Da war der Vizepräsident von Electronic Arts beinah bescheiden: »Wir werden Call of Duty dieses Jahr nicht schlagen können«, sagte Dr. Jens Uwe Intat kürzlich in einem Interview. »Doch wir werden gefährlich nah drankommen.« Nun ja, wie gut sich EAs Call of Duty-Konkurrent Medal of Honorletztlich verkauft, ist natürlich noch offen. Aber inhaltlich kommt der Ego-Shooter nur einem gefährlich nah: der Schwelle zum Murks.
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Was für ein Schiffbruch! Mit Millionenaufwand und Medien-Tamtam hatte Electronic Arts’ seine einstige Weltkriegs-Shooter-Serie neu gestartet und zum Angriff auf Call of Duty geblasen, zum Rummel gehörten aufwändig produzierte Trailer, Linkin Park als Titelsong-Lieferant, heiße Debatten über die Tabuthemen Terrorismus und Afghanistankonflikt. Geholfen hat es dem Spiel nicht. Medal of Honor scheitert nicht nur daran, Modern Warfare 2das Wasser zu reichen. Es ist auch ein Paradebeispiel dafür, was man in einem Ego-Shooter alles falsch machen kann.
Was ist mit Multiplayer?
Unser Test zu Medal of Honor nimmt sich nur der Solo-Kampagne des Spiels an. Sobald wir ausreichend Erfahrungen mit der Verkaufsversion von Medal of Honor im Mehrspieler-Modus sammeln konnten, lesen Sie unseren Multiplayer-Test hier auf GameStar.de.
Eine Kampagne ohne Sinn
Medal of Honor schickt Sie als Elitesoldat nach Afghanistan in den Kampf gegen die Taliban. Das ist ein bündiger Rahmen und muss genügen, denn mehr Handlung werden Sie in der nur fünf Stunden umfassenden Kampagne nicht finden.
Weder gibt es einen Spannungsbogen, noch einen Oberschurken oder gar ein übergeordnetes Ziel. In den gut gefilmten Zwischensequenzen zu Beginn einer jeden Mission heißt es stattdessen stets »Laufe zum Ziel und töte unterwegs alle Terroristen«. Auch die Hauptfiguren bleiben blass. Warum zum Beispiel Ihr Teamchef den Spitznamen »Mother« trägt, wird ebenso wenig aufgelöst wie der eigentlich spannende Konflikt zwischen dem befehlshabenden Commander und einem General, der tausende Kilometer entfernt an seinem Schreibtisch sitzt und ignorante Kommandos bellt. Auch die sehr gut gesprochenen Funksprüche beschränken sich auf Einzeiler der Marke »Feind auf elf Uhr«; von Gesprächen, wie sie etwa in Bad Company 2für Atmosphäre sorgen, fehlt jede Spur. Medal of Honor verschenkt dadurch die Chance, seinen Figuren Leben einzuhauchen, Dramatik aufzubauen oder gar einen eigenen Beitrag zur Sinnsuche in aktuellen Militäraktionen beizusteuern.
Ein Krieg ohne Verstand
Das Resultat: Medal of Honor verkommt zu einem stumpfen Shooter, in dem bis auf zwei Klischeezivilisten (Ziegenhirte und verzweifelter Bauer) jeder auftauchende Afghane automatisch ein Anhänger der Taliban ist.
Ähnlich wie in Modern Warfare 2 schinden die Gegner lediglich durch ihre schiere Masse Eindruck. Taktik kennen die Klon-Burschen nicht, und wenn sie keine Deckung finden, rennen sie blindlings auf Ihre Truppe zu oder bleiben wie angewurzelt stehen. Noch mehr Moorhuhn-Flair gibt’s in den regelmäßigen Ballereinlagen, in denen Sie minutenlang an einem stationären Geschütz stehen und in die Menge feuern. In solchen Momenten bleibt einem zumindest genügend Zeit für klammes Grübeln über die Frage, ob derartiges Massenschlachten wohl auf realen Gegebenheiten in Afghanistan beruht.
Etwas Abwechslung bringen die spannenden Schleicheinsätze bei Nacht, in denen Sie feindliche Lager infiltrieren oder aus mehreren Kilometern Entfernung mit einem Präzisionsgewehr auf Gegner ballern. Doch ganz gleich ob Sie mit einem Quad durch die Wüste heizen, an Bord eines Kampfhelikopters Taliban-Nester einäschern oder mit einem Nachtsichtgerät durch stockfinstere Höhlen kriechen, die Missionen ziehen sich immer gähnend in die Länge. Es fehlt an Spektakel, an treibender Musik, an packenden Skriptereignissen, Physikeffekten und Dramatik. Medal of Honor wirkt dadurch wie eine uninspirierte Sparversion von Modern Warfare 2.
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