Albernes Abenteuer im Wilden Westen

Ihr wollt mit einem Strichmännchen zum Revolverhelden aufsteigen? Indem ihr Klospülungen betätigt, Clowns mit blauen Bohnen eindeckt und das Liebesleben von...

von EgilSkallagrimsson am: 09.04.2019

Stellt euch vor, ihr wacht eines Morgens nach einem echt merkwürdigen Traum auf der elterlichen Farm auf und beschließt kurzerhand, in die weite Welt hinauszuziehen. Das geht natürlich nur, wenn ihr euch (noch im Traum) für eine von drei Klassen entschieden habt, mit denen ihr eurer Abenteuer in Angriff nehmen wollt. Noch schnell eine Umarmung für Mama, ein Geschenk von Papa und einen Klaps für den kleinen Bruder und los geht’s! In West of Loathing von Asymmetric Publications macht ihr genau das – naja, also bis in die weite Welt schafft ihr es vielleicht nicht so ganz, aber wenigstens bis ins Tutorial-Dörfchen, wo ihr mit den Grundlagen des Western-Rollenspiels vertraut gemacht werdet. Habt ihr die einmal drauf, könnt ihr euch einen Companion aussuchen, der euch künftig begleitet und mit mehr oder weniger nützlichem Gebrabbel sowie diversen Kampf-Fertigkeiten unterstützt.

Für eine Handvoll Spucke

Von nun an streift ihr durch die Gegend, um allerlei Blödsinn zu entdecken, bescheuerte Aufgaben für noch bescheuertere Charaktere zu erledigen und mitunter auch den ein oder anderen Spucknapf auf dem Boden eines dreckigen Saloons nach potentiell wertvollen Inhalten zu durchsuchen. Wobei das Spiel es natürlich nicht versäumt, gerade solcherlei Aktivitäten süffisant bis angeekelt in allen Details zu beschreiben. Überhaupt ist West of Loathing so ein bisschen wie ein guter Kumpel, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, alles zu kommentieren, was man als Westernheld in einer Welt voller infernaler Kühe, Rodeo-Clowns und billigem Whiskey halt so erleben kann. Tendenziell eher gruselige Begebenheiten werden im netten Plauderton beschrieben und mit einem Wortwitz gewürzt, der die Niveau-Messlatte von Anfang an ziemlich niedrig hängt. Was heißt hängt – eigentlich befindet sie sich eher in einem tiefen, schwarzen Loch. Macht aber nichts, denn der Humor dieses Spiels ist großartig!

Behold the Master of Flushing!

Neben den vielen absurden Orten, NPCs, Gegnern und der Währung des Spiels (Fleisch, das sich in manchen Minen auch abbauen lässt) sind auch die eigenen Skills und Perks immer für einen Lacher gut. Oder gleich für mehrere, denn jedes Item und jeder Skill haben eine eigene kleine Beschreibung, die es sich zu lesen lohnt – nicht selten werden hier Referenzen an Popkultur, historische Ereignisse oder auch einfach nur Blödsinn versteckt! So wurde ich durch wiederholtes Spülen diverser Toiletten irgendwann zum Master of Flushing, was meine Stärke dauerhaft anhob. Apropos Skills: Im Laufe des Spiels gibt es natürlich eine Menge XP zu ergattern – sei es durch das Erledigen von Quests, das Besiegen von Gegnern oder auch einfach das Beseitigen von Pferdekot auf den Straßen eurer neuen Heimat. Aufleveln könnt ihr entweder automatisch oder manuell – das solltet ihr jedoch nicht vergessen, da es keine Stufen im eigentlichen Sinne gibt. Ihr müsst die erhaltenen Erfahrungspunkte schlicht in eure Attribute und Fertigkeiten investieren.

Immer schön der Reihe nach

Wozu die Fertigkeiten gut sind? Für den rundenbasierten Kampf! Goblins, Clowns und Banditen geben ihre Schätze leider nicht einfach so her – meistens zumindest. Also müsst ihr sie mit anderen Mitteln überzeugen. Was normalerweise bedeutet: Zieht euren Colt (oder Knüppel. Oder Schwert. Oder werft eine Schlange. Klar, warum auch nicht. West of Loathing ist da nicht so pingelig.) und kämpft! Wie ihr das von anderen Rollenspielen kennt, dürft ihr euch nun abwechselnd im Rahmen eurer Aktionspunkte die Umme einkloppen und euch dafür einer im Laufe des Spiels immer größer werdenden Auswahl an Skills bedienen. Der Kampf ist jedoch bewusst einfach gehalten und sollte auch Anfänger nicht wirklich vor große Probleme stellen.

