Eigentlich müsste Publisher Paradox echt übel auf die Nase fallen. Denn was die Schweden da seit mittlerweile 20 Jahren verzapfen, zeigt den modernen Branchen- und Community-Trends konsequent den Mittelfinger: Hardcore-Strategie, für die man ein Begleitbuch studiert haben muss? Spiele mit satten 52 (!) DLCs? Teure, überambitionierte Projekte wie A Game of Dwarves oder Impire, die nicht ohne Grund im Nirwana der Spiele-Totgeburten verschwunden sind?
Da mag der Kritiker zurecht denken: Wer trifft solche Entscheidungen, wenn er Fans zufriedenstellen und dabei Geld verdienen will? Schließlich leben andere Publisher wie EA oder Ubisoft bei ihren Produktionen doch beharrlich das Gegenteil vor: bequeme Zugänglichkeit, maximale Reichweite, geringes Investitionsrisiko und eine bombensichere Spielerführung.
Wie kann also bei Paradox das genaue Gegenteil funktionieren? »Wir sehen einen Trend und wenn uns der nicht passt, wenn der also nicht dem Paradox-Weg entspricht, machen wir auf der Stelle kehrt und laufen in die entgegengesetzte Richtung.«, erklärt uns ein Mitarbeiter bei der diesjährigen Paradox-Convention, einer internen Veranstaltung, bei der die neuen Spiele der Schweden präsentiert werden.
Der Paradox-Weg steht vor allem für eins: komplexe Spielmechaniken. »Wir machen Spiele für intelligente Spieler«, propagiert Shams Jorjani, der intern für die Finanzierung vielversprechender Indie-Projekte zuständig ist, »und wir wollen, dass sich unsere Spieler intelligent fühlen. Das ist der wichtigste Aspekt unseres Images.«
Mit diesem Image - und das der Schlüssel zum finanziellen Erfolg - spricht Paradox vor allem eine absolut eingeschworene Fan-Gemeinde an. Ein gutes Beispiel ist Crusader Kings 2: Dass ein Spieler jüngst 10.500 Stunden in dem Mittelalter-Strategiespiel versenkt hat, mag ein extremer Fall sein, er steht aber sinnbildlich für die Passion, mit der die Paradox-Community an die Spiele herangeht. Der Publisher kann sich die Zeit nehmen, ein Crusader Kings zur Neukundengewinnung regelmäßig in den Steam-Sales zu platzieren, weil es stet's eine Kern-Fan-Truppe gibt, die in alle 52 DLCs investiert.
Mit dieser starken Community im Rücken hat es Crusader Kings 2 seit Veröffentlichung 2011 auf über eine Millionen verkaufte Exemplare gebracht. Kein Wunder also, dass in einem internen Schlachtplan bis ins Jahr 2017 noch stärker mit den Fans zusammenarbeiten will und deshalb vor allem eins auf eines setzt: Transparenz. Die Community soll aktiv in den Produktionsprozess einbezogen werden, sowohl Licht- als auch Schattenseiten will man offenlegen und Spiele nur dann ankündigen, wenn sie auch mit Sicherheit fertig werden. So ist die Anzahl neuer Titel für 2015 vergleichsweise überschaubar. Aber eins haben alle Ankündigungen zweifelsohne gemeinsam: komplexe Spielmechaniken.
Cities Skylines
Hinweis: Eine ausführliche Vorschau zu Cities: Skylines finden Sie in wenigen Tagen auf Gamestar.de
Erst greift SimCity kolossal daneben, dann wird auch noch Hoffnungsträger Cities XXL von den Kritikern weltweit zerrissen: Das Genre der Städtebausimulationen hat es derzeit nicht gerade leicht. Das kann man betrauern, man kann's aber auch als Chance werten für einen Underdog, der es heute so leicht wie nie hat, das Feld von hinten aufzuräumen und diese Nische für sich zu erobern.
Und das könnte Cities Skylines gelingen. Als dritter Teil der Cities in Motion-Reihe will es alles richtig machen, was die Konkurrenten nicht hinbekommen: eine tatsächliche Simulation von Verkehrs- und Tagesabläufen. Dazu ein komplexer, aber nachvollziehbarer Städtebau sowie ein Fokus auf Politik und Stadtviertelverwaltung, der über die reine Bauerei hinausgeht.
Und in unserer ersten Anspiel-Session auf der Paradox Convention funktioniert dieses Paket und macht Spaß. Dass wir alle Dimensionen und Aspekte der Stadtsimulation erst im Lauf des Spiels freischalten ist ein interessanter Kniff, der den Spieleinstieg massiv vereinfacht: Wo wir zu Beginn nur die Wasser- und Stromversorgung für unsere ersten Wohn- und Gewerbesiedlungen im Blick halten müssen, kommen mit späteren Zivilisationsstufen Bedürfnisse wie Sicherheit, Umwelt, Bildung und öffentlicher Verkehr hinzu.
Das gibt dem Spieler die Zeit, jedes Element ausführlich kennenzulernen. Und eins steht jetzt schon fest: Wir können unsere Einwohner über Tage verfolgen, ohne dass sich ihre Jobs, Wohnsituationen oder Geschlechter auf magische Weise ändern. Ja, Simcity, wir schauen in deine Richtung. Allerdings sind wir noch skeptisch, ob die Spielerfahrung am Ende auch fordernd genug ausfällt - zumindest in unserer ersten Partie fiel uns der Weg zum erfolgreichen Bürgermeister noch etwas zu leicht aus.
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