Spiel mir das Lied vom Tod

Was könnte dabei rauskommen wenn man einen sympathisch rauhbeinigen, aber psychisch angeknacksten Max Payne und einen gleichermaßen smarten, wie auch...

von Horst_Sergio am: 08.06.2009

Was könnte dabei rauskommen wenn man einen sympathisch rauhbeinigen, aber psychisch angeknacksten Max Payne und einen gleichermaßen smarten, wie auch schleicherprobten Sam Fisher aufeinandertreffen läßt, den beiden jeweils eine Flasche Feuerwasser einflößt und die Szenerie aus düsteren Lagerhallen der Neuzeit in den Wilden Westen verlegt? Richtig, grober Unfug. Daher belassen wir es hier lieber bei Call Of Juarez, obwohl einerseits das Schleichen, andererseits das wild um sich Ballern in diesem Western Shooter groß geschrieben werden, aber stets klar voneinander abgegrenzt sind.

Die rechte & die linke Hand des Teufels

Denn wir schlüpfen in diesem Spiel konsequenterweise in zwei verschiedene Häute und spielen zum einen Billy the Candle und zum anderen den sicken Ray. Billy ist der Sohn einer Mexikanerin und Zeit seines Lebens nur Prügel gewohnt. Ray ist hingegen ein Pfarrer mit dunkler Vergangenheit und der Bruder von Billy's Stiefvater. Eines Tages zog Billy in die Welt hinaus, um den sagenumwobenen Schatz von Juarez zu finden, doch leider vergeblich. Das Spiel und somit auch der Schlamassel setzt bei seiner Rückkehr in das verschlafene Heimatstädtchen ein. Denn, Billy findet seine Eltern tot auf ihrer Ranch vor und ist nun auf der Flucht vor Ray, der ihn als Mörder seines Bruders beschuldigt und einen unbarmherzigen Rachefeldzug im Namen Gottes startet.

Das wirkt sich auch auf die Grundlagen der Spielmechanik aus. Während Billy eher um Gegner herumschleicht und selten mit mehr als einer Peitsche oder Pfeil und Bogen bewaffnet ist, greifen wir als Ray konsequent zu den Schießprügeln und ballern uns den Weg durch die Gegnermassen frei. So wechselt man Episode für Episode die Charaktere. Oder mit anderen Worten: Den Weg den wir soeben als Billy durchs Dickicht gehuscht sind, durchstapfen wir danach mit Ray erneut. Allerdings waren die Entwickler so clever, die Wege anders auszulegen. Während sich Billy mit Turnübungen an einer Felswand unbemerkt an einer Diebesbande vorbeistiehlt, wütet Ray durch die Mine im Berg und vollstreckt den Zorn Gottes an den Dieben.

Die zwei Cowboys

Zu den beiden 'Helden' gehören auch unterschiedliche Fähigkeiten und Waffen. Billy ist wie gesagt einer, der Ärger aus dem Weg geht. In Gebüschen ist er für potenzielle Gegner nahezu unsichtbar, mit Hilfe der Peitsche schwingt er sich grazil über Abgründe hinweg oder klettert akrobatenhaft an Felsvorsprüngen empor. Mit dem Bogen kann er Gegner in weiter Ferne leicht und geräuschlos erledigen. Allerdings sind seine Schießkünste mit den Pistolen dafür eher mangelhaft. Hin und wieder kann er sich zwar einen Revolver ergaunern, aber flinke Zielübungen gehören nicht zu seiner Spezialität.

Ray dagegen ist ein waschechter Haudegen. In coolen und spielentscheidenden Bullet-Time Sequenzen zieht er seine zwei Pistolen und kann dabei prinzipiell soviele Gegner zersieben, wie er Patronen in den Bleispritzen hat. Auch gibt es einen Schnellschuß-Feuermodus, in dem Ray die Gegner tanzen läßt. Als einzigartige Sekundärwaffe führt Ray eine Bibel bei sich, aus der er in den Gefechten wahnwitzig zitiert. Das verwirrt manche Gegner und Ray hat leichtes Spiel. Natürlich kann er auch mit den fallengelassenen Gewehren erledigter Gegner umgehen. Allerdings ist Ray bodenständiger und hat es dementsprechend nicht so mit Turnübungen.

Rauchende Colts

Dem Anspruch der unterschiedlichen Spielmechaniken nachkommend, fällt auch das Leveldesign aus. Während Billy in weitläufigen Arealen die Möglichkeit zum experimentieren hat, führt Ray's Weg linear durch die Mitte. Dadurch ergeben sich auch unterschiedliche Spielweisen, die man sich aber schnell verinnerlicht hat. Während sich Billy also unbemerkt auf eine kleine Farm schleicht, dem Besitzer das Pferd klaut und später durch Apachen Territorium kriecht, fällt die Spannung ebenso wenig ab, wie wenn Ray später ebenso in dieser Region mit den angreifenden Indianern kurzen Prozess macht.

Dazu kommen auch immer wieder nette Ideen, den Spielverlauf aus beiderlei Sichtweise interessant zu halten. Verfolgungsjagden zu Pferde, ein kurzer Loren-Abschnitt in der Mine, die Aufgabe mit Billy Karnickel für einen Indianer zu erlegen, schick inszenierte Duelle oder Handfights. Langweilig wird Call Of Juarez nun also nicht, obwohl manche Kletterpassagen auch durchaus etwas kürzer hätten ausfallen können und manche Timing abhängigen Duelle zur Glückssaache verkommen.

The Good, The Bad, And The Ugly

Daß die Entwickler von Techland tolle und weitläufige Außenlevel erschaffen und diese mit spannenden Missionen und netten Ingame Videos anfüllen können, haben sie seinerzeit mit Chrome bewiesen. Call Of Juarez führt diesen Weg konsequent gutklassig fort. Zwar erscheint die Grafik von CoJ nach etwa 2 1/2 Jahren der Veröffentlichung an manchen Stellen ein bißchen angestaubt, doch staubig soll es im ausgedörrten Land des Wilden Westens wohl zugehen. Vor allem die weitläufigen Waldareale lassen sich auch heute noch durchaus