Seite 2: Snowpiercer - Klassenkampf im Sci-Fi-Zug

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Bilder, die sich ins Hirn brennen

Und dann kann man sie sehen, die Momente, die Harvey Weinstein wohl den Schweiß auf die rundliche Stirn getrieben haben. Denn während im einen Moment noch Chaos und Zunder herrschen, friert das Geschehen in anderen plötzlich völlig ein. Dann nimmt sich Snowpiercer Zeit für seine Geschichte, seine Charaktere und komplexen Sinnbilder. In einer der surrealsten Szenen des Films setzen sich unsere Helden aus dem Armenviertel direkt nach einem Blutbad zum Sushi-Festmahl in den Speisewagen - und essen.

Tilda Swinton spielt mal wieder um ihr Leben und gibt einen der besten Bösewichte des Genres ab. Tilda Swinton spielt mal wieder um ihr Leben und gibt einen der besten Bösewichte des Genres ab.

Und nicht selten - und auch das ist typisch asiatisches Erzählen - wird das Geschehen fast opernhaft überzeichnet. Das können absurde Momente sein, wie eben angesprochen, oder Zeitlupeneffekte inmitten des krassesten Kampfgeschehens. Oder die mehrfach gerühmte Bildsprache bedient den Eindruck einer gigantischen Theateraufführung.

Denn entgegen des ersten Eindrucks, spielt Snowpiercer nicht bloß inmitten rostender Stahlwände, sondern präsentiert in jedem neuen Abteil, das die Aufständischen erreichen, eine kleine, in sich geschlossene Welt. Da finden sich botanische Gärten, riesige Aquarien und ein Klassenzimmer, das wie aus einem Traum zu stammen scheint. In Punkto Produktionsdesign und Ausstattung gab es seit…nun, gefühlt seit Ridley Scotts glorreichen Tagen als Schöpfer von Alien und Blade Runner keine derart beeindruckende Schaffenskraft mehr zu sehen.

Fazit

David Hain: Apropos: entgegen. Snowpiercer ist auch deshalb als großartiger Triumph zu werten, weil er so unfassbar konsequent und unablässig entgegen aller Genre-Konventionen arbeitet. Gleich mehrfach im Film ergeben sich kleine oder große Wendungen, die man vor allem deshalb nicht kommen sieht, weil sie so völlig zuwider dem amerikanischen Filmemachen laufen. Hier braucht es keinen krassen Story-Twist, denn Snowpiercer kann auch so alle paar Schritte heftig überraschen.

Bong Joon-Hos Film ist aus der Sicht eines asiatischen Filmemachers vielleicht ja sogar sehr konventionell. Auf dem europäischen und vor allem dem amerikanischen Festland wird Snowpiercer jedoch als mutiger, unangepasster Genre-Meilenstein gelten. Dessen Charaktere gegen den Strich gebürstet, dessen Ideen mannigfaltig und atemberaubend, dessen Actionszenen schonungslos und hochspannend sind. Und dessen Bildsprache und Ästhetik so gewaltig sind, wie man es seit Alien nur noch viel zu selten sehen durfte.

Snowpiercer ist einen der besten Science-Fiction-Filme seit vielen, vielen Jahren, weil er zeigt, wie überraschend, roh und ungestüm das Genre und der Film im Allgemeinen sein können - wenn man sie den lässt.

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