(Un)Lucky Times in der Türkei - Part II

Von belerad · 26. Dezember 2022 ·
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    Deeps Hostel Ankara


    Das große Down beginnt



    Ich habe es also geschafft und bin mit meinem Plastikreifen in Ankara angekommen. Einen Platz habe ich hier im Deeps Hostel gefunden und dort auch wieder viele tolle Menschen kennengelernt. Hier wurde mir auch der gleiche Radladen empfohlen, von dem ich auch von anderen Radreisenden gehört hatte, da dieser sich auf unser Klientel spezialisiert hat. So machte ich mich am nächsten Tag auch gleich auf den Weg und was soll ich sagen, der Laden war geschlossen und hatte die nächsten Wochen Urlaub.

    So viel Zeit wollte ich aber nicht verplempern, also ging es auf eigene Faust auf die Suche nach einem passenden Reifen. Man könnte sich ja denken, dass es ein einfaches sein sollte, einen simplen Fahrradreifen zu finden. Aber als Radreisender benötigt man nicht die üblichen Reifen, die für MTB oder Rennrad ausgelegt sind. Man benötigt schwere und haltbare Straßenreifen, die einen Druck aushalten und am besten noch ein Steelmesh im Mantel haben, um besser vor platte Reifen zu schützen, auf Kosten der Leichtläufigkeit und des Gewichts.

    Natürlich gab es in den Radläden die gewünschten Reifen nicht, sie waren nicht mal zu bestellen. So orderte ich zwar Tourenreifen, aber diese waren relativ teuer und gleichzeitig nicht auf dem Niveau, das ich gern gehabt hätte, um komplett durch Zentralasien zu fahren. Darum bestellte ich auch gleich zwei.


    So vergingen fünf Tage, in denen ich das Hostel fast nicht verließ. Irgendwie war ich zu dem Zeitpunkt an einer Light Novel festgehangen, die ich einfach nicht mehr weglegen konnte. Dennoch war ich froh, als endlich der Tag der Abfahrt kam.


    Frohen Mutes stellte ich mich auch gleich der nächsten Herausforderung und fuhr nicht schnurstracks dem nächsten Ziel, Aksaray entgegen, sondern eher kreuz und quer durch die Gegend. So führte mich die erste Tagesetappe vom Hoste, über Yakupabdal, hoch auf den Elma Dagi, auf dem ich bei einer schönen Aussicht auf Ankara auch mein Zelt aufschlug.

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    Ankara aus Sicht vom Elma Dagi

    Nach einer sehr windigen Nacht, ging es am nächsten Tag weiter, musste aber auf die Hauptstraße zurück, da es keine Alternativen gab. So trampelte ich nach und nach den Berg bis zur Stadt Bala hoch. Hier bemerkte ich zum ersten Mal ein komisches Knacken, das von meinem Rad ausging, konnte aber bei einer flüchtigen Inspektion erst mal nichts feststellen. Gedanklich war es die Kette und ich überlegte mir, sie abends zu wechseln. Sicher ist sicher.


    Eine gute Stunde später war ich aus Bala wieder heraußen und fand einen schönen Weg, der mitten durch die Pampa führte, da machte es einen großen Knall und meine Pedale liefen im Leerlauf. Gedanklich bei einer gerissenen Kette machte ich mir keine großen Gedanken, aber beim ersten Blick nach unten dachte ich mir nur noch: Scheiße! Das Tretlager ist durch.

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    Große Panne mitten im Nirgendwo. Wenigstens gab es Schatten...

    Schiebend ging es den Weg zurück zum Schatten eines einzelnen Baums, an dem ich vor kurzem vorbei gefahren bin. Dort demontierte ich das Rad und schaute, ob ich das Tretlager vielleicht, zumindest provisorisch retten könnte. Aber keine Chance, das komplette Tretlager war so gut wie nicht mehr vorhanden.

