Geniale neue Ideen
Anno 1800 begeht jedoch nicht den Fehler, einfach nur ein Best-of der bisherigen sechs Serienteile zu liefern, sondern ergänzt das bewährte Spielprinzip auch mit ebenso neuen wie cleveren Ideen. Allen voran, dass wir für jeden Betrieb nun auch die passenden Arbeitskräfte benötigen.
Ingenieure wollen sich schließlich nicht auf dem Weizenfeld die Hände schmutzig machen, umgekehrt können wir keine Bauern in einer Brillenfabrik beschäftigen. Das macht den Bevölkerungsaufstieg bis ins Endgame hinein zu einer enorm wichtigen und spannenden Entscheidung. Denn die Arbeiter, die wir zu Ingenieuren befördern, könnten uns schon beim nächsten Minenbau dringend fehlen.
Auch die klassischen Effizienzbauer müssen umdenken. Denn zum einen steigt die Brandgefahr, je dichter wir Siedlungen und Industrieflächen bebauen. Und zum anderen wird wird in Anno 1800 erstmals auch die Attraktivität unserer Siedlungen bewertet, was insbesondere im späteren Partieverlauf eine wichtigere Rolle spielt, wenn Schornsteinschlote die Luft verpesten oder wir Touristen auf unsere Inseln locken wollen.
Ebenfalls eine klasse Ergänzung sind Gebäude wie das Rathaus oder die Handelskammer, in denen wir Spezialisten oder Gegenstände deponieren, um so Einfluss auf die umliegenden Häuser und Betriebe zu nehmen. So erhöht »Chantelle die Feinschmeckerin« mal eben die Produktivität aller Metzgereien im Umkreis um 40%. Und schwupps, schon haben wir einen verdammt guten Grund, unsere Wurstproduktion neu zu arrangieren.
Aus Anno wird ein Text-Adventure
Spezialisten und Gegenstände erhalten wir nicht nur wie in vorherigen Serienteilen durch das Erfüllen von optionalen Nebenquests wie Rettungsaktionen, Geleitschutz-Missionen oder sogar Fotoshootings, sondern vor allem auch über die neuen Expeditionen.
Die einzige Ergänzung von Anno 1800, die uns weniger überzeugt. Anfangs macht es noch durchaus Laune, ein Schiff gemäß den erwartbaren Herausforderungen zu beladen und in launig geschriebenen Text-Abenteuern Entscheidungen zu treffen.
Allerdings wiederholen sich manche Ereignisse schon nach wenigen Stunden, sodass wir bald nicht mehr mitlesen, sondern nur noch stumpf die Optionen mit den jeweils größten Erfolgsaussichten anklicken. Wenn es der Zufall böse mit uns meint, kann aber selbst solch ein Versuch scheitern und im schlimmsten Fall mit dem Verlust eines wertvollen Spezialisten enden, was immer mal wieder durchaus frustriert.
Wenn wir aber nach einer erfolgreichen Expedition einen legendären Gegenstand mit nach Hause bringen, ist selbst das langweiligste Textfenster vergessen. Und ja, es gibt auch gewöhnliche, ungewöhnliche, seltene und epische Items! Tatsächlich überschüttet uns Anno 1800 wie ein gutes Action-Rollenspiel im Minutentakt mit Belohnungen, die uns neue spielerische Möglichkeiten offenbaren, was wiederum in besseren Belohnungen mündet. Zack, wieder zwei Stunden vorbei.
Dem Balancing merkt man dabei die häufigen Tests mit der Community an. Es gibt immer was zu optimieren, Fehlentscheidungen sind schnell als solche identifizierbar und lassen sich umgehend korrigieren.
Was taugt die Story-Kampagne?
Einen guten Teil der Feinheiten und Möglichkeiten von Anno 1800 lernt ihr im Verlauf der Story-Kampagne, die sich ebenso wie in Anno 2205 ins Endlosspiel integriert und sich entsprechend genauso umfangreich konfigurieren lässt. Die gute Nachricht: Die Kampagne erzählt eine deutlich interessantere und besser inszenierte Geschichte als der Vorgänger. Die schlechte: Von der Qualität der Story-Kampagne von Anno 1404 bleibt sie Welten entfernt.
Dabei beginnt die Geschichte durchaus viel versprechend: Wir sollen die Unschuld unseres im Gefängnis verstorbenen Vaters beweisen, dürfen dabei sogar immer mal wieder kleinere Entscheidungen treffen und deutlich mehr Zwischensequenzen bewundern als in Anno 2205.
Die Missionen konfrontieren uns dabei mit abwechslungsreichen Aufgaben wie die Sprengung eines Berges oder eine Schiff-Beschattungsmission, die sich anfangs gut ins Endlosspiel einfügen und uns nebenbei viele wichtige Spielelemente beibringen.
Die Kampagne bringt allerdings auch drei große Probleme mit sich: 1. Die Geschichte endet nach 10 bis 20 Stunden (je nach Spielweise) enorm abrupt mit einem enttäuschenden Finale, das viele Fragen offenlässt. 2. Ihre Tutorialfunktion erfüllt die Kampagne nur unzureichend, da wir sie bereits auf der dritten Zivilisationsstufe abschließen können.
Das Endgame wird entsprechend komplett außen vorgelassen, was einerseits Serieneinsteiger mit vielen Herausforderungen alleinlässt und andererseits viel dramaturgisches Potenzial verschleudert. Kein Vergleich mit dem Bau eines Kaiserdoms in der Kampagne von Anno 1404! 3. Die Kampagnenelemente kommen sich immer wieder ins Gehege mit den Endlosspiel-Ereignissen. So zwingen uns manche KI-Gegner, schon früh aggressiv zu expandieren und aufzurüsten, wodurch die Kampagne erst zur Nebensache und anschließend viel zu einfach wird.
Insbesondere Anno-Einsteigern empfehlen wir deshalb, die Kampagne mit leichten oder gar keinen Computer-Konkurrenten zu spielen. All diese Probleme machen die Kampagne von Anno 1800 zwar nicht zu einer Katastrophe, aber eben auch nicht zu einem Highlight, was angesichts der enormen spielerischen Möglichkeiten dann doch eine leichte Enttäuschung ist.
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