Richtig (schön) mystisch!

Es ist Spätnachmittag.  Gefesselt sitze ich vor dem Rechner, spiele The Vanishing of Ethan Carter und erkunde grade eine düstere Mine, als...

von L_ONE am: 09.11.2014

Es ist Spätnachmittag.  Gefesselt sitze ich vor dem Rechner, spiele The Vanishing of Ethan Carter und erkunde grade eine düstere Mine, als plötzlich ein Windzug durch mein Zimmer fegt und eine Tür hinter mir zuknallt. Mein Herz bleibt stehen, mein Blut gefriert und ich hämmere laut fluchend auf die Escape Taste. Zwangspause - der Puls muss erstmal wieder gesenkt werden. Erst jetzt realisiere ich wie sehr mich das Spiel in seinen Bann gezogen hat. Wann war ich das letzte Mal so tief und unmerklich in eine virtuelle Welt abgetaucht?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was ist The Vanishing of Ethan Carter?

The Vanishing of Ethan Carter ist ein rund 3 – 4 stündiges, eher simples Adventure im fiktiven, grünen Red Creek Valley, in dem wir eine erwachsene, düstere Mystery Story - gewürzt mit einigem Horror - erleben. Wir steuern den Detektiv Paul Prospero aus der Egoperspektive, der einige blutige Umstände im malerischen Tal aufzuklären hat und den verschwundenen Ethan Carter suchen will. Dabei helfen ihm stets seine übersinnlichen Fähigkeiten. So decken wir nach für nach das düstere Geheimnis rund um diesen Ort auf.

So viel sei verraten: Die Geschichte ist zwar sehr mysteriös und wird mit etwas Horror gewürzt, das Spiel verkommt jedoch nie komplett zum wirklichen Horrorgame. Grusel und Atmosphäre erzeugt der Titel durch viele Andeutungen, Soundeffekte und der einfachen Ungewissheit, was uns hinter der nächsten Ecke oder dem nächsten Baum wieder erwarten könnte. Trotzdem seien alle ängstlichen oder schreckhaften Spieler hiermit gewarnt.

 

 

 


Blutig - Was ist hier passiert?

 

 

 

 

 

 

 

So wird gespielt

Spielmechanisch ist The Vanishing of Ethan Carter sehr einfach gehalten. In der Egoansicht bewegen wir uns durch die Spielwelt, für Interaktionen reicht stets ein Mausklick. Ein HUD oder ein Inventar für aufgesammelte Gegenstände gibt es nicht. Genauso wenig wie irgendwelche Hilfestellungen.

Schon bevor wir das Spiel wirklich starten werden wir gewarnt: „Dieses Spiel nimmt dich nicht an der Hand.“ Und das ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig. So werden wir in das malerische Tal geworfen, haben aber zunächst keine Ahnung was hier zu tun ist. Doch nach und nach, ohne irgendwelche Tutorials als Hilfe, lernen wir das Spiel kennen - verstehen, wie es gespielt werden soll und wie es aufgebaut ist.

Dieser ruppige Einstieg könnte einigen sicher schwer fallen. Ist diese Hürde jedoch erstmal übersprungen, so fängt das Spiel an den Spieler gnadenlos vor den Bildschirm zu fesseln und hat bis zum Abspann auch nicht mehr vor, diese Fesseln zu lösen.

 

 

 

Wenn wir etwas finden, mit dem wir interagieren können, geht Prospero gedanklich alles mögliche durch.

 

 

 

 

Die Abstände zwischen Erkunden und Entdecken sind nämlich perfekt. Häppchenweise decken wir neue Erkenntnisse auf, die gleichzeitig aber auch neue Fragen aufwerfen. Das Spielprinzip selbst ist dabei sehr einfach: Wir entdecken meistens eine Leiche und müssen nun genug Objekte in der Nähe finden, die mit dem Fall zu tun haben. Ist alles entdeckt oder wieder richtig positioniert, decken wir die Kernsituationen an den jeweiligen Stellen auf und müssen diese anschließend in die richtige Reihenfolge bringen. Ist dies geschafft, so spielt sich die komplette Szene ab und wir sehen wie es zu dem Vorfall kam. Das ist zwar sehr motivierend, jedoch vielleicht etwas zu simpel geraten. Denn für das anordnenden der Vorkommnisse oder das Finden der Objekte brauchen wir nicht allzu viel Hirnschmalz einsetzen. Allerdings sind die Rätsel somit auch sehr angenehm zu lösen - auch wenn wir kein Profi Detektiv sind - und wirken nicht zu sehr in die Länge gezogen. Außerdem warten noch weitere Herausforderungen - Stichwort Schalterrätsel - auf uns.

 

 

 

 

Alle Häuser in Red Creek Valley scheinen verlassen zu sein...

 

 

 

 

 

Die Geschichte wird grundlegend nur durch diese Fälle und einigen Entdeckungen erzählt. Trotzdem ist sie tiefgründiger als man zunächst denkt und es steckt einiges zwischen den Zeilen.

Richtig gut gelungen ist auch das Ende des Spiels. Es ist schön abgeschlossen und lässt trotzdem Raum für eigene Interpretationen. Außerdem wird die Geschichte noch einmal komplett auf den Kopf gestellt. Dadurch bietet sich sogar ein zweiter Durchgang mit anderer Sichtweise an.

