Ich habe sämtliche U-Boot-Spiele links liegen lassen, weil seit der Zeit des C64 „Silent Service“ meiner Meinung nach unschlagbar war. Als jedoch Silent Hunter 5 angekündigt wurde, wo man ausnahmsweise mal nicht in die Rolle eines amerikanischen Helden, sondern in die eines deutschen U-Boot-Kommandanten schlüpfen kann, habe ich mir ganz unvoreingenommen bei Amazon die Collector's Edition vorbestellt. Ich kannte die ganze Silent-Hunter-Reihe nur den Namen nach, und der Kopierschutz von Ubisoft hatte mich schon bei Assassin's Creed II nicht sehr gestört (siehe meinen Lesertest dazu). Zudem wurde der Kopierschutz mittlerweile etwas entschärft, so daß eine Verbindung zum Internet nur noch beim Start des Spieles vorhanden sein muß.
Installation und Anfang
Ich hatte es also installiert und kurz mal gestartet, aber zu dem Zeitpunkt keine Zeit gefunden, mich näher damit zu beschäftigen; also wartete ich Patch 1.02 ab, installierte diesen und versuchte dann mein Glück. Da ich, wie gesagt, mit der Spielereihe nicht vertraut war, mußte ich mich zunächst einmal in die Bedienung einarbeiten, was gar nicht so einfach ist, da das dem Spiel beigelegte Handbuch nicht sehr erhellend ist. Ich lud mir also aus dem Internet den sehr empfehlenswerten Silent-Hunter-5-Leitfaden herunter, installierte die darin erwähnte Tastatur-Mod und konnte nach der Lektüre endlich in See stechen. Dabei sticht man am Anfang gar nicht etwa in See, sondern ist schon auf hoher See. Direkt nach dem ersten Start des Spieles läuft nämlich ein Tutorial ab, das einem das Boot kurz vorstellt. Man darf dann auch wie in einer Schießbude drei bewegungslose Frachter torpedieren und hat so ein Erfolgserlebnis. Allerdings ist es im weiteren Verlauf des Spieles nicht mehr so simpel, und dann fehlen sämtliche Erläuterungen, die man eigentlich bräuchte.
Grafik
Die Grafik ist gut, aber nicht überragend. Vor allem die Außeneinstellungen wissen zu gefallen. Unschön ist, daß das Spiel offenbar in unfertigem Zustand auf den Markt geworfen wurde, was sich etwa darin bemerkbar macht, daß man – völlig korrekt – nicht tauchen kann, wenn man an Deck ist. Hat man jedoch den Kaleun an sein Sehrohr geschickt, gilt die ganze Besatzung als unter Deck befindlich, und man kann tauchen. In der Außenansicht sieht man dann aber trotzdem noch seine Leute an Deck stehen. Oder wenn man alle Torpedos verschossen hat, sieht man in der Innenansicht dennoch zwei Torpedos im Torpedoraum herumliegen und kann dem zuständigen Mann sogar befehlen, sie vorzuwärmen - obwohl sie gar nicht zu sehen sein dürften. Solche Schnitzer sind unnötig und stören die Atmosphäre.
3D-Modus
Das U-Boot ist frei begehbar; eine interessante Idee, die einigermaßen plausibel umgesetzt wurde, ohne sich in Details zu verlieren. Man kann mit den wichtigsten Mannschaftsmitgliedern interagieren und ihnen wie in einem Rollenspiel bestimmte Fähigkeiten zuweisen. Dazu stehen zahlenmäßig begrenzte Beförderungspunkte zur Verfügung, die bei erfolgreich absolvierter Mission wieder aufgeladen und erneut vergeben werden können. Auf diese Weise kann man seine Mannschaft aufleveln, was sich vorteilhaft beim Gameplay bemerkbar macht, indem zum Beispiel Torpedos schneller nachgeladen werden oder Reparaturzeiten kürzer ausfallen. In einigen Kommentaren war zu lesen, daß man in SH5 im 3D-Modus von Station zu Station rennen muß, um die einzelnen Aktionen durchzuführen, die zur Schiffsführung notwendig sind, während die Mannschaft untätig herumsteht – das stimmt so nicht. Richtig ist, daß die Mannschaft immer nur herumsteht (dazu später mehr), aber man kann es sich durchaus am Periskop bequem machen und das gesamte Boot und alle Aktionen per Mausklick oder Tastaturbefehl steuern. Ein Herumrennen im 3D-Modus ist nicht erforderlich, aber durchaus möglich.
