Gletschereis konserviert so ziemlich alles: Mammuts, Südtiroler Steinzeitler und sogar die Klimageschichte der Erde. Auf das finnische Independent-Adventure Alpha Polarisvon Turmoil Games übertragen, lässt sich diese Liste fortsetzen: Auch die Grafik und Präsentation der 90er-Jahre konserviert das – in diesem Fall grönländische – Gletschereis. Denn vor noch halbwegs ansehnlichen 2D-Hintergründen (ausschließlich in der Auflösung 1280x800) agieren im klassischen »Point&Click«-Adventure-Stil detailarme sowie steif und spärlich animierte 3D-Figuren.
Damit wir bei den Dialogen nicht auf die Matschtexturen der Modelle starren, klatscht das Spiel in Gesprächen unanimierte Handzeichnungen der Charaktere auf den Bildschirm. Die dazu aus den Lautsprechern quellenden Stimmen wandeln zwischen »lustloser Profisprecher« und »schnell mal selber aufgenommen« hin und her. Und die zahlreichen, aber zum Glück kurzen Render-Zwischenfilmchen waren in dieser Qualität Mitte der Neunziger Jahre Standard.
Natürlich lassen sich die Beschränkungen in der Technik mit dem Indie-Status erklären. Denn wenn wir sehen, dass gerade mal eine Handvoll von Mitarbeitern an dem Titel beteiligt war, erklärt das den fehlenden technischen Aufwand. Trotzdem wirkt der Mix aus handgezeichneten Charakteren, 3D-Figuren, Renderfilmchen und 2D-Hintergründen in der Summe sehr unausgegoren und wenig homogen. Ein konsequent durchgezogener Stil hätte der – ansonsten dichten – Atmosphäre zusätzlich gut getan.
Die Story: Human Barbecue oder ein Fall für Freud?
Die spannende Geschichte, die Alpha Polaris zu erzählen weiß, lenkt dafür gut von den technischen Unzulänglichkeiten ab, da sie einem klassischen und bewährten Muster von Grusel- und Horrorgeschichten folgt: Ein isoliertes (Forscher-)Team bekommt es mit einer unheimlichen Macht zu tun. Wer hier an Filme wie The Thing (1982), Alien (1977) oder Solaris (1972) denkt, liegt ebenso richtig wie bei den zahllosen B-Folgefilmchen á la Sphere (1997), Event Horizon (1997) oder Leviathan (1989).
Alpha Polaris - Screenshots ansehen
Im Falle von Alpha Polaris sucht ein vierköpfiges Team, allen voran unser Held Rune, in den eisigen Weiten Grönlands nach verwertbaren Ölquellen. Der Fund einer solchen geht mit der Entdeckung von rätselhaften Knochen- und Schriftstückchen einher, die von einem kannibalischen Dämon aus den Inuit-Sagen künden. Schon bald häufen sich – wie könnte es anders sein – die mysteriösen Vorfälle auf der Station, jedes Teammitglied wird von Erscheinungen und Albträumen heimgesucht. Haben wir tatsächlich eine dämonische Kraft freigesetzt, oder sind alle lediglich Opfer der unbarmherzigen Isolation und einer Massenpsychose?
Nach den klassischen Regeln des Genres entfaltet Alpha Polaris von Tag zu Tag und Nacht zu Nacht die Eskalation der Situation bis hin zu Mord und Totschlag. Das ist spannend erzählt sowie sorgfältig vorbereitet, aber leider mündet alles in einem undramatischen Finale in Form einer der unsäglichen Filmsequenzen. Die bekommen Sie schon nach vier bis sechs Spielstunden zu Gesicht. Kälte schrumpft bekanntlich, anscheinend auch die Spielzeit.
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