Die größten Spiele-Klischees - Teil 1 - Rote Fässer, Gedächtnisverlust & Co.

Nazi-Zombies aus der Hölle bedrohen die Menschheit, indem sie ihr Ratten auf den Hals hetzen! Jetzt muss der schöne Held den Superlaser aus dem endlosen Inventar ziehen, falls er nicht gerade Wolfsfelle sammelt - eine Reise in die Welt der Spiel-Klischees.

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Sie schießen ohne Zögern auf rote Fässer? Die Bekämpfung von Rattenplagen akzeptieren Sie als alltägliches Heldenwerk? Schalterrätsel erledigen Sie im Schlaf? Dann haben auch Sie sich mit den zahllosen Klischees in Spielen arrangiert. Wir zeigen die wichtigsten der durchgekauten Kamellen und erklären, wo sie herkommen und weshalb sie auch heute noch so gut funktionieren. Wir haben – schusselige Redakteurs-Stereotypen, die wir sind – ein entscheidendes Klischee vergessen? Dann beschreiben Sie es uns in den Kommentaren zu diesem Artikel und diskutieren Sie mit uns über Ihre schönsten (oder schrecklichsten) Klischeemomente.

Der schöne Avatar

Folgendes Experiment können Sie zu Hause gerne nachstellen: Wir versuchen, uns einen dicken Avatar zu erstellen, einen richtig dicken. Versuch 1: Ein beliebiges Online-Rollenspiel mit umfangreichem Charakter-Editor, sagen wir Der Herr der Ringe Online. Wir basteln uns also eine Jägerin und schieben den »Körperbau«-Regler nach rechts auf Anschlag. Es passiert … wenig. Die Hüften und Schultern werden etwas breiter, der Rest minimal stämmiger. Das war’s. Also gut, vielleicht will die Community einfach keine dicken Avatare auf ihren Servern sehen.

Dragon Age – Origins: Tausend Möglichkeiten, das Gesicht zu ändern, aber ein dicker Körperbau ist nicht vorgesehen. Dragon Age – Origins: Tausend Möglichkeiten, das Gesicht zu ändern, aber ein dicker Körperbau ist nicht vorgesehen.

Versuch 2: Probieren wir ein beliebiges Solo-Rollenspiel aus, da kann es anderen Spielern egal sein, wie unser Held aussieht. In Dragon Age: Origins haben wir tausende Möglichkeiten, unseren Kopf nach unseren Wünschen anzupassen. Jetzt müssen wir noch den Körperbau »abrunden«. Aber Fehlanzeige, unser Magier nimmt nicht zu. Auch Versuche mit Drakensang: Am Fluss der Zeit oder Fallout 3 bleiben erfolglos. Schließlich unser letzter Versuch: Die Sims 3, eine allumfassende Lebenssimulation, die alle Situationen und Phasen des Lebens darstellen will. Aber selbst hier erfüllen der (winzige) Ansatz eines handelsüblichen Bierbauches und etwas Speck um die Hüften unsere Erwartungen nicht. Das ist niedlich, aber nicht fett! Das Experiment ist gescheitert.

Egal ob Lara Croft oder Sam Fisher, alle handelsüblichen Spielehelden spiegeln das Schönheitsideal wieder, das in der modernen Mediengesellschaft vorherrscht. Frauen sind durchweg bestenfalls »schlank« (wenn nicht gar untergewichtig), in vielen Fällen dazu an Busen und Po gut bestückt und kleiden sich vorzugsweise sexy, selbst wenn es sich dabei unpraktischerweise um Eisenrüstungen für den Kampf handeln sollte. Männer hingegen haben eine tiefe Stimme, trainierte Muskelpakete, breite Schultern. Das Dick- und Andersartigsein überlässt man den Bösewichten und Nebenfiguren, Helden und Heldinnen sollen bitteschön mindestens Idealfigur- und Antlitz tragen. Warum sollte also ausgerechnet die Spiele-Industrie, die sich vorzugsweise an ein junges und sehr medienaffines Zielpublikum richtet, anders mit Körperbildern und Geschlechter-Stereotypen umgehen als beispielsweise Hollywood, das einer untergewichtigen Keira Knightley zu Füßen liegt und in dem sich in früheren Jahren eine Kate Winslet für Nacktszenen rechtfertigen musste, in denen sie etwas »molliger« erschien? Der Grund hierfür ist einfach: Filme und Spiele sollen ablenken vom Alltag, vom scheinbar langweiligen Normalen und Alltäglichen; die Wissenschaft spricht hier von der Eskapismus-Funktion der Medien. Spannend soll es sein in den Traumwelten, aufregend und vor allem eines: schön.

Dragon Age: Origins - Charaktereditor im Bild ansehen

Dabei gibt es ein ganzes Genre unter den Computer- und Videospielen, das sich um das »korrekte« Heldenbild wenig schert oder es oftmals sogar böse konterkariert: das Adventure. Kein anderes Genre hat allein schon aus Tradition ein so großes Herz für sympathische Tollpatsche (Monkey Island), unattraktive Schwerenöter (Larry), psychopathische Hasen (Sam & Max), pubertierende Teenager (Simon the Sorcerer), melancholische Clown-Kinder (The Whispered World), Irre (Edna bricht aus) sowie Nerds, Freaks, dicke Rocker und mutierte Tentakeln mit Ärmchen (Day of the Tentacle). Bei allem Mainstream und aller Konformität, dem die Spiele-Industrie folgt und in Teilen auch folgen muss, erinnern uns diese meist eher kleinen Programme daran, welche gewaltige Vielfalt von Persönlichkeiten es abseits des glattgebügelten Standards gibt.

Warum Fässer explodieren

In klassischen amerikanischen Cartoonfilmen wie zum Beispiel dem Road Runner von Warner Bros. stammen alle (gern explosiven) Fallen, Waffen oder Fortbewegungsmittel von einer Firma namens ACME. Einen solchen Universalzulieferer scheinen auch die meisten Computerspiele zu verwenden. Die ganze Welt von Half-Life 2 ist vollgestellt mit roten Fässern, die bei Beschuss sofort explodieren, die Container in Mass Effect 2 scheinen auf allen Planeten des Universums aus demselben Katalog bestellt worden zu sein. Einen solchen Universal-Konzern gibt es in allen Spielen aller Genres. Wie kommt das?

Half Life 2: Alle Benzinfässer und Gasflaschen kommen vom selben Zulieferer. Half Life 2: Alle Benzinfässer und Gasflaschen kommen vom selben Zulieferer.

Die Uniformität der Gegenstände ist spielmechanisch durchaus sinnvoll, denn der Spieler muss diese in der Hektik der Situation intuitiv erkennen und einsetzen können. Müsste der Spieler in Half-Life 2 zum Beispiel ein blaues Fass erst als potentielle Bombe identifizieren und mit einem Probeschuss testen, wäre das für den Spielfluss (und das virtuelle Leben der Spielfigur) womöglich tödlich. Der Spieler muss sich im Kampfgeschehen darauf verlassen können, dass er ein rotes Benzinfass immer als Waffe einsetzen kann. Dazu dürfen Spiele - genau übrigens wie Hollywood-Actionfilme - die Wirklichkeit beugen, denn in der Realität gehen Benzinfässer bei Beschuss nicht hoch, sondern laufen einfach aus. Der Unterschied: Im Spiel dient die Öltonne nicht (nur) als Dekoration, sondern als Element der Spielmechanik, meist als Flächenwaffe. Also solches hat sie klar definierte Eigenschaften, die nur im Spiel Gültigkeit besitzen. Eben: Krawumm!

Dass durch individualisierte Kisten und Fässer der Spielfluss angetastet würde, mag ja einleuchten, aber müssen wirklich überall die gleichen Türen oder Fallen stehen? Oder können Aliens, konkurrierende Nationen, feindliche Konzerne nicht mal andere Rechner und Betriebssysteme verwenden? Die Antwort liegt banal im Entwicklungsaufwand begründet: Jedes 3D-Objekt muss individuell erstellt werden. Daher ist es schlicht eine Frage des Aufwandes, zum Beispiel »lediglich« eine Handvoll Arten von Türen zu erstellen und deren Modelle immer wieder zu benutzen, als jede Tür einzeln zu modellieren.

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