Generell ist der Schwierigkeitsgrad recht gering – solange ihr nicht den versteckten Hardmode aktiviert. Wie das geht, müsst ihr allerdings selbst herausfinden!

War ich hier nicht schonmal?

Sowieso lohnt es sich, die Spielwelt genauestens zu erkunden und mit allem und jedem zu interagieren. Oft lassen sich bestimmte Probleme nur durch Backtracking lösen. Zudem könnt ihr auch schonmal einen lustigen (und nützlichen) Perk ergattern, weil ihr einem NPC bei seinen langweiligen Ausführungen zum Thema Philosophie zuhört. Oder weil ihr so oft gegen Kakteen rennt, dass sich eine eigene, härtete Hautschicht bildet, die eure HP erhöht. Klingt blöd, aber lustig? Willkommen bei West of Loathing!

Vieles von dem, was ihr tut, hat übrigens Einfluss auf andere Quests, NPCs und auch das Ende des Spiels. Es lohnt sich also, herumzuprobieren und auch bereits besuchte Orte noch einmal aufzusuchen. Wer weiß, was sich dort seit dem letzten Mal getan hat!

Endlich mal ein Spiel mit sinnvollen Optionen

In den ersten fünf Minuten des Spiels könnt ihr bereits Stupid Walking erlernen – eine Menüoption, die die Bewegungsanimation eures Strichmännchens lächerlich blöd aussehen lässt. Das lässt sich fortan im Optionsmenü an- oder ausschalten. Wie übrigens auch den Colorblind Mode. In einem Schwarz-Weiß-Spiel. Oder wie das Spiel uns weißmacht: You never know! Weitere Optionen beinhalten die Möglichkeit, die Schriftart des gesamten Spiels auf Arial umzustellen, einen Nostalgia Mode, den ihr erst freischalten müsst und der das Spiel in einen altmodischen Sepiaton taucht oder die generelle Unterteilung der Grafikqualität in Good, Bad oder Ugly. Jep, genau das. Da das gesamte Spiel aber eh nur rudimentär gezeichnet ist und ihr als Strichmännchen herumlauft, ist die Grafik eher nebensächlich.

Eine Sprachausgabe gibt es übrigens nicht, zudem solltet ihr der englischen Sprache mächtig sein, um den großartigen Humor auch voll mitnehmen zu können. Musik und Sound sind passend und zumindest mir eher positiv aufgefallen.

Mein Fazit: Kann man mal so machen!

Nein, im Ernst: Warum lest ihr das hier noch? Na los, kauft euch dieses grandiose Spiel! Für weniger als einen Zehner bekommt ihr hier locker 20 Stunden Indie-Spielspaß. Und wer wie ich ein Completionist ist und sich eh alles zehnmal anschaut, um auch ja nichts zu verpassen, der ist locker die doppelte Zeit beschäftigt – zumal es ja auch drei verschiedene Klassen gibt, mit denen ihr West of Loathing einfach nochmal von vorn beginnen könnt. Und dabei die ein oder andere Quest auf eine Weise lösen, auf die ihr vorher gar nicht gekommen wärt. Okay, der fehlende Questlog macht manche Aufgaben echt unübersichtlich. Manchmal vergisst man vor lauter lustigen Sachen komplett, was man eigentlich erledigen wollte. Da bleibt dann schonmal etwas auf der Strecke – zumindest solange, bis man beim nächsten Spieldurchlauf wieder daran erinnert wird. Hier für alle Fälle Stift und Papier bereitliegen zu haben, ist also nicht ganz verkehrt.

 

Alles in allem aber: Klare Kaufempfehlung!


Wertung
Pro und Kontra
  • großartiger Humor und viele tolle Ideen
  • Entscheidungen beeinflussen das Ende
  • hoher Wiederspielwert
  • geringe Systemanforderungen – läuft vermutlich auf jedem Taschenrechner
  • kein Questlog – daher manchmal etwas unübersichtlich
  • nur auf Englisch verfügbar

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
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