Postal – Der Film - Trashkönig Boll verfilmt Shooter-Anarchie

Geschmackloser als Postal war selten ein Computerspiel. Wenn Trashkönig Uwe Boll den Stoff verfilmt, wird aus wilder Shooter-Anarchie schnell öde Kino-Langeweile.

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Uwe Boll ist ein Kämpfer. Auf einer Tour durch zahllose Städte in Amerika und Deutschland zeigt und verteidigt er seinen neuen Film Postal, die Verfilmung des taktlos-derben Shooters des Entwicklers Running with Scissors. Wir waren in München dabei, um zu sehen, ob Boll sein Publikum diesmal überzeugen kann – seine letzten Filme Bloodrayne,Alone in the Dark und House of the Dead waren allesamt katastrophale Flops. In einer Rede vor der Vorführung erzählt er vom Computerspiele-Vorbild, das davon lebt, geschmacklos zu sein und Tabus zu brechen. So soll auch sein Film sein: Eine Komödie, die die Grenzen auslotet. Boll zieht Vergleiche zu Monty Python’s Sinn des Lebens, Team America und Borat, man weiß nicht ganz: Meint er das ernst? Oder ist das Ironie? Sein Film habe eine Botschaft, sagt Boll. Er hält ihn für den wichtigsten der letzten zehn Jahre.

Zack Ward spielt die Rolle des Postal-Dude. Zack Ward spielt die Rolle des Postal-Dude.

Zwischen dem offensiv vorgetragenen Anspruch und der Wirklichkeit liegen Welten. Uwe Bolls Spieleumsetzung ist Lichtjahre davon entfernt, ein Meilenstein der Filmgeschichte zu werden. Eigentlich sind die Ideen, die hinter Postal – Der Film stecken, ja gar nicht verkehrt. Ein durch und durch politisch inkorrekter Streifen, der sich über Bush, Dschihad-Krieger und jede Menge gesellschaftlicher Randgruppen lustig macht, hat durchaus seinen Platz im Kinoprogramm. Auch der Aufbau ist stimmig: Am Anfang flimmern lose miteinander verknüpfte Sketche über die Leinwand, die während des Films so langsam eine Verbindung bekommen und schließlich in einem turbulenten Finale enden.

Osama Bin Ladin hat nur George Bush im Kopf. Osama Bin Ladin hat nur George Bush im Kopf.

Warum springt der Funke trotzdem nicht über? Zum einen überfrachtet Boll seine Handlung. Während man am Anfang die wahre Geschichte hinter dem Anschlag aufs World Trade Center erfährt, geht es danach gleich weiter zum Loser-Leben des Postal-Dude in Paradise City. Seine fette Frau, Pech beim Vorstellungsgespräch und Probleme im Sozialamt machen aus ihm noch keinen Amokläufer (der englische Ausdruck »going postal« bedeuet »Amok laufen«). Er probiert sein Glück doch lieber bei seinem Bruder, einem sexsüchtigen Sektenchef. Gemeinsam hecken sie einen Plan aus, bei der Eröffnung des Nazi-Vergnügungsparks Litte Germany alberne Puppen in Penisform zu klauen, da die nach einer Schiffskatastrophe auf Ebay viel Geld bringen. Gleichzeitig sind Al-Qaida-Terroristen hinter den Puppen hinterher, da in ihnen Ampullen mit gefährlichen Viren für einen Anschlag stecken. Das ist nur ein grober Überblick: Während des Films tauchen über 40 Leute mit Sprechrollen auf. Entsprechend ausufernd ist die Geschichte.

Komödie ohne Witz

Uwe Boll ist ein unabhängiger Filmproduzent, was ihm die Freiheit gibt, zu tun, was er will. Wenn er nicht selbst für das Geld sorgen würde, könnte er auch keinen politisch inkorrekten Film drehen. Dumm nur, dass ihn so auch kein erfahrener Produzent dazu zwingt, handwerklich einwandfrei zu arbeiten. Das größte Problem in Uwe Bolls Postal ist deshalb das fehlende Timing der Pointen. Von der Einleitung eines Gags bis zu dessen Auflösung vergehen jedes Mal quälend lange Momente. So ist in einer Szene eine Wohlfahrts-Sachbearbeiterin am Straßenrand zu sehen, die den Postal-Dude vorher ziemlich geärgert hat.

Paradise City ist der ödeste Platz auf Erden. Paradise City ist der ödeste Platz auf Erden.

Der nächste Schnitt zeigt ihn in einem Lieferwagen, und man weiß: Er wird die gehasste Frau gleich auf absurde Weise überfahren. Bis das aber passiert, schneidet Boll noch einen belanglosen, länglichen Dialog in den Film. So ähnlich gehen viele ansatzweise lustige Momente in die Binsen. Ein erfahrener Cutter hätte da noch vieles retten können.

In einem Film zum Spiel Postal müssen natürlich Tabus gebrochen werden. Da greift Regisseur Boll in die Vollen: Comedian Dave Foley hängt sein bestes Stück vor die Kamera und furzt durch die Gegend. An einer anderen Stelle werden Kinder erschossen. Eine Frau mit Kinderwagen muss ebenfalls dran glauben. George Bush und Osama Bin Laden flüstern sich innig Worte aus Brokeback Mountain zu. Zuletzt darf natürlich nicht die Katze als Schalldämpfer fehlen. Das alles wäre zwar der beste Stoff für ein anarchistisches Vergnügen, versandet bei Boll aber immer wieder, weil die Ereignisse ohne Sinn und Zusammenhang mitten in der Handlung passieren. Die Folge: Man ist gar nicht genug bei der Sache, um etwas als anstößig zu empfinden.

Ralf Möller spielt mit Chris Spencer ein Polizistenduo. Ralf Möller spielt mit Chris Spencer ein Polizistenduo.

Zudem ist Boll sehr verliebt in seine Geschichte, die er übrigens selbst geschrieben hat. Deswegen verliert sich der Film oftmals in nutzlosen Dialogen, denen keiner folgen mag. Ein großes Ärgernis dabei: Boll gibt gerne mit seinen hochkarätigen Schauspielern an. Alle brauchen ihren großen Auftritt, der dann manchmal einfach keinen Sinn ergeben will. So darf sich Ralf Möller (Gladiator) als Hilfspolizist über einige karriereanschiebende Auftritte freuen, unter anderem in viel zu knapper Unterwäsche und beim Geschlechtsakt mit einer 300-Kilo-Frau.

So geht der Film in München zäh zu Ende, ohne dass im Publikum viel gelacht würde. Aber immerhin: Als sich der Regisseur beim Abspann noch einmal zeigt, gibt es einen braven Applaus. Es fragt sich bloß, wofür.

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