Diablo 4: Der härteste Endgame-Boss ist eine von Blizzards größten Baustellen

Der praktisch unmögliche Level-100-Endgegner ist entweder ein cleverer Schachzug oder eine totale Blamage. Wir zeichnen ein Bild der turbulenten Ereignisse.

Wisst ihr, ich beginne, Diablo 4 langsam richtig zu lieben. In den vergangenen sieben Tagen habe ich für meinen Endgame-Test einen wahren Marathon abgerissen und über 110 Stunden in meine Level 100 Zauberin investiert.

Das Gameplay ist smooth, die Itemspirale motivierend und die Builds lassen schön viel Raum zum Tüfteln, wenn auch nicht so viel wie Path of Exile. Und obwohl meine Finger von der Tortur schmerzen, habe ich ungebrochen Lust, weiter an meinem Charakter und noch ungespielten Klassen zu schrauben.

Mein Test wäre aber nicht vollständig gewesen, hätte ich mich nicht auch dem härtesten aller Gegner gestellt, den uns Blizzard mit Level 100 als finale Herausforderung vor die Nase setzt. Und genau dieser Gegner ist mehr als problematisch, denn in seinem aktuellen Zustand ist er für 99 Prozent der Spieler nicht zu besiegen.

An dieser Stelle eine dezente Spoilerwarnung, denn die Details über die Begegnung enthalten Hinweise auf den Verlauf der Storykampagne.

Nicht einmal der Tod kann dich vor mir retten

Im vierten Serienteil erhält dieser ikonische Satz, mit dem der gehörnte Namensgeber den Endkampf von Diablo 2 (vor Erscheinen des Addons) einläutet, einen neuen Twist. Haben alle, die sich um Spoiler sorgen, den Artikel verlassen? Gut.

Damals meinte der Höllenfürst damit, dass er uns auch nach unserem Ableben weiter quälen kann, da wir ohnehin wieder in seinem Reich landen. In Diablo 4 trifft er stattdessen auf Antagonistin Lilith zu, die uns als »Echo des Hasses« im Endgame ein zweites Mal heimsucht.

Das Nebenquest-Wiedersehen mit Andariel gehört zu den Highlights der optionalen Questreihen. Das Nebenquest-Wiedersehen mit Andariel gehört zu den Highlights der optionalen Questreihen.

Das ist an sich eine sehr gute Sache, denn nach Beenden der Kampagne, kribbelte es mich schon mächtig in den Fingern, den ein oder anderen Bosskampf zu wiederholen. Eine späte Nebenquest in Hawezar befriedigte diese Gelüste für den Andariel-Kampf und auch Elias stand im Level 70 Finaldungeon ein zweites Mal auf der Speisekarte.

Das Problem an Lilith Teil 2 ist, dass der Kampf dermaßen unfair ist, dass selbst geübte Spieler hunderte Versuche investieren müssen, um die Mechaniken auf die Millisekunde und das Pixel genau zu verinnerlichen. Beim deutschen Youtuber Baskenater und seinem Giftdruiden waren es über 700 Anläufe:

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Wir haben drei Versuche gebraucht und das ist Teil des Problems

Wie ihr in dem Video seht, kam hier ein Build zum Einsatz, das große Teile der Kampfphasen überspringen kann, indem es bis zu 70 Millionen Schaden auf einmal anrichtet. Ohne das gnadenlose Ausnutzen aller verfügbaren Item- und Skillsynergien fühlen sich Lililths zwei Lebensleisten dagegen geradezu endlos lang an.

In meinem eigenen Kampf gegen Echo-Lilith in der Nacht des 9. Juni 2023 schloss ich mich Robin Steinberg an, besser bekannt als der Twitch-Streamer Rob2628. Dass wir für den Kampf nur drei Versuche benötigten, lag zum einen an Robs minutiöser Analyse der Mechaniken sowie Vorbereitung und zum anderen an einer Besonderheit der Zauberer-Klasse.

Das siegreiche Team beglückwünscht sich und inspiziert die (eher magere) Beute. Das siegreiche Team beglückwünscht sich und inspiziert die (eher magere) Beute.

Als Magier macht mich mein Flammenschild nämlich für zwei Sekunden komplett unsterblich. Während Rob mit einem seiner absurd kaputten Barbaren-Builds, die selbst Weltbosse in bloßen zwei Sekunden aus den Schuhen hauen können, für den Schaden zuständig war, fiel es mir und meinen Magier-Kollegen zu, die zahllosen One-Shot-Kill-Mechaniken mit meinem Flammenschild zu umgehen und Rob anschließend wiederzubeleben.

Wir haben also diese gesamte anstrengende Ausweichperiode, in der uns hunderte Dinge auf einmal töten können, dreist ausgeklammert. Kern der »Taktik« bleibt aber in beiden Fällen die unausgegorene Klassenbalance.

Wie soll man das mit normalen Builds schaffen?

In gewisser Weise erinnert mich der Kampf an das Bullethell-Genre. Man muss zwar nicht hunderten Geschossen pro Minute ausweichen, aber er erfordert schon ein brutales Maß an Koordination und Fingerfertigkeit, weil einen unabhängig von der eigenen Defensive wirklich alles umhaut.

