Leise lebt's sich länger

Im Weltall hört dich keiner Schreien. Meine Nachbarn dürften mich das ein oder andere Mal dafür sehr wohl gehört haben. Denn Alien:...

von rickyfitts am: 26.12.2014

Im Weltall hört dich keiner Schreien. Meine Nachbarn dürften mich das ein oder andere Mal dafür sehr wohl gehört haben. Denn Alien: Isolation geht bis zur letzten Minute voll unter die Haut.

Puh, endlich geschafft. Während ich das hier schreibe geht mein Puls hoffentlich wieder in den zweistelligen Bereich runter und die feuchten Hände rutschen auch langsam nicht mehr von den Tasten ab. Einfach nur spannend!

Da haben sich so schon so viele Studios mit Erfahrung im first person Shooter oder Action-Adventure Bereich an der Lizenz versucht und am Ende ist es eine Zweigstelle der Total War Strategieexperten, die endlich den Nagel auf den Kopf treffen. So muss sich ein Spiel zu Alien spielen und vor allem anfühlen.

Die gewaltige Sevastopol Station ist für mich der beste Schauplatz eines Spiels in diesem Jahr. Und das bei verdammt starker Konkurrenz. Aber hier stimmte einfach alles. Der 80ser Sci-fi Look mit seinen monochromen Monitoren, den dicken Tastenschalttafeln, den blinkenden Kontrolllämpchen, dicken Kabeln, surrenden Generatoren und klobigen Telefonhörern ist absolut genial getroffen. Überall zischt und wirbelt Dampf durch die Scheinwerferstrahler. Überhaupt die Beleuchtung: technisch ein gutes Stück von der Speerspitze entfernt, weil meistenteils nicht dynamisch, aber dafür einfach so perfekt platziert. Wenn zwischendurch mal wieder ein langes Stück Korridor überwunden werden muss und rotierende und blinkende, rote und blaue Alarmlichter gespenstische Schatten werfen, von denen irgendeiner das hörbar schnaubende Alien sein könnte ist das schon nur vom Ansehen gespenstisch.

Aber dann kommt ja noch die Soundkulisse und die ist der pure, ungefilterte Terror. Manchmal aber auch die Rettung. Durch eine der präzisesten Surround-Sound-Positionierungen, die ich je in einem Spiel erlebt habe, konnte ich die Gefahr auch schon per Gehör orten ohne auf den bleependen Motion Tracker zu schauen. Lüftungsschachtgerumpel von hinten links wird lauter? Zeit mal wieder unter einen Tisch zu schlüpfen. Der sparsam aber effektiv eingesetzte und nahtlos passend erweiterte Originalsoundtrack ist da noch das Sahnehäubchen.

Auch die Story ist schön erzählt, hätte aber noch ein Stück persönlicher ausfallen können. Hier lässt man Amanda Ripley als relativ undefinierte Figur, die der Spieler selbst ausfüllen soll. Da wäre etwas mehr drin gewesen, was aber nie störend auffällt. Ohne zu spoilern kann man verraten, dass das Alien getreu der Filmtrilogie nicht das einzige Wesen ist, das einem Ärger macht.

Lobend hervorheben muss ich auch den Umfang. Satte 15 Stunden Spielzeit kriegt man heute nicht mehr in vielen Singleplayer-Spielen und schon gar nicht auf einem so konstant hohen Spannungslevel. Natürlich hat man gegen Ende langsam raus wie sich das Alien so bewegt und wie viel man sich gerade noch so trauen kann, doch das passt ja auch ins Szenario und zur gespielten Figur. Wirklich berechenbar wird das aggressiv durch die nähere Umgebung pirschende Vieh aber nie und wer zu forsch wird, blickt oft wenige Sekunden später in das hervorschnellende Schnappmaul. Der Anblick einer Emergency-Konsole (Speicherpunkt) bewirkt ein Gefühl von unbeschreiblicher Erleichterung. Dabei sind die auch ausgesprochen fair verteilt. Klar wird man in diesem Spiel zig Tode sterben. Frustrierend fand ich es aber nie.

Anders als in einigen anderen Horror-Survival-Spielen ist man in Alien: Isolation auch nicht völlig wehrlos. Wer sich bei Outlast geärgert hat, warum die eigene Spielfigur nicht mal die blöde Kamera gegen eine verdammte Rohrzange austauschen konnte, um sich Feinde wenigstens etwas vom Leib zu halten, darf hier fast von Beginn an eine solche bei sich tragen. Manchmal nützlich, wenn man ungesehen nahe an feindselige Humanoide rankommt, aber natürlich komplett wirkungslos gegen das Alien. Ein paar Schuss Munition findet man auch und neben eher ablenkend wirkenden Gadgets wie Rauchbomben oder Geräuscherzeugern kann sich Ingenieurin Amanda später sogar offensivere Items wie Molotov-Cocktails basteln. Trotzdem bleibt man immer unterlegen und kann die tödliche Kreatur bestenfalls für einen kurzen Moment verjagend, in dem man schleunigst den Ort der Konfrontation verlassen sollte. Genauso sollte man nur im Notfall den Einsatz von Schusswaffen erwägen. Da kann man ebensogut "Komm und hol mich!" in einen Lüftungsschacht brüllen, aus dem schon Sekunden nach dem Knall unheilvoll nahendes Rumpeln ertönt. Nein, zum Actionspiel oder gar Shooter verkommt Alien: Isolation nie. Es lässt dir aber immerhin die Wahl dich auch mal offensiv aus einer zu brenzligen Situation zu befreien. Das tut der Dynamik gut und der Spannung keinerlei Abbruch. Wer Jäger und wer Gejagte ist, steht zu keinem Zeitpunkt in Frage.

Fazit: Großer Umfang, das beste Art Design des Jahres, gut austarierte Schwierigkeitsgrade, wahnsinnig dichte Atmosphäre, spannend bis zum Herzkasper und vom Feeling her einfach das Spiel, das die tolle Alien Reihe verdient hat. Da bleiben nur Winzigkeiten wie das recht häufige backtracking durch schon besuchte Stationsbereiche, die ein hoffentlich kommender Nachfolger noch ausbügeln könnte.


Wertung
Pro und Kontra
  • Nervenzerfetzende Soundkulisse
  • Überragendes Art Design
  • Stimmungsvolle Beleuchtung
  • 15 Stunden lange Kampagne
  • Herausfordernde höhere Schwierigkeitsgrade streichen Hilfen wie Questmarker und Richtungspfeile
  • Spannendes Versteckspiel mit dem Alien
  • Story fügt sich nahtlos ins Filmuniversum
  • Amanda immer unterlegen aber nicht völlig wehrlos
  • Etwas wächserne Charaktermodelle
  • Menschliche NPCs mit leichten KI-Aussetzern
  • Viele Stationsteile werden mehrfach durchquert

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(1)
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