    Keine Lust mehr an dem Tag noch irgendwas zu tun, baute ich mein Zelt schon am frühen Nachmittag unter eben diesen Baum auf und machte mir schonmal Gedanken, wie es weitergeht. Aksaray, das eigene Ziel war noch grob 160km entfernt und somit zu weit. Kirikkale hatte zu viele Höhenmeter dazwischen, blieb also nur der Weg zurück nach Ankara.


    “Wenigstens kann ich Bergab rollen lassen” kochte ich innerlich, während es dann, 80km schiebend und unter praller Sommersonne, auf den Weg zurück nach Ankara ging.

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    Auf Geht´s! 80km Schieben ist schon was tolles!


    Wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Häuflein Schei*e her


    Natürlich war das Hostel voll besetzt, aber das machte nichts, fand ich doch ein genauso günstiges Hotel mitten in der Stadt, wo sogar Frühstück inklusive war. Dort schloss ich mich erstmal mit andere Radlerkollegen kurz und ließ mich von anderen Meinungen bezüglich eines neuen Tretlagers beraten, bestellte dies und hatte bei zehn Tagen Lieferzeit eigentlich genügend Zeit, Ankara vielleicht doch einmal näher anzuschauen.

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    Extrem günstiges Hotel / Wiederholte Ankunft in Ankara

    Aber dieser Gedanke löste sich sofort am nächsten Tag in Luft auf. Ich wachte am nächsten Morgen gemütlich auf, ging erst einmal zum leckeren Frühstück und merkte schon vorher, dass der Magen komisch rumorte. Zurück auf dem Zimmer knurrte es nochmal kurz in der Magengegend und im nächsten Moment hatte ich ein Ei in der Hose und dies völlig ohne Vorwarnung.

    Die nächsten Tage verbrachte ich in einer Mischung aus Bett und Klo. Raus ging es nur zum Frühstücken und zum Essen einkaufen. Nach den ersten beiden Tagen fing ich an Medikamente gegen Durchfall zu nehmen, was es aber nicht besser machte und selbst an dem Tag, als das Ersatzteil für mich an der Rezeption bereit lag, war an Fahrrad fahren nicht zu denken. Ich verlängerte also noch einen Tag und bevor ich wirklich noch zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen sollte, wollte ich noch etwas ausprobieren. In meiner Reiseapotheke befand sich Breitspektrumantibiotika. Eine drei Tabletten, Eintageskur.

    Es klappte. Zwar war mir am nächsten Morgen immer noch flau im Magen und ich fühlte mich etwas benebelt, aber der Durchfall hat aufgehört und ich konnte endlich mein Rad reparieren und mich endlich wieder auf den Weg machen.

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    Ich lebe noch und das Rad wird endlich repariert


    Die Hoffnung stirbt zuletzt!


    Es ging also weiter und dieses Mal wollte ich doch etwas schneller vorankommen und fuhr deshalb auf der Hauptstraße, auf dem direkten Weg nach Aksaray. Ich merkte aber schnell, dass ich nicht ganz so fit war und jegliche Steigung fiel mir ziemlich schwer. Gerne hätte ich auch nur einen kurzen Tag zum warmwerden gehabt, aber die Vorstadtgegend und die danach kommenden Felder und offenen Gelände zwangen mich doch immer weiter, bis ich am Ende doch wieder über 100km auf dem Tacho und einen Platz für das Zelt hatte. Dafür wurde ich aber von einem schönen Sonnenuntergang und Aufgang belohnt.

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    Egal was für Unglücke alles passieren. Die Türkei hat mich fast jeden Tag verzaubert.

    Obwohl der Tag so schön war, war es doch außerordentlich frisch und darum zog ich es vor, erst zu frühstücken, wenn es etwas wärmer wird. Ein paar Kilometer weiter hielt ich schließlich an einem Parkplatz für LKW, an einer Bank an und wollte gerade anfangen meinen Frühstückstisch zu decken, als ein Polizeiauto direkt neben mir stehen blieb.

    Nach dem Glück der letzten Tage hatte ich echt mit dem Schlimmsten gerechnet. Aber die Sorge war völlig umsonst. Der Polizist unterhielt sich einige Zeit nett mit mir und fragte mich schließlich, ob ich gerne einen Tee hätte. Da es immer noch recht frisch war, sagte ich natürlich nicht nein. Er zeigte auf ein Gebäude auf der anderen Straßenseite und sagte, ich solle dort einfach nach Tee fragen.

    Gesagt, getan, ging es zu Fuß über die Leitplanken und stand vor einem Polizeigebäude. Ich musste nicht mal was sagen, kamen schon einige Polizisten heraus und begrüßten mich. Was ich nicht wusste, der Parkplatz gegenüber war Videoüberwacht und sie beobachteten mich schon die ganze Zeit.
    Ich verbrachte gute zwei Stunden auf der Polizeistation, hatte viel zu lachen, zu essen und zu trinken. Die Gastfreundschaft in der Türkei ist echt was unglaubliches.

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    Gastfreundschaft next level! Türkei!

    Irgendwann musste es aber weitergehen und so gab ich mein Lebewohl und mein Weg führte mich an den Tuz Gölü, dem großen Salzsee der Türkei. Sicherlich interessant, aber für mich jetzt nicht so beeindruckend. Ich blieb zwar mal kurz am Touristenzentrum stehen und machte auf dem See ein paar Bilder, fuhr dann aber gleich weiter.

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    Am Touri Spot ist der Tuz Gölu doch etwas fad

    Mein Magen fühlte sich nach den zwei Tagen auf dem Rad wieder gut an und machte keine Zicken mehr. Darum gab es in Sereflikochisar erst mal wieder was ordentliches zu Essen: Pizza.

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    Yeay! Verdient!

    Frisch gestärkt und gut gelaunt, ging es dann weiter bis zum nächsten Ausläufer des Salzsees, als ich bemerkte, dass es am Hintern etwas schwammig wird. Scheinbar kündigte sich ein Platter an. Darauf hatte ich an diesem Tag aber sowas von keine Lust mehr, dass ich mich dazu entschied, hier direkt an das Ufer des Sees zu fahren und Schluss für Heute zu machen. Den Platten kann ich dann auch morgen noch flicken.

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    Wenn mal der Wurm drin ist, bleibt er auch.

    Und es war mal wieder ein echt großartiger Platz um das Zelt aufzuschlagen. An den Stellen, wo der See noch Wasser führte, spiegelte es so klar, dass ein Unterschied zwischen See und Himmel nicht mehr auszumachen war, der Horizont verschwand und die Berge in der Luft zu schweben schienen. Auch der Sonnenuntergang war so wunderschön, ich war echt bezaubert.

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    Einfach die Bilder sprechen lassen!

    Aber alles Schöne geht irgendwann vorbei und es kam der nächste Morgen. Reifen flicken.


    Also wie im Lehrbuch: Reifen nach dem Culprit absuchen, gleich finden und entfernen. Davor die Stelle markieren, damit ich das Loch am Schlauch auch gleich finde. Den Reifen halb abmachen, den Schlauch etwas Luft aufpumpen, damit ich leichter das Loch finde. Loch flicken, kurz warten und Reifen wieder montieren. Anschließend aufpumpen und plötzlich zwei Teile einer Pumpe in der Hand halten…

    Meine Pumpe hatte sich in diesem Moment, aus mir unerfindlichen Gründen, in zwei Teile zerlegt und ließ sich auch nicht mehr reparieren.


    Ich muss ehrlich sagen, JETZT ist mir wirklich die Hutschnur gerissen. Unter lautem Geschrei trampelte ich wie ein Irrer erst mal auf der Pumpe rum, bis ich die verbliebenen Stücke zerdelltes Aluminium durch die Gegend warf.


    Ich war mit den Nerven echt am Ende.

    Über den Autor

    belerad
    Baujahr 1982, 30 Jahre Videospielgeschichte und jetzt Abstinent, gehe ich auf Weltreise und versuche Menschen mitzunehmen, die neben dem Zocken, auch auf wirkliches Abenteuer Interesse haben.

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