussion mehr stellen (wollen).
    Früher saßen die Gentlement in ihren Herren-Clubs zusammen, tranken einen Whiskey, rauchten eine Zigarre und "verbesserten" die Welt in angeregten Diskussionen.... mit Respekt vor anderen Meinungen, die man aber nicht teilen musste. Und nach der Diskussion, die durchaus auch hitzig geführt wurde aber mit Niveau, trank man freundschaftlich noch ein Glas.
    Diese Möglichkeit ist im Internet nicht gegeben. Ich vermute stark, dass Diskussionen, die in Foren unter aller Sau geführt werden, wesentlich angenehmer und vernünftiger ablaufen würden, wenn man sich gegenüber steht. Schon alleine aus dem Grund, weil man befürchten muss, dass man von seinem Gegenüber eines auf die Nase bekommt. ;-)
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  5. jefiboy111
    Wunderschöner Blog, fasst meine Gedanken dazu perfekt zusammen!

    Und was noch viel schöner ist: Nicht der einzige zu sein.

    Danke!
  6. TheVG
    Es ist schon schwierig, die richtige Balance zu finden. Man muss nicht gleich alles schlecht finden, aber völlig naiv gut finden muss man auch nichts. Ich bin da eher für einen Mittelweg, aber versuch mal, da Gehör zu finden. In der ganzen Diskussion werden nur die Extreme erkannt, und es hat kaum jemand Lust darauf, differenziert - also empathisch, selbstkritisch und sachlich - zu argumentieren.

    Darauf habe ich wirklich keine Lust mehr. Wenn ich was in den Raum werfe, dann eigentlich nur noch zur eigenen Erbauung. Man kann sich auch über Dummköpfe ins Fäustchen lachen, anstatt sich wegen ihnen die eigene Gesundheit kaputt zu machen. Dass ich darin auch wenig empathisch agiere, ist mir bewusst. Aber Interessen wie Spiele taugen mMn nicht für Hasskommentare, Verlust von Manieren oder die Überbewertung von persönlichen Gefühlen.
  7. Sir Hurl
    Es scheint wirklich diese Extreme zu sein, welche die Leute so aggressiv werden lässt.
    Aber wenn ich mich für ein Extrem entscheiden müsste, würde ich mich für die positive Richtung entscheiden.
    Es geht ja auch um die Träumerei und Fantasie, die man bei einem angekündigten Titel hat. Natürlich spielt die Hoffnung, dass das Spiel gut wird auch eine Rolle...besonders bei Titeln, die eine zweifelhafte Vergangenheit hatten.
    Dann frage ich mich aber, wieso man die Vorfreude im Keim ersticken sollte. Man kennt die Menschen nicht, die Fans von einem Spiel sind. Vielleicht kennen sie ja die Vorgeschichte einer Spielserie. Vielleicht ist ihnen auch bewusst, was alles schief laufen kann. Trotzdem stellen sie sich vor, wie es wäre, wenn alles super klappen würde. Und ich sehe keinen Grund, warum man so eine Begeisterung sabotieren sollte.
    Natürlich möchte man auf der anderen Seite seinen Unmut über vorangegangene Titel gerne los werden. Vielleicht auch nur, um andere zu warnen, dass es schief laufen könnte. Aber wie Scario schon schrieb: Der Ton macht die Musik.
    Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Fans durchaus eine andere Einstellung zu einem Spiel akzeptieren würden, wenn jemand die richtigen Worte findet. Einleitende Worte, die zeigen, was man eigentlich aussagen will, reichen meist schon. Und wenn man Vorbesteller oder Fans nicht als Hornochsen bezeichnet, hilft dies genauso.
    Und wenn sich dann noch die Fans daran gewöhnen, nicht jede Kritik an einem Spiel, sofern sie vernünftig formuliert wurde, als persönlichen Angriff aufzufassen, sollte ein besseres Zusammenleben in der Spielegemeinschaft möglich sein.
    "Worte sind mächtiger als das Schwert...". Diesen Satz sollte man immer vor Augen haben, bevor man was schreibt. :-)
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  8. Scario
    Ich finde es ja völlig okay wenn man etwas nicht mag, aber was mich wundert ist die Unfähigkeit seine Kritik mit freundlichen oder zumindest neutralen Worten zu erläutern. Keiner würde das Mittagessen von seiner Mum als beschissen oder sie als "Entwickler" als nutzlos bezeichnen, nur weil einem mal das Essen nicht schmeckt. Ihr könnt es doch! Nutzt euren Wortschatz.
    Man sieht immer wieder wie manche Youtuber unter den Haterkommentaren leiden wenn sie kein extrem dickes Fell haben. Hinter ner Firme sind 100te Menschen, und die nehmen sich manche Beleidigungen auch zu Herzen.

    Allerdings muss ich sagen das ich die Hypefraktion auch nich so mag, weil Hype genau das ist, was die Firmen wollen (des Geldes wegen). Schöne Trailer raushauen und zur Vorbestellung zwingen. Ich würde mal sagen das dies in der Vergangenheit nur extremst selten der Fall war und deshalb auch die allgemeine Vorfreude größer war. Heute wird man halt sehr oft enttäuscht dahingehend. Nach all den Fiasken ist es ein Wunder das überhaupt noch so viele Leute vorbestellen und sowas wie Vorfreude empfinden können.
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  9. Lonewolf
    Ich muss dir Recht geben, wir Gamer und vor allem die Deutschen meckern dass das Zeug hält. Was mich daran fasziniert ist das die Spieler aus meiner Sicht oft wegen dem falschen "meckern".
    Was noch komischer ist, dass es gefühlt nur noch zwei Lager gibt, die Fanboys die über alles lieben und jede Form von Kritik als Gotteslästerung behandeln.
    Und die Hater, die alles schlecht ansehen egal wie unsinnig ihre eigene Aussage ist.
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