 

 

 

Wir rekonstruieren dank Prosperos übersinnlicher Fähigkeiten einen Vorfall.

 

 

 

 

 

Schöne Aussichten - düstere Interieurs

Die größte Faszination liegt bei The Vanishing of Ethan Carter jedoch im „die Schöne und das Biest - Effekt“. Wie kann ein Spiel so harmonisch und schön, aber gleichzeitig so düster und bedrohlich sein?

Im ersten Moment bekommen wir noch ein wundervolles Panorama vorgesetzt, untermalt mit einem tollen Soundtrack, im nächsten Moment erkunden wir wieder ein dunkles, ausladendes, verlassenes Haus oder eine dunkle Mine.

 

 

 

Schau mal wie das aussieht! Jetzt guck schon - los!

 

 

 

 

 

 

 

Ein Großteil der Atmosphäre entsteht durch die Ungewissheit, was wohl als nächstes kommen mag. Innerhalb der ersten Spielstunde nämlich lernen wir das mystische Setting kennen, bekommen einen deftigen „was zur Hölle?“ Moment vorgesetzt und lernen, dass in diesem Spiel wohl wirklich alles passieren könnte. Durch den Sound, der uns subtil und regelmäßig in den richtigen Situationen fiese mystische, sowie gruselige Geräusche ins Ohr pustet, entsteht ebenfalls ein Gefühl der konstanten Bedrohung.

Und auch wenn sich unser Protagonist Prospero im Spiel mal zu Wort meldet – was eher selten vorkommt – versprüht er bedrohliche Atmosphäre, redet von Toten, Geistern oder einer Art Dunkelheit, die ihn zu beobachten scheint. Einen Tiefgang entwickelt Prospero trotz dieser Monologe allerdings kaum.

 

 

 

Selbst in einer Mine macht das Spiel dank toller Beleuchtung grafisch einen tollen Eindruck.

 

 

 

 

 

Insgesamt ist aber die Spielwelt der eigentliche Star. Red Creek Valley ist zwar nicht allzu groß, jedoch unglaublich schön gestaltet und sehr idyllisch. Grafisch ist das Spiel sehr gut. Selbst leerstehende Innenräume sind dank der tollen Texturen und Details schön anzusehen. Und ab und zu ergeben sich wirklich fotorealistische Bilder auf dem Monitor. Auch in dunklen Umgebungen sorgt die tolle Beleuchtung für ein richtig gutes Bild.

Spielerisch gibt es zwar nur einen Weg der zum Ziel führt, dieser ist jedoch angenehm weitläufig und lädt zum Erkunden ein. Meckern könnte man – wenn überhaupt – nur auf ganz hohem Niveau. So ist die Vegetation zum Beispiel eher flach, was beim genaueren Hinsehen den grafischen Eindruck ein wenig trübt. Und um die Fälle zu lösen müssen wir schließlich ab und zu genauer hinsehen. Beim normalen Spaziergang fällt das jedoch nicht auf. Auch die wenigen menschlichen Charaktere wirken im Kontrast zur tollen Umgebungsgrafik etwas zu schlicht. Aber wie gesagt, das ist Kritik auf ganz hohem Niveau.

 

 


Nur wenn man explizit danach sucht, findet man kleine grafische Mängel. Aber das ist Kritik auf ganz hohem Niveau.

 

 

 

 

Persönliches Fazit

The Vanishing of Ethan Carter ist so ein Spiel das man seinen Freunden zeigt, wenn man was tolles präsentieren will. Aus jeder Stelle im Spiel könnte ein Wallpaper entstehen, so schön ist Red Creek Valley. Das und die tolle Atmosphäre trugen dazu bei, dass der Titel zwar ein kurzes, aber wirklich tolles Spielerlebnis für mich war. Auch die Geschichte, die zwar abgeschlossen, jedoch viel Raum für eigene Interpretationen lässt, war schlichtweg toll zu erleben.

Das Spiel ist etwas nischig, das gebe ich zu. Nicht jeder wird die Geduld für dieses Spielerlebnis aufbringen können. Man muss in der Lage sein, sich in einer Spielwelt zu verlieren, sonst geht die Rechnung und die Faszination nicht komplett auf.

Nur spielerisch ist es mir etwas zu wenig gewesen, auch die Rätsel waren zwar angenehm, aber insgesamt zu simpel gehalten. Etwas mehr in Red Creek Valley entdecken zu können hätte dem Spiel ebenfalls gut getan - einige Landabschnitte sind zwar schön anzusehen, jedoch schlichtweg inhaltslos.

Unterm Strich ist The Vanishing of Ethan Carter jedoch eine schöne Spielerfahrung, vor allem wenn man mal was anderes als den üblichen „Einheitsbrei“ spielen möchte.


Wertung
Pro und Kontra
  • tolle Grafik
  • tolle Atmosphäre -
  • düster und harmonisch zugleich
  • richtig guter Soundtrack
  • interessante, abgeschlossene Geschichte
  • Interpretationen zwischen den Zeilen
  • Wiederspielwert nach dem Ende
  • etwas zu wenig "Spiel"
  • einige spielerisch unwichtige Ecken in der Spielwelt
  • Rätsel sehr leicht
  • sehr kurz
  • sehr viel Gelaufe
  • alle Rätsel müssen zwingend gelöst werden

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Weniger als 5 Stunden



Kommentare(2)
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