Bedienung
Die Bedienelemente sind zweckmäßig am Bildschirmrand angeordnet, um möglichst wenig Bildschirmfläche in Anspruch zu nehmen. In den Diskussionen rund um das Spiel habe ich diesbezüglich viel Kritik gelesen, da die Darstellungen etwa des Kompaß' oder des Tiefenmessers historisch nicht akkurat seien. Es gibt mittlerweile unzählige Mods der Community, mit denen SH5 optisch geändert werden kann – leider funktionieren sie bei mir allesamt nicht. Ich habe mich dann darauf beschränkt, einen Tastenbelegungs-Mod zu installieren, der sogar funktioniert. Auf die Darstellung der klobigen, platzfressenden Steuerelemente für Geschwindigkeit, Kurs und Tiefe habe ich dann doch gerne verzichtet, da ich die Original-Spielelemente für zweckmäßig und praktisch halte. Man kann die Darstellung von einem einfachen in einen detaillierten Modus umschalten. Wie bereits gesagt, ich bin nicht durch vorherige SH-Versionen auf eine bestimmte Art der Darstellung festgelegt. Um das Boot zu steuern, sind irgendwie gemoddete Eingabeinstrumente auch gar nicht nötig. Man kann bequem auf der interaktiven Karte den Kurs einzeichnen, den das Boot nehmen soll – eine einfache und intuitive Sache.
Nicht intuitiv war für mich die Zielleitlösung. Um zu verstehen, wie man korrekt mit dem vereinfachten Zielleitsystem auf der interaktiven Karte umgehen muß, sollte man das erwähnte Handbuch konsultieren. Dort drin steht übrigens auch, wie man beispielsweise die Position eines georteten Zieles komplett von Hand berechnet (mithilfe der eingebauten Zeicheninstrumente) und anschließend Geschwindigkeit und Vorhaltewinkel des Torpedos ebenfalls von Hand bestimmt. Zu viel der Simulation für mich; ich bin doch nicht auf der Arbeit. Ich will ein Spiel spielen und Spaß dabei haben. Immerhin stellt das Spiel diese Möglichkeiten zur Verfügung, wenn ich sie auch nicht genutzt habe. Später mehr dazu.
Gameplay
Aus dem Hauptmenü heraus startet man eine neue Kampagne, indem man den entsprechenden Menüpunkt anklickt und seinem Kaleun einen Namen gibt. Hier kann man auch den Realismusgrad festlegen. Da ich kein Freund von Frust bei Spielen bin, habe ich es hier nicht übertrieben und beispielsweise Blindgänger abgeschaltet und anderes, so daß ich mit einem Realismusgrad von 37% (laut Spiel) unterwegs war. Wer es auf die ganz harte Tour möchte, kann aber auch das haben.
Einstellungen und Missionen
Man befindet sich dann im U-Boot-Dock, das man in bestimmten Grenzen frei begehen kann. Man kann ein bißchen herumlaufen und sieht das Boot im Wasser dümpeln, während um einen herum Arbeiter beschäftigt sind. Nun kann man sich an seinen Ingenieur wenden, der immer an derselben Stelle herumsteht, und die Torpedobeladung und die übrige Ausrüstung des Bootes festlegen. Ganz am Anfang gibt es aber nicht viel festzulegen, das kommt erst später, wenn man schon einige erfolgreiche Einsätze hinter sich hat. Als nächstes sollte man seinen Vorgesetzten ansprechen, der ebenfalls immer an derselben Stelle herumsteht und darauf wartet, angesprochen zu werden. Es folgt eine Einsatzbesprechung, bei der man sich für eine Mission entscheiden kann. Hier sollte man auf das Enddatum der einzelnen Missionen achten; wählt man hier eine Mission, für die man eigentlich noch drei Monate Zeit hätte, zugunsten einer kurzfristigen, dann kann man letztere womöglich nicht erfüllen – dann scheitert die ganze Kampagne! Am Anfang wählt man eine etwas einfachere, etwa „Britische Küstengewässer“. Alles das wird übrigens nirgendwo erklärt. Zum Ende des Dialogs mit dem Vorgesetzten klickt man dann auf „Feindfahrt beginnen“. Endlich geht es los! Man findet sich auf dem Kommandoturm des Bootes wieder, umgeben von einigen Mannschaftsmitgliedern (die leider immer, wirklich immer dort stehen), und kann in See stechen. Dazu schaltet man entweder auf die große Planungskarte um oder klappt unten links die taktische Karte auf (die einen Ausschnitt der erwähnten Planungskarte darstellt und genauso funktioniert). Um loszuschippern, klickt man einfach auf das Boot in der Karte und markiert durch erneutes Klicken einen Wegpunkt. Der so eingezeichnete Kurs erscheint dann als blaue Linie. Das Boot wird automatisch auf halbe Fahrt schalten und losfahren. Mit dem Einzeichnen des Kurses habe ich praktisch die gesamte Navigation des Schiffes erledigt. Das Herausfahren aus dem Dock ist übrigens nicht ganz einfach. Zeichnet man den Kurs so, daß er die Kaimauer streift, wird das Boot dagegen fahren und beschädigt. Es sind auch viele andere Schiffe unterwegs, die es zu vermeiden gilt. Das Spiel hilft einem hier kein Stück – warum auch, man ist ja schließlich der Kapitän. Hat man es endlich geschafft, den Kahn aus dem Hafen zu manövrieren, und das offene Meer erreicht, kann es dann wirklich losgehen.
