"Die besten Geschichten sind die, welche die Spieler selbst über sich erzählen", sagt Chet Faliszek, Autor der Half-Life-Episoden & Portal 2 in seinem Talk in London. Er arbeitet inzwischen für die Bossa Studios (Surgeon Simulator, Worlds Adrift) und möchte das Storytelling in Videospielen umkrempeln.
"In Filmen und den meisten Spielen ist die Geschichte von vornherein bestimmt. Es gibt eine Struktur. Man erlebt sie eher, als dass man sie gestaltet." Das soll sich ändern.
Das Ziel sei es, dass die Handlungen des Spielers in der Spielwelt echte Konsequenzen hervorrufen. Diese müssen nicht positiv sein, sondern können auch Verluste bedeuten. Erreicht werden soll dieses Vorhaben über KI-getriebenes Storytelling. Das ermöglicht es, Geschichten über echte Interaktionen zu erzählen und nicht einfach nur über ein Skript, das abgefrühstückt wird.
Spiele ohne echte Storyline
Traditionellerweise sei es inzwischen laut Faliszek so, dass man zwar viele NPCs in Spielen habe, doch "letztlich findet man immer 'diesen einen Typen', der eine neue Quest freischaltet", so Faliszek. Was wäre aber, wenn es keine Storyline geben würde?
Faliszek nennt als Beispiel einen NPC, den man mit Steinen vertreibt, während ein Freund ihm einen Gefallen tut. Der Freund erfährt ein kurzes und positives Erlebnis, doch man selbst hat einen Konflikt hinaufbeschwört, der die nächsten Wochen und Monate die Art beeinflussen wird, wie man das Spiel spielt. So entspinnt sich für jeden Spieler eine andere Geschichte.
Aktuell gebe es diese Inhalte kaum in Spielen, denn Inhalte zu kreieren koste Geld. Über eine AI könnten in Zukunft jedoch Verästelungen von Geschichten erfolgen, die nicht mehr von Menschen erschaffen werden müssen, sondern die einfach entstehen.
Erstrebenswert sei eine Ursache-Wirkungsbeziehung, die subtil funktioniert. Reaktionen sollen teilweise erst mit der Zeit erfolgen, wie bei einem Nachbarn, der am Morgen stets seine Anlage laut Musik spielen lässt und den man eigentlich noch nie gesehen hat. Wenn man ihm dann jedoch irgendwann begegnet, ist die Reaktion bereits davon beeinflusst.
Nachvollziehbare Konsequenzen
Ein Beispiel, welches Faliszek nannte, war, dass ihr als Mistkerl anfangt, ein Spiel zu spielen. Ihr stehlt einem NPC das Auto und kurz darauf entscheidet ihr euch vielleicht als netter Kerl weiterzuspielen. Das geht zwei Jahre so. Der NPC jedoch musste sich in dieser Zeit ein neues Auto besorgen. Das führte ihn dann vielleicht zu eurem Nachbarn, der euch über seine Ernte stets mit Essen versorgt hat und von dem er sich die passenden Ressourcen verspricht, wie beispielsweise Geld.
Er erschießt dann im Streit den Nachbarn, ihr selbst habt keine Nahrungsquelle mehr und wenige Jahre später stoßt ihr in einem Krieg auf den ursprünglich bestohlenen NPC, der inzwischen eine riesige Anhängerschaft hinter sich gesammelt hat und fragt euch hungrig, wie man in diese Situation geraten ist.
Das soll man dann jedoch mit ein wenig Nachdenken nachvollziehen können und versteht dann die Konsequenzen des eigenen Handelns.
Den Spieler verstehen
Die Konsequenzen sollen nicht einfach nur aus Töten oder nicht Töten bestehen. Um das zu erreichen, müsse man jedoch verstehen, was der Spieler wahrnimmt und wo er sich selbst gerade im Spiel sieht, so Faliszek.
Es ist vergleichsweise einfach über Daten zu definieren, ob der Spieler gerade kämpft oder nicht. Anspruchsvoller wird es herauszufinden, ob er gerade glaubt sich in einer Liebesgeschichte zu befinden, oder in einer Rachegeschichte.
Eine große Herausforderung seien Dialoge und die Informationsvermittlung, wenn man diese nicht vorher festlegt. Wie kann eine KI beispielsweise Nuancen des Satzes "thank you" unterscheiden? Immerhin unterscheidet sich die Aussprache von der Situation. Wird man gerade von Zombies angegriffen, wird ein "Danke" sicherlich anders ausgesprochen, als wenn man den Salzstreuer am Esstisch herübergereicht bekommt (außer man wird dort ebenfalls von Zombies angegriffen).
Um echtes Handeln durch den Spieler zu gewährleisten, muss dieser genügend Informationen über die Optionen und die Konsequenzen haben. Wenn er sich dann aktiv dagegen entscheidet sie zu nutzen, sei dies an sich auch eine Handlung, so Faliszek.
Insgesamt erhofft er sich mit KI die "Art und Weise, mit der wir Geschichten erzählen, grundlegend [zu] verändern." Man darf gespannt sein, was bei den Bossa Studios heranreift. Der CTO des Entwicklers, Sylvain Cornillon, erklärt: "Wir betrachten KI als ein Mittel, um größere Spiele zu entwickeln, die es Spielern ermöglichen, tiefgründigere und bedeutungsvollere Geschichten zu erleben, die speziell auf sie zugeschnitten sind."
Den kompletten Talk von Chet Faliszek könnt ihr im Video unter dem Artikel ansehen.
GameStar Plus: Emergent Storytelling - ist das die Zukunft des Erzählens?
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