Denn glaubt mir, Rob hat es auch mit der Aushalte-Taktik probiert und seinen Barbar zum dicksten Panzer in ganz Sanktuario ausgebaut. Das interessiert Lilith² nur leider herzlich wenig, die Mechaniken bleiben häufig One-Shots.

Eskalierende Schadenszahlen hebeln so manche Endgame-Mechanik aus. Kurz nach Release erreichte dieser Wirbelwind-Barbar (Vielen Dank an Discord-User »OG2204#6793«) absurde vier Billiarden. Blizzard blockierte die Methode kurz darauf. Eskalierende Schadenszahlen hebeln so manche Endgame-Mechanik aus. Kurz nach Release erreichte dieser Wirbelwind-Barbar (Vielen Dank an Discord-User »OG2204#6793«) absurde vier Billiarden. Blizzard blockierte die Methode kurz darauf.

Es bleibt also die Frage, was diejenigen tun sollen, die das vorläufige Ende des Endgames erreichen wollen, ohne online nach den kaputtesten Builds zu suchen. Die einfach nur das Spiel komplett durchspielen wollen.

Und was ist mit den Spielern derjenigen Klassen, für die es solche unbeabsichtigten Synergien vielleicht gar nicht (mehr) gibt? Müssen die sich einen leidensfähigen Barbaren-Freund suchen, der sie mit aller Gewalt und unter Einsatz von zig Millionen Umskill-Gold durch den Encounter zieht?

Spielt Blizzard hier gerade 3D-Schach?

Dass diese Builds, die Schadenszahlen in Millionen- und Milliardenhöhe raushauen, so nicht gewollt sind, sieht man jedenfalls an Blizzards rigoroser Nerf-Politik. Das Setup, das Rob für unseren Kampf verwendet hat, wurde nur Stunden später unbrauchbar gemacht. Die Entwickler deaktivierten schlicht den legendären Schlüsselaspekt, an dem alle Synergie-Fäden zusammenlaufen.

Solche Holzhammer-Methoden gehen allerdings auf Kosten der ganz normalen Spielerinnen und Spieler, die in ihrer Ausrüstung auf die beabsichtigte Mechanik vertrauen, ohne all die damit verbundenen, versteckten Schadensmultiplikatoren auszunutzen.

Diablo 4 - Unsere Zauberin ist so mächtig, dass sie das Spiel fast zum Absturz bringt Video starten 1:43 Diablo 4 - Unsere Zauberin ist so mächtig, dass sie das Spiel fast zum Absturz bringt

In der Presseversion war der Kampf gegen das Echo von Lilith noch deutlich zahmer, denn die Oberdämonin führte weitaus weniger Schaden und Lebenspunkte ins Feld. Als Spieler allerdings schon während des Vorabzugangs für Vorbesteller erste Versuche unternahmen und den beinahe halbstündigen Kampf nur um Haaresbreite vergeigten, deaktivierte Blizzard die Begegnung scheinbar panisch für einige Tage.

Bei Liliths Rückkehr war sie dann so stark, dass dutzende Spieler weltweit bereits an der ersten Phase verzweifelten. Ich bin derweil bei meiner Analyse der Situation zwischen zwei Erklärungsversuchen hin- und hergerissen.

Entweder erleben wir hier gerade eine unkoordinierte, panische Überreaktion, die zwanghaft erreichen will, dass uns Echo-Lilith bis zum Beginn der ersten Season auf Trab hält - oder Blizzard wendet mit ihr einen verdammt cleveren Schachzug an.

Für das Absolvieren des finalen Endkampfes erhalten wir ein Pferd (die Fahnenstange ist eine PvP-Trophäe und gehört nicht dazu) sowie einen besonderen Titel. Für das Absolvieren des finalen Endkampfes erhalten wir ein Pferd (die Fahnenstange ist eine PvP-Trophäe und gehört nicht dazu) sowie einen besonderen Titel.

Im Endeffekt fungiert sie nämlich gerade als Sieb für all die übermächtigen Builds, die den Entwicklern in den Beta- und Qualitätssicherungs-Phasen durch die Lappen gegangen sind. Für diese Theorie spricht, dass das Team zweifelsfrei ein Auge auf jeden erfolgreichen Lilith-Kill hat und dank der dabei verliehenen Titel, sind die in der Datenbank auch kinderleicht zu finden.

Meine Hoffnung ist jedenfalls, dass sie in beiden Fällen aus ihren Fehlern lernen, Diablo 4 für uns alle zu einem runderen und faireren Erlebnis machen und die erste Season von den teils drastischen Maßnahmen der vergangenen Woche, die sich dann hoffentlich nicht mehr wiederholen, profitiert.

Und dass Lilith eines Tages zu einer knackigen, aber für alle hingebungsvollen Diablo-Fans zu bewältigende Herausforderungen wird. Denn wer könnte Sanktuario schon in dem Wissen verlassen, dass sein Sieg über die charismatische Teufelin noch nicht endgültig war.

Wie schätzt ihr die Lage ein? Versucht Blizzard gerade panisch Lecks zu stopfen oder wirkt ihr Handeln auf euch wie bis ins letzte durchkalkuliertes Vorgehen? Und was denkt ihr über das Spielen mit übermächtigen Builds? Legitime Taktik oder schamloses Bug-Abusen? Schreibt uns eure Meinung doch gerne in die Kommentare!

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