Karte und Angriffsszenarien
Damit kommen wir zur größten Pluspunkt von SH5: Der interaktiven Karte. Man erreicht sie, indem man oben rechts das Steuerrad anklickt. Mit dem Mausrad verändert man den Maßstab, mit Linksklick kann man Wegpunkte festlegen, mit Rechtsklick wieder löschen. Hält man die linke Maustaste gedrückt, verschiebt man den Kartenausschnitt. Liegen Kurs und Geschwindigkeit fest, wird man zunächst aufgetaucht im zugewiesenen Gebiet patrouillieren, das man sich auch anzeigen lassen kann, denn die einzelnen Missionen sind auf der Karte mit Symbolen markiert. Suchmuster muß man selbst festlegen, etwa zickzack oder spiralförmig, und hält nach Zielen Ausschau. Gelegentlich gehen auch Funksprüche ein, die Geleitzüge oder Kampfverbände melden. Ist man in der Nähe, kann man einen Kurs dorthin setzen. Nun wird man ja nicht in Echtzeit durch den Nordatlantik schippern. Stattdessen wird man die Zeitkompression nutzen, die man einfach per Mausklick oder Tastendruck aktivieren, variieren und deaktivieren kann. Bei Feindberührung wird automatisch auf 32x zurückgeschaltet, ich selbst bin dann immer auf Echtzeit zurückgegangen, um genug Zeit zum Planen zu haben. Man nähert sich dem Ziel am Besten im rechten Winkel an, taucht rechtzeitig ab, hält einen Abstand von ca. 800 Metern ein und lauert dem Frachter auf. Nun empfiehlt sich das Umschalten auf die Persikopansicht. Man kann das feindliche Schiff nun als Ziel erfassen (ein entsprechender Hinweis wird eingeblendet) und sieht dann auf der taktischen Karte unten links, wie die Laufbahn des gewählten Torpedos aussieht. Drei Markierungen auf der Strecke zeigen an, welchen Punkt der Torpedo zu einer bestimmten Zeit erreicht hat. Entsprechende Markierungen werden für den aktuellen Kurs des Zieles angezeigt. Am einfachsten zu verstehen ist das Zielverfahren, wenn man zwei gleiche Markierungen zur Deckung bringt, also etwa jeweils die 2. Nun kann man feuern und beobachten, wie der „Aal“ in Richtung Ziel läuft. Hat man alles richtig gemacht und der Gegner ändert seinen Kurs nicht, Wird der Torpedo mit hoher Wahrscheinlichkeit treffen. Meistens reicht ein Torpedotreffer nicht aus, also wird man einen zweiten hinterherschicken. Den Beschädigungsgrad des Gegners sieht man anhand zweier farbiger Balken, die über dem Schiff eingeblendet werden. Der obere ist der entscheidende. Ist er noch da, aber nur sehr kurz, bin ich gerne aufgetaucht und habe ihm mit dem Deckgeschütz den Rest gegeben, um Torpedos zu sparen. Erfüllt man seine Missionen, erhält man irgendwann das Kommando über ein besseres Boot, das mehr Torpedos tragen kann, und kann seine Mannschaft immer weiter aufleveln.
Gegner-KI
Der Kontakt mit Kriegsschiffen ist mit Vorsicht zu genießen. Wenn sie einen sehen, halten sie auf einen zu und feuern recht zielsicher. Dann ist Alarmtauchen angesagt, Maschinen stopp und abwarten, was passiert … In diesen Momenten kommt richtige Spannung auf. Leider ist auch hier die KI nicht besonders helle. Die Zerstörer drehen allzu schnell wieder ab, auch wenn man gerade einen Frachter versenkt hat und noch nicht weit gekommen sein kann. Manchmal kann man auch beobachten, wie feindliche Zerstörer immer im Kreis oder auf einer Bahn, die wie eine 8 aussieht, herumfahren – hier fehlt einiges.
