Was nix kostet, taugt nix? - Gratis-Upgrade auf Windows 10

Microsoft verteilt Windows 10 als Gratis-Upgrade und erntet dafür allerhand Misstrauen. Dabei geschieht das ganz und gar nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, meint unser Hardware-Chef Florian Klein.

Das kostenlose Upgrade auf Windows 10 verteilt Microsoft nicht aus reiner Nächstenliebe. Das kostenlose Upgrade auf Windows 10 verteilt Microsoft nicht aus reiner Nächstenliebe.

Warum Windows 10 nicht Windows 9 heißt, fragen sich viele. Dass Microsoft Windows 10 dazu noch kostenlos verteilt für alle, die einen PC mit Windows 7 und 8 ihr Eigen nennen, sorgt hierzulande nicht nur für Freude, sondern auch für allerhand Misstrauen.

Und richtig so: Skepsis ist immer angebracht, wenn eine streng egozentrische Organisation wie ein Weltkonzern einem etwas offensichtlich ganz ohne Gegenleistung schenken will. Schließlich geht es in einer Firma grundlegend immer nur um eines: Profit. Und davon machte Microsoft in den vergangenen Jahrzehnten reichlich, größtenteils mit dem Verkauf von Windows.

Warum dann jetzt nicht mehr? Eine der beliebtesten Theorien in den Untiefen des Internets lautet, damit Microsoft und die NSA dank neuer Win-10-Funktionen uns alle jetzt noch besser überwachen können. Es stimmt zwar, dass Windows 10 durchaus mehr Daten (zum Nutzerverhalten für gezielte Werbung) sammeln will, das lässt sich aber von Hand abstellen. Und spätestens seit Edward Snowden ist sowieso klar: Digitales Spionieren beherrscht die NSA auch mit Windows 7 und 8 und jedweder digitaler Kommunikation schon - praktisch allumfassend.

Sehr beliebt ist auch die Vorstellung, das kostenlose Upgrade diene nur dazu, später ein kostenpflichtiges Abo-Modell einzuführen. Konkret: Wer sich jetzt durch das kostenlose Lock-Upgrade verführen lässt, muss später regelmäßig blechen, um überhaupt noch Updates für Windows 10 zu bekommen - zurück kann er dann auch nicht, da der ehemalige Windows-7/8-Key nur noch für Windows 10 gilt.

Das mit dem Key ist zwar richtig, aber die Einführung eines Zwangs-Abos durch die Hintertür wäre aus PR-Sicht quasi Selbstmord und wurde von Microsoft auch schon verneint. Es scheint also um etwas anderes zu gehen beim kostenlosen Upgrade.

Windows 10 Upgrade - So läuft der Umstieg Video starten 18:45 Windows 10 Upgrade - So läuft der Umstieg

Wo ist der Profit

Zum einen kostet Windows 10 in Verbindung mit einem neuen PC, Notebook oder Tablet natürlich immer noch etwas, auch Firmenlizenzen verschenkt Microsoft nicht. Kostenlos gibt es das neue Betriebssystem also nur für Umstiegswillige innerhalb des ersten Jahres, und auch technisch zu dem Upgrade überhaupt Fähige, was bei Weitem nicht für alle Besitzer eines Windows-Gerätes gilt.

Zum anderen spart sich Microsoft langfristig gesehen eine Menge Aufwand (und damit Kosten) für die jahrelange Pflege älterer, aber immer noch beliebter Windows-Versionen. Ein gewichtiger Grund für das Gratis-Update auf Windows 10 dürfte für Microsoft daher im Abwenden der Gefahr bestehen, dass aus Windows 7 ein zweites Windows XP wird. Das war nämlich stets erheblich populärer als der von vielen verschmähte Vista-Nachfolger - die Parallelen zum Verhältnis von Windows 7 zu Windows 8 drängen sich auf.

Windows 10 Testvideo - Wechseln oder nicht? Video starten 16:39 Windows 10 Testvideo - Wechseln oder nicht?

