Werner
Werner dachte, als ein Glas herunterfiel und zerbrach, zuerst an »Steuerung+Z«, die Tastenkombination, um in vielen Anwendungen die letzte Aktion rückgängig zu machen. Allerdings bleibt der Transfer auf den Impuls oder auf den Wunsch beschränkt, weil ja das Handeln in der realen Welt nicht über Tastatur und Maus möglich ist. In manchen Situationen wünschen sich Spieler, dass sie so handeln könnten wie im Spiel, selbst wenn ihnen bewusst ist, dass dies nicht möglich ist. Oder sie stellen sich vor, dass das wirkliche Leben ein Spiel ist: Wenn Werner in der Dämmerung in der Stadt läuft, stellt er sich vor, er sei in einem Shooter, und hinter jeder Ecke könne ein Feind lauern. Er überlegt sich, wie er vorgehen würde: wo er sich hinstellen könnte, um größtmögliche Deckung zu haben und trotzdem noch gute Sicht genießen.
Vicky
Vicky stellt sich vor, dass sie morgens beim Joggen »als Paladin mit Plattenrüstung rumrennen würde, und es käme ein Monster aus dem Wald heraus«. Damit macht sie sich das Laufen spannender. Für sie ist dies nur ein Spaß, da sie weißt, dass es in der Realität keine Monster gibt. Sie kann also durchaus -- wie alle Spielerinnen und Spieler, die ich interviewte -- Spiel und reales Leben auf einer reflektierten Ebene auseinander halten. Dass Verwechselung zwischen Spiel und Realität (wie alle anderen Verwechslungen auch!) für Belustigung sorgt, ist eben ein Zeichen dafür, dass einem bewusst ist, dass man gerade einen Fehler gemacht hat. So wie wenn man sich verspricht (»Kamera mit Selbstauflöser«) oder Sprichwörter vermischt (»Nägel mit Füßen«).
Hagen
Allerdings berichten andere Personen von Verwechselungen auf einer komplexeren Ebene. Hagen zum Beispiel erinnert sich daran, dass er sich bei einer Gelegenheit, nachdem er viele Stunden gespielt hatte, dazu zwingen musste, auf den Verkehr Rücksicht zu nehmen, als er anschließend mit dem Fahrrad fuhr. »Für Verkehrsunfälle hat man einfach keine Reset-Taste, man kann nichts rückgängig machen und dann wieder neustarten, sondern es [zieht] Konsequenzen [nach] sich.« Nach dem Spielen musste er sich diese Gedanken, die sonst selbstverständlich da sind, aktiv ins Gedächtnis rufen. Als er einmal zwölf Stunden am Stück spielte, hatte er beim Schlafengehen immer noch das Gefühl, dass die Zeit in Runden ablaufe. Als er im Bett lag, dachte er, er müsse auf »Runde beenden« drücken.
Yasmin
Yasmin entsann sich ebenfalls eines Ereignisses: »Bei World of Warcraft läuft man einfach durch die Leute durch, da kann man niemanden anderen anrempeln. Einmal bin ich mit dem Fahrrad um die Ecke gefahren, und es kamen mir zwei Fußgänger entgegen. Erst im letzten Moment ist mir wieder eingefallen, dass ich nicht einfach durch die Leute durchfahren kann, sondern ihnen ausweichen muss.« Manchmal empfand sie sich im wirklichen Leben als langsam, da ihr Avatar und die anderen Charaktere im Spiel ständig rennen.
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