Speichersystem
Hat man alle Torpedos verschossen, sollte man sich wieder Richtung Heimat aufmachen, um das Boot überholen zu lassen und neue Munition aufzunehmen. Hierbei hilft der Reisemodus zusammen mit der höchsten Zeitkompression. Man sollte aber, vor allem, wenn man sich der Küste nähert, den Kurs sorgfältig festlegen. Wenn man aus Versehen über eine Insel drüberfährt, wird das Boot dort auf Land fahren – bei voller Fahrt und hoher Zeitkompression kam man dann nicht mehr rechtzeitig reagieren und hat einen Totalschaden. Zum Glück kann man aber frei speichern. Zusätzlich setzt das Spiel automatische Speicherpunkte, meistens kurz vor einem Gefecht – eine gute Sache. Wenn es schiefgegangen ist, kann man zum Speicherpunkt zurückkehren und es nochmal versuchen. Ein echtes Ärgernis ist hingegen, daß offensichtlich weder die aktuelle Wettersituation noch die Position feindlicher Schiffe mitgespeichert werden – jedenfalls nicht immer. Manchmal ist der Gegner noch da, lädt man erneut denselben Spielstand, ist er weg und es regnet. So etwas darf nicht vorkommen.
Deutsche Version
Die Lokalisierung des Spiels ist miserabel. Den deutschen Sprechern kann man hierbei keinen Vorwurf machen, sie haben recht gute Arbeit abgeliefert, wenngleich die ständige Wiederholung der immer gleichen Sätze irgendwann nervt („Wir erreichen den letzten Wegpunkt!“). Das unangenehmste Problem ist vielmehr, daß die zusammengesetzten Zahlwörter falsch ausgegeben werden. Statt „Achtundzwanzig“ ertönt „Undzwanzig Acht“, statt „Zweiunddreißig“ „Unddreißig Zwei“. Hat denn vor dem Release wirklich keiner mal die deutsche Version getestet? Aber gut, mittlerweile gab es schon zwei Patches. Für mich als Nicht-Programmierprofi scheint es eine triviale Sache zu sein, die Ausgabe der Sprachsamples umzudrehen. Das kann doch nicht so schwierig sein! Dann ist die Oberfläche nur teilweise übersetzt („Area of Operations“) oder falsch übersetzt („Zurück“ statt „Heck“). Über falsch geschriebene Wörter lächelt man dann nur noch („Deutche Bucht“).
Fehler und Bugs
Insgesamt ist Silent Hunter 5 ein interessantes Spiel mit einem unverbrauchten Ansatz. Leider gibt viele Mängel im Detail. Meine Hauptkritik betrifft das nicht-kontextsensitive Verhalten der KI, sowohl der eigenen Mannschaft als auch der Gegner. Beispiel: Die eigene Mannschaft steht immer an Deck. Selbst wenn man gerade erst aufgetaucht ist und die Luke öffnet, stehen die Leute schon oben – weil sie eben immer da stehen. Im Inneren des Bootes stehen oder sitzen die Leute immer am selben Platz, ungeachtet der Situation. Selbst beim Alarmtauchen bewegen sie sich nicht. Auf einem sinkenden Frachter sieht man die Mannschaft an Deck herumspazieren und rauchen. Wenn man in den Heimathafen einläuft, gibt die Mannschaft dauernd Meldungen ab („Da ist Rauch am Horizont“, Schiff in Sicht“), weil der Umstand nicht berücksichtigt wird, daß man gerade gar keinen Feindkontakt hat. All das beeinflußt das Gameplay nicht, wenngleich hier viele Möglichkeiten verschenkt wurden, stört aber die Atmosphäre teilweise massiv. Ein weiterer Kritikpunkt ist das fast vollständige Fehlen von Erklärungen und weiterführenden Tutorials.
Fazit
Bei aller berechtigten Kritik an den Fehlern und Unzulänglichkeiten muß ich jedoch auch sagen, daß Silent Hunter 5 mir Spaß macht. Es ist nicht so, daß es unspielbar sei, und das, was funktioniert, funktioniert auch gut. Beispielsweise ist das Planen der Angriffe auf der Karte, das Anpeilen der Ziele durch das Sehrohr oder die grafisch gut inszenierten Gegnerschiffe durchaus gelungen. Somit hinterläßt das Spiel einen zwiespältigen Eindruck. Offenbar wollte man es unbedingt auf den Markt werfen, obwohl es noch nicht fertig entwickelt war. Es wurden dann eher widerwillig noch zwei Updates herausgebracht, aber nach der Version 1.02 wird es nach einer Verlautbarung im offiziellen SH5-Forum keine weiteren Updates mehr geben. Schade, denn das Spiel hat durchaus das Potential zu einem echten Hit für Fans und einem Geheimtip für alle anderen. Diese Gelegenheit wurde leider verschenkt.
Mm.
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