Quests, Quests, Quests!
Die Stärke von Fallout: New Vegas ist seine verdichtete Welt, mit der es seinen Vorgänger locker übertrifft. Fallout 3 war an vielen Stellen zu groß angelegt und musste das mit sinnleeren Recycling-Dungeons kaschieren. Solche Verlegenheitslösungen gibt’s auch im Mojave-Ödland von New Vegas noch, aber sie sind sehr viel seltener geworden, auch weil Obsidian die Menge an Seitenquests auf beeindruckendes Niveau hochpumpt. So bekommt fast jeder der weit über 100 Kartenorte einen konkreten Zweck, und Ödland-Erkunder haben zu jedem Zeitpunkt ein prall gefülltes Aufgabenbuch.
Die schiere Masse an Zielsetzungen treibt einen hochmotiviert kreuz und quer durch Nevada. An der Bar eines Ranger-Außenpostens trifft man zum Beispiel die gestrandete Karawanenführerin Cass, die einen unterhaltsam beschimpft und dann die kalte Schulter zeigt. Wenn man sie längst vergessen hat, taucht ihr Name plötzlich in Gesprächen auf: Ein Handelsimperium möchte ihre Karawane kaufen, ein zwielichtiger Waffenschieber bittet sie um ein »Gespräch«, man selbst spielt den Boten und kann Cass als patente Begleiterin gewinnen. So kreuzen sich Questlinien und Interessen, und auf einmal muss man entscheiden, auf welche Seite man sich stellt.
Ähnliches gilt für die 12 größeren und kleineren Fraktionen des Ödlands, die sich belauern, bekriegen oder zähneknirschend kooperieren, und wer links Partei ergreift, wird rechts beschossen und umgekehrt. Dass Entscheidungen ihre Folgen haben und dass man im Chaos der Postapokalypse auch als fieser Typ trefflich durchkommen kann, stellt Fallout: New Vegas weder tiefschürfend noch sonderlich konsequent, aber allemal unterhaltsam dar. Von allen aktuellen Rollenspielen erlaubt es seinen Spielern mit Abstand die größte Flexibilität.
Kopierschutz
Fallout: New Vegas läuft nicht wie sein Vorgänger über Games vor Windows Live, sondern benutzt Steam als Kopierschutz. Sie müssen dort beim ersten Spielstart ein Konto anlegen und das Spiel online freischalten. Danach funktioniert New Vegas auch im Offline-Modus. Ein Weiterverkauf ist durch die Kontenbindung untersagt.
Neuerungen: Aus Mods entlehnt
Für seine spielmechanischen Neuerungen schöpft New Vegas aus dem großen Ideenpool der Mods. Denn die Spieler haben an Fallout 3 in Eigenregie alles umgestaltet, was ihnen nicht gefiel. Die populärsten Mods fügen Bethesdas Rollenspiel neue Waffen und Munitionstypen hinzu, erweitern den Gegenstandsbau, verbessern die Begleiter, erhöhen den Schwierigkeitsgrad und machen - wie etwa die exzellente Mod Wanderer's Edition - das Ödland-Leben realistischer. Siehe da: All das findet sich nun als Standard in New Vegas wieder.
Nicht alles davon ist sinnvoll integriert. Das deutlich erweiterte Waffenarsenal werden die Spieler danken, der Wechsel der Munitionstypen bringt taktische Abwechslung in die (ansonsten unveränderten) Kämpfe. Gut gelungen sind Obsidian die acht neuen Begleiter, die interessante Charaktere besitzen und amüsante Dialoge führen – etwa wenn man das Inventar der liebenswert-frechen Späherin Veronica öffnet und sie schnippisch kommentiert: »Jetzt lassen Sie mich das schwere Zeug tragen, wie?« Jeder Gefährte bringt zudem eine eigene, lange Questreihe mit. Über ein verbessertes Steuermenü lassen sich die Begleiter effektiver anleiten als in Fallout 3, allerdings stürzen sie sich allzu eigenwillig in Gefechte.
Ein mäßigeres Händchen bewies Obsidian beim Gegenstandsbau. Denn obwohl nun theoretisch jeder Schrott im Ödland zugleich Rohstoff ist, viele Dutzend Rezepte existieren und Sie wie in der Gothic-Serie allerlei Pflanzen ernten, hält sich die Sammellust in Grenzen: Zu umständlich ist das Schleppen und Lagern von Zutaten, zu gering erscheint der Mehrwert, wenn es fast alles, was man erstellen kann, auch normal zu finden oder zu kaufen gibt. Ausgerechnet die coolen Eigenbau-Waffen aus Fallout 3 hat Obsidian fast komplett gestrichen, 80% der Rezepte sind Ramsch. So bleibt das neue Spielmodell Beiwerk.
Auch der optionale Hardcore-Modus, der mit Bedürfnissen wie Hunger und Durst mehr Realismus ins Spiel bringen sollte, enttäuscht. Er bleibt zu zahm und bereichert das Spiel nicht um eine relevante Erfahrung, sondern pendelt zwischen belanglosem Knöpfchendrücken (Trinken-Schnelltaste) und Nervigkeit, wenn ein Begleiter mal wieder vorstürmt und verstirbt.
Leichte Balance-Mängel
Generell hat auch Obsidian die Balance-Tücken nicht in den Griff bekommen, die das komplexe Fallout-System mit sich bringt. Zwar steigt man nun deutlich langsamer im Rang auf als im viel zu leichten Fallout 3, außerdem liegt die Obergrenze von vornherein bei Stufe 30 statt 20. Aber erkundungsfreudige Spieler erreichen das Maximum trotzdem lang bevor sie alle Aufgaben abgeschlossen haben.
Noch immer sind Energiewaffen zu schwach, die Begleiter dafür zum Teil übermächtig; der Scharfschütze Boone etwa durchlöchert Standardfeinde, bevor man selbst überhaupt die Waffe gehoben hat. Das neu geschaffene Talent »Überleben« bleibt außerhalb des Hardcore-Modus überflüssig.
Fallout 3-Veteranen werden aber auch sinnvolle Anpassungen vorfinden. Die Flut an Talent-Lehrbüchern hat Obsidian zum Beispiel deutlich eingedämmt, und statt nach mächtigen Wackelpuppen stöbern Sie in New Vegas nach seltenen Schneekugeln, die einen Haufen Kronkorken einbringen.
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