Daher will Microsoft Windows 10 ganz offensichtlich so schnell als möglich und vor allem langfristig als einziges Windows-Betriebssystem etablieren. Dafür spricht auch die neue Update-Politik, die Windows 10 als ein sich stetig in kleinen Schritten fortentwickelndes System sieht. Statt den gewohnten Service Packs alle paar Jahre soll es nun regelmäßige Inhalts- und Funktions-Updates für Windows 10 geben. Ganz im Sinne populärer Online-Spiele wie etwa Eve Online, die sich durch konstante kleinere Patches über die Jahre betrachtet sowohl technisch als auch inhaltlich an die sich (immer schneller) verändernden Gegebenheiten anpassen und damit stets am Puls der Zeit bleiben.

In einem zweiten Schritt geht es Microsoft auch um Relevanz: Im Mobilsektor bei Smartphones und Tablets bekommt Windows nämlich im Vergleich zu Android und iOS immer noch kaum einen Fuß auf den Boden. Ein möglichst weit verbreitetes Windows 10 soll Kunden dazu verleiten, auch bei Smartphone und Tablet zu einem Windows-Gerät zu greifen, schließlich kennt man das System ja schon. Denn käme zum bisherigen Schattendasein von Windows Phone noch der Verlust der Desktop-Dominanz, dann bliebe Microsoft über kurz oder lang nur die Quasi-Alleinherrschaft bei Office-Anwendungen - ein immenser Bedeutungs- und Umsatzverlust im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten.

Zwangs-Upgrade für Spieler

In die gleiche Kerbe schlägt auch die DirectX-12-Exklusivität von Windows 10, denn der Desktop-PC-Markt wird zumindest im privaten Sektor hauptsächlich durch das PC-Spielen angetrieben. Technisch gesehen gibt es keinen offensichtlichen Grund, warum DX12 nicht auch auf den Vorgängern laufen sollte, schließlich ist es hauptsächlich ein performance-optimiertes DirectX 11 - mittelfristig macht DX12 Windows 10 so aber zu einem Zwangs-Upgrade für PC-Spieler.

Zehn Spiele für DirectX 12 - Diese Spiele unterstützen die neue Schnittstelle. Video starten 06:23 Zehn Spiele für DirectX 12 - Diese Spiele unterstützen die neue Schnittstelle.

Nichtsdestotrotz finde ich den Schritt von Microsoft richtig, wenn auch ganz und gar nicht so selbstlos, wie es das kostenlose Upgrade auf den ersten Blick suggeriert. Ein sich stetig fortentwickelndes Windows (reibungsloserer Update-Prozess als in der Vergangenheit vorausgesetzt) passt viel besser zu den heutigen Anforderungen als die monolithischen und schwerfälligen Windows-Versionen der Vergangenheit. Das gilt sowohl für schnellere Sicherheits-Updates als auch für regelmäßige Funktionserweiterungen, falls sich eine neue Technik oder ein bisher unbekanntes Nutzungsverhalten etabliert, was heute rasant geschehen kann (und auch soll).

In vieler Hinsicht ist Windows 10 also ein echter Neuanfang, von dem unheimlich viel für die Zukunft von Microsoft abhängt, auch wenn die zu Grunde liegende Technik sich kaum von Windows 7 und 8 unterscheidet. Daher glaube ich, dass Microsoft die Versionsnummer 9 deshalb ausgelassen hat, weil Windows 10 eigentlich viel eher ein Windows 1.0 ist.

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Der Autor

Schon die erste DirectX-Version brachte Florian dazu, schließlich doch Windows 95 statt MS-DOS zu installieren. Auf Windows 10 rüstet er aber schon vor den ersten DirectX-12-Spielen auf, denn die Mischung aus Elementen von Windows 7 und 8 gefällt ihm ziemlich gut und langfristig wird Windows 10 für PC-Spieler wahrscheinlich sowieso zur Quasi-Pflicht - ob man das jetzt gut findet oder nicht.

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