Eine kleine Episode der Menschheit
Als es vor langer Zeit die Goldsucher in Massen an den Klondike zog, in der Hoffnung auf einen Anteil vom Topf am Ende des Regenbogens, da folgten diesem Ruf nicht wenige, um damit ihrem eigenen Verderben entgegen zu ziehen. Der Goldrausch war geboren. Die großen Zeiten des Klondike sind längst vergangen, doch noch immer gibt es jene, die auf ein Stück vom Glück hoffen, und dafür bereit sind Haus und Hof zu veräußern.
Einer der Auslöser des Goldrausches - World of Warcraft (2004)
Den klassischen Goldrausch gab es danach nicht wieder, doch noch heute streben die Menschen nach dem schnellen Geld, und nicht selten werden sie dabei blind für mögliche Risiken und Gefahren am Wegesrand. Solche Versuche erleben wir immer wieder. Beinahe wöchentlich können wir darüber in den Gazetten und Boulevard-Medien der Republik lesen. Wir erleben das Scheitern und fragen uns, was Menschen dazu verleitet vorprogrammierte Fehlschläge einzugehen. Dabei ist wohl offensichtlich, dass bei vielen dieser Protagonisten im Angesicht des großen Geldes das Gehirn oder aber Teile davon aussetzen.
Goldrausch am PC
Den Goldrausch gab es auch im Spielebereich. Kurz nach dem Millennium, welches das Gros der Computer glücklicherweise allen Unkenrufen zum Trotz überstanden hatte, wollte jeder Teil von einem Trend sein. Die Rede ist vom Genre der MMORPGs. Noch Ende des vorherigen Jahrtausends war so etwas für Nerds. Damals war das Internet tatsächlich für viele noch so etwas wie Neuland™ und auch das Zocken an sich verließ die heimelige Schmuddelecke nur allmählich. Kellerkinder fanden ihren Weg in die Wohnzimmer ihrer elterlichen Wohnanstalten und auch das Gaming wurde fester und anerkannter Bestandteil der Gesellschaft.
Während also in den letzten Zügen des vergangenen Jahrhunderts Spiele - und damit auch MMORPGs – erst zögerlich Anerkennung und damit auch Zulauf fanden, änderte sich das rasant mit der Verquickung von Spiel und Internet. Das Online-Gaming wurde zum Massenphänomen. Ultima Online, heute einer der populärsten Vertreter der Anfangsjahre der MMORPG-Genres, kannten damals längst nicht so viele Leute, wie das heute manches Mal den Eindruck machen mag. Erst die Entwicklung der ersten echten dreidimensionalen MMOs bildete den Auftakt für den Goldrausch im Genre der MMORPGs.
Die populärsten Vertreter jener Tage waren und sind wohl Everquest und das nahezu gleichzeitig erschienene Dark Age of Camelot. Auch wenn selbst diese Spiele nicht an heutige Spielerzahlen herankamen, ebneten sie doch den Weg für Vieles, was danach kam. Der eigentliche Auftakt zur Goldgräberei bildete dann jedoch das noch heute äußerst populäre World of Warcraft. Die Grundlage dessen bildete die seinerzeit bereits schon sehr große Fan-Basis des Warcraft-Universums. Doch den Erfolg von zeitweise weit über 10 Millionen Abonnenten hatte wahrscheinlich nicht einmal Blizzard auf dem Schirm.
Durch Everquest (1999) und weitere wurden MMORPGs zur Pop-Kultur
Natürlich waren die drei genannten MMORPGs längst nicht die einzigen Vertreter des Genres jener Zeit, aber sie bildeten das Fundament dieser Pop-Kultur. Gerade der Erfolg von World of Warcraft war es dann auch, der bei vielen Begehrlichkeiten weckte. Schnell wollte jeder mit etwas Geld auf der hohen Kante ein Stück vom Kuchen haben. Ähnlich wie die Goldsucher zur Hochkonjunktur im Klondike, stürzten sich viele jener Geldgeber kopflos in das Abenteuer, ohne weiteres Verständnis der Materie oder auch der Risiken.
Es war die Zeit der großen Markennamen im MMORPG-Genre. Es schien beinahe so, als gäbe es in vielen Chef-Etagen kein anderes Thema mehr. Nicht selten wurden dabei falsche Ratschläge und Versprechen erteilt, und oftmals vermeintlich rational denkende Menschen wischten Bedenken mit einem Federstrich beiseite. Die Folgen konnte seinerzeit jeder MMORPG-Interessierte miterleben.
Das große Erwachen
Zu Dutzenden wurden in den Folgejahren MMORPGs mit großen Namen angekündigt und Anfangs lösten diese noch reihenweise Begeisterung aus. Es war die Zeit, die sehr deutlich zeigte, dass Geld und ein großer Markenname noch lange kein gutes MMORPG oder auch nur Spiel machen. Bei Spielern setzte sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass viele MMORPGs allein zum Zwecke der Partizipation am Geldsegen erschaffen wurden. Mit viel Glück fanden Spieler einen soliden aber durchschnittlichen WoW-Klon vor. Die weniger Glücklichen fanden sich in unfertigen oder wenig durchdachten Spielen wieder, die von seelenlosen Retorten-Studios erschaffen wurden, deren einziges Treibmittel Geld und der Verdienst desselbigen waren.
Doch nicht nur bei Spielern gewann diese Erkenntnis an Bedeutung. Auch die zuvor so spendierfreudigen Geldgeber wurden zunehmend verhaltener. Das Geld saß längst nicht mehr so locker, wie zum Anfang des Goldrausches. Viele der Investoren jener Tage dürften ihren Einsatz nie wiedergesehen haben, von einem Ertrag einmal ganz abgesehen.
Konnte weder die Erwartungen vieler Fans, noch die der Geldgeber erfüllen - Warhammer Online (2008)
Die Folgen und Entwicklungen jener Tage sehen wir noch heute. Spieler sind oftmals nicht mehr bereit den nächsten WoW-Klon im neuen Gewand zu spielen oder dafür zu zahlen. Nachdem neben den Erfolgen oftmals auch die Innovationen im Genre ausblieben, und weder Evolution noch Revolution zu erkennen war, ist es im einstmals so verheißungsvollen MMORPG-Genre reichlich ruhig geworden. Insbesondere große Markennamen und Spielereihen sieht man heute kaum noch.
Der Treck ist längst weitergezogen und hinterlässt eine Geisterstatt mit der Romantik eines 2-Dollar-Westerns. Der nächste Goldrausch ist schon ausgemacht und wieder sind es die Nachzügler, die versuchen ihren Teil vom Goldsegen zu erhaschen. Und auch diesmal sind viele von den Goldsuchern zu spät am Ziel eingetroffen. Der Kuchen im Lootbox-, Microtransaktionen-, oder auch „Battle Royale“-Bereich ist längst verteilt. Was bleibt sind die Krümel, um die sich ein paar Wagemutige streiten, wie die Taube am Morgen auf einem städtischen Marktplatz.
Die Suche nach dem Gold
Und das MMORPG-Genre? Nun, es wäre falsch zu behaupten, dass es, das Genre, tot sei. Es hält vielmehr einen ausgedehnten Winterschlaf. Auch hier versuchen ein paar Wenige weiterhin ihr Glück, wobei es nicht allzu vermessen sein dürfte, darüber zu unken, dass auch diese nur bedingten Erfolg haben dürften. Das freilich ist nichts als eine Weissagung, deren Erfüllung sich auch anders darstellen könnte.
Eines lässt sich für den Moment jedoch recht deutlich erkennen – Die großen Namen sind nur noch sehr selten unter den Neuankündigungen zu finden. In den letzten Jahren lassen sie sich wohl durchaus an den Fingern einer Hand abzählen. Gerade Firmen – nicht nur Spieleentwickler – und Investoren haben Abstand vom MMORPG-Genre genommen. Das Geld liegt dieser Tage auf anderen Straßen. Das Gros der sich aktuell in Entwicklung befindlichen MMORPGs wurde von Spielern und Fans finanziert. Und auch von denen wird wohl ein guter Teil nie das erhalten, was sie sich zum Zeitpunkt des Investments erhofft hatten.
Hoffnung oder doch ein weiteres Exemplar desselben unter Vielen? - Pantheon: Rise of the Fallen (2020/2021)
Die Zukunft des MMORG-Genres scheint ungewiss. Dabei hat das Genre unbestreitbar noch immer eine große Fan-Basis. Allerdings lässt sich diese aktuell nur bedingt mobilisieren. Selbst die noch immer großen Namen am Markt, jene aus der Hochzeit des Goldrausches, können maximal bei Release neuer Inhalte punkten, wobei die Halbwertszeit äußerst gering scheint und wenig nachhaltig wirkt.
Es scheint, dass die meisten Spieler auf eine echte Veränderung des Genres warten. So lange es hier keine echte Evolution oder gar Revolution gibt, wird sich die Masse wohl im heimischen Gaming-Chair zurücklehnen und das Geschehen aus sicherer Distanz betrachten. Ob aktuell in der Entwicklung befindliche MMORPGs Spieler über einen Zeitraum von mehreren Monaten binden können, gilt es abzuwarten. Einzig der Glaube daran ist kaum vorhanden, wie es scheint.
MMORPGs werden zurückkommen, eventuell auch mit großen Namen und Geldgebern mit vollen Taschen, aber bis dahin können durchaus noch manche Jahre vergehen.
Und so ist es wie damals am Klondike – Es gibt ein paar Wenige, die noch immer nach dem Goldschatz suchen. Für die Wenigsten wird sich dieses Glück jedoch jemals erfüllen.
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