Das Darknet - Mehr als nur illegaler Schwarzmarkt

An das Internet haben sich inzwischen sogar einige Politiker gewöhnt, nicht aber an das Darknet. Doch um was handelt es sich beim Darknet, diesem mysteriösen Teil des Netzes? Wir geben eine Übersicht, nicht zuletzt weil die im Münchner Amoklauf genutzte Waffe angeblich im Darknet erworben wurde.

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Deep Web und Darknet werden oft synonym genutzt. Diese Grafik zeigt spielerisch ironisch, was sich unter der Oberfläche der bekannten Web-Oberfläche so alles abspielt. (Bild: Brandpowder.com) Deep Web und Darknet werden oft synonym genutzt. Diese Grafik zeigt spielerisch ironisch, was sich unter der Oberfläche der bekannten Web-Oberfläche so alles abspielt. (Bild: Brandpowder.com)

Seit geraumer Zeit ist aus Kreisen ranghoher Polizisten und Politiker immer einmal wieder ein Satz zu hören: »Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein!«. Nun ist das Internet vieles, aber ganz sicher kein rechtsfreier Raum.

Gerade Urheberrechtsverletzungen werden deutlich eher geahndet, wenn sie im Internet stattfinden, schon aus Gründen der Sichtbarkeit für die Strafverfolgung. Aber dann gibt es ja noch dieses Darknet. Das klingt nach Cyberspace, Hacker-Romanen, Hollywood-Thrillern.

Tatsächlich ist dieser dunkle Teil des Internets nicht so einfach per Hyperlink erreichbar. Auch die Eingabe eines Passwortes (»Ken sent me!«) reicht nicht aus, um Teil des Darknet zu werden. Der Aufwand ist schon größer. Und: Es gibt tatsächlich Drogen- und Waffenhandel im Netz-Untergrund.

Was ist das Darknet?

Das Darknet ist quasi das Hinterzimmer des Internet, ein nicht ohne weiteres zugängliches Netz, das nur über Umwege aus dem bekannten Internet erreichbar ist. Die meisten Darknet-Inhalte lassen sich nicht per Standard-Suchmaschine finden, es gibt aber auch für den dunklen, verborgenen Teil des Netzes Seiten mit Adressübersichten.

Eine Internetadresse anklicken und im Darknet surfen, so einfach ist es allerdings nicht. Zum einen gibt es nicht nur das eine Darknet, unter diesem Begriff existieren unzählige, nicht miteinander verbundene Netzwerke. Jedes dieser Netzwerke ist anders erreichbar, der dafür nötige Aufwand ist unterschiedlich hoch.

Der wohl bekannteste Teil des Darknet ist beispielsweise nur über einen Tor-Browser erreichbar. Tor lässt sich auch regulär zum verschlüsselten Surfen nutzen. Das dabei eingesetzte »Onion Routing« leitet die Kommunikation über verschiedene Server bevor sie über einen sogenannten Exit-Knoten wieder in das normale Netz geschickt wird. Dabei kennt keiner der genutzten Server das eigentliche Ziel, Sender und Empfänger bleiben anonym.

Zumindest solange, wie das System nicht kompromittiert wurde, beispielsweise durch manipulierte Exit-Knoten. Entsprechend surfen Tor-Nutzer zwar sicherer, aber auch nicht zu 100 Prozent garantiert anonym. Zusätzlich zur sicheren Kommunikation können Tor-Browser aber auch Seiten ansteuern, die sonst nicht nutzbar wären, sogenannte Hidden Services.

Anonymität für Whistleblower und Menschenrechte

Das Darknet setzt nicht auf große Server, eigentlich handelt es sich um ein Proxy-System aus vielen Privatrechnern. So ruft man die Informationen nicht von einem zentralen Server ab, sondern über den Zusammenschluss von PCs, die untereinander verschlüsselt kommunizieren.

Im Darknet und beim Tor-Projekt geht es tatsächlich primär um Anonymisierung. Das ist nichts Verwerfliches. In den Zeiten von NSA- und anderen Überwachungsskandalen, Tracking-Netzwerken und weiterem digitalen Ungemach ist Anonymität ein nachvollziehbarer Wunsch. Und so zieht es politische Aktivisten, Oppositionelle in totalitären Staaten und natürlich Whistleblower ins Darknet, um dort unbeobachtet Wissen austauschen zu können - lieber etwas Aufwand für anonymes Surfen als von einem skrupellosen Regime zum finalen Untertauchen überredet zu werden.

Edward Snowden, Whistleblower und vermutlich bekanntester Darknet-Nutzer. Edward Snowden, Whistleblower und vermutlich bekanntester Darknet-Nutzer.

Natürlich nutzt auch Edward Snowden, der Initiator der NSA-Enthüllungen und Staatsfeind Nummer 1 diverser US-Behörden, die Anonymität des Darknet, um seine Enthüllungen sicher an die Presse weiterzugeben. Auf herkömmlichen Wegen wären seine ehemaligen Arbeitgeber wahrscheinlich sehr früh auf die geplanten Enthüllungen gekommen, schon das Anbahnen einen Gespräches mit Journalisten über unverschlüsselte Medien ist für Whistleblower eine ernsthafte Gefahr.

Ein sicheres (Linux-)System wie Tails, gebootet von USB, macht viele Rechner zum sicheren Kommunikationswerkzeug. Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs (CCC) hebt die Relevanz des Darknet für die freie Meinungsäußerung hervor:

"»Das Darknet ist das Internet, wie man es sich eigentlich wünschen würde. Ein Netz ohne Zensur und Überwachung, mit all seinen Vor- und Nachteilen.«"

Meinungsfreiheit durch anonyme Kommunikation, in einigen Staaten eine der letzten Möglichkeiten für Freiheit einzustehen, ohne sich und seine Familie zu gefährden. Doch Anonymität kann natürlich nicht nur für gute Dinge genutzt werden. Wer etwas zu verbergen hat, scheut sich ebenso, seinen Namen und seine Handlungen offen zu kommunizieren, nur eben aus anderen Beweggründen. Kriminelle schätzen daher das Darknet und generell die verschlüsselte Kommunikation via Tor ebenso wie Whistleblower.

Eine im Februar 2016 veröffentlichte Studie untersuchte 5.205 aktive Darknet-Seiten und stufte davon 57 Prozent inhaltlich als illegal ein. Das zeigt zwar das Potenzial für Kriminelle, im Darknet unerkannt Geschäfte abzuwickeln (abhängig davon, inwieweit man der Studie Glauben schenken mag). Es zeigt aber auch, dass es ebenfalls einen großen Teil legaler Nutzungsangebote im Darknet gibt.

Dass die weltweite Überwachung durch die NSA aufgedeckt wurde, ist Edward Snowden und auch dem Darknet zu verdanken. Dass das Thema heute (ohne große Änderungen an der Rund-um-Überwachung) kaum noch diskutiert wird, ist hingegen bedauerlich. (Bild: The Intercept) Dass die weltweite Überwachung durch die NSA aufgedeckt wurde, ist Edward Snowden und auch dem Darknet zu verdanken. Dass das Thema heute (ohne große Änderungen an der Rund-um-Überwachung) kaum noch diskutiert wird, ist hingegen bedauerlich. (Bild: The Intercept)

Ob es nun ratsam ist, eine prinzipiell neutrale Technologie aus Furcht vor der missbräuchlichen Nutzung einfach komplett zu verbieten oder so stark zu regulieren, dass sie kaum noch sinnvoll nutzbar ist, darüber streiten Wissenschaftler, Philosophen, Politiker und Sci-Fi-Autoren schon seit langem. Mit einem Küchenmesser lässt sich ebenso eine Kartoffel schneiden wie ein Mensch töten. Verboten sind diese Messer trotzdem nicht - das Töten von Menschen hingegen schon.

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