Das Ambiente
Es gibt Spiele, die assoziiert man mit bestimmten Situationen. Bin ich aufgedreht und geladen, mache ich mir eine Dose Energydrink auf und Spiele eine Runde Doom zu hartem Metal, der freundlicherweise vom Spiel gleich mitgeliefert wird. Hochkonzentriert stundenlang Strategien planen und geschickt Warenketten verfolgen? Gin Tonic und Anno! Epische Musik, tiefgründige Story, spannende Kämpfe und dazu ein Bier? Assassin’s Creed oder ein (MMO)RPG. Aber was genießt der geneigte Zocker an einem Winterabend zu Tee und klassischer Musik? Eastshade! Zugegeben, auf die klassische Musik kann ich verzichten; meiner Meinung nach geht Metal zu allem, aber ihr wisst, auf was ich hinaus will.
Ein Spiel zum Tee
Es mag seltsam klingen, aber Eastshade ist wirklich das perfekte Spiel für diese Situation. Man wird nicht in eine actiongeladene Welt geworfen. Vielmehr erlebt man eine märchenhafte Parallelwelt, die vieles einfach zeigt und nicht erklärt. Der Spieler übernimmt die Rolle einer jungen Malerin. Der letzte Wunsch ihrer verstorbenen Mutter war es, dass wir die schönsten Ort der Insel Eastshade auf die Leinwand bringen. Das Schiff, das uns zur Insel bringt sinkt direkt zu Beginn und wir stranden unbeschadet auf Eastshade. In dem Fantasysetting angekommen, eröffnet sich uns eine Welt, die auch von Tolkien stammen könnte. Allerdings nur zu Beginn und Ende von Herr der Ringe, wenn der Leser Hobbingen besucht. Keine finsteren Herrscher, die nach Macht gieren, keine Dämonen, die alles Leben zerstören wollen. Hier gibt es nur friedliche Bewohner einer mittelalterlichen Welt, die ihrem alltäglichen Geschäft nachgehen. Die Besonderheit hier: Es sind keine Menschen. Sowohl wir selbst, als auch sämtliche NPCs schlüpfen in die Haut von humanoiden Tieren.
Mehr Erleben als Erkunden
Die Bewohner haben allerhand Aufträge für uns. Keiner davon ist besonders schwierig oder super spannend, aber es macht einfach Spaß, den seltsamen Gesellen zu helfen. Die Quests bringen uns bei unserer Erkundung immer weiter. Liefern wir einer Kartographin ein wenig Tinte, gibt sie uns die zuerst schmerzlich vermisste Map des Spiels. Ein Bär möchte seinem Freund einen Streich spielen? Kein Problem, wir liefern ihm Törtchen, die mit Beeren gefüllt sind, die er nicht mag. Die Absicht, einem Bauern bei seinem Rattenproblem zu helfen, führt uns gleich zu einer ganzen Questreihe mit verschiedenen Lösungswegen. Natürlich steht eine Aufgabe bei vielen Quests immer wieder im Mittelpunkt: Das Malen. Wer hier ein Minigame oder ähnliches erwartet, wird enttäuscht. Das Ganze funktioniert eher wie das Aufnehmen eines Screenshot. Wir suchen das passende Motiv, wählen den Bildausschnitt und sobald alles passt, halten wir auf Knopfdruck das fertige Gemälde in der Hand. Die Quests schicken uns kreuz und quer über die Insel, wobei wir immer wieder neue NPCs, wundervolle Landschaften und kleine Rätsel entdecken. Der Spieler fühlt sich von Anfang an als Teil der Fantasywelt und erlebt bei jedem Ausflug neue Momente, die zum Staunen anregen. Am ehesten hat mich das Spielprinzip an Myst erinnert.
Immer schön sachte
Es ist durchaus möglich, in Eastshade zu sterben. Solange man keinen Mantel hat, muss man bei Dunkelheit schnell in ein Haus, um nicht zu erfrieren. Klippen können auch zum Ableben der Figur führen. Gegner, die uns den Garaus machen müssen wir jedoch nicht fürchten. Abgesehen davon, dass der Spieler selbst gar nicht fähig ist zu kämpfen, ist dies auch niemals notwendig um eine Quest zu erfüllen. Selbst wenn wir mal in Folge eines bösen Unfalls über die Klinge springen, erwachen wir umgehend an einem der vielen Speicherpunkte. Freies Speichern ist zudem ebenso möglich. Auch die Quests sind nie wirklich eine harte Nuss. Vielmehr nehmen sie uns an die Hand und schubsen uns sanft in die richtige Richtung.
Kleine Schwächen
Wir haben hier kein rundum perfektes Spiel. Die Grafik lädt manchmal nach und sieht hier und da nicht wirklich zeitgemäß aus. Das eingebaute Craftingsystem kann man eigentlich kaum als solches bezeichnen, da man nur sehr wenige Rezepte hat und im Endeffekt vorwiegend Leinwände zusammennagelt, um mehr Bilder malen zu können. Wer Aufregung und Action sucht, ist bei Eastshade falsch. Möchte man aber eine entspannte Runde durch eine wunderschöne Welt drehen, bei der man jederzeit darauf wartet, dass eine Fee an einem vorbeischwirrt, wird man eine schöne Zeit in Eastshade verbringen und sich an den (Achtung schlechter Wortwitz) malerischen Locations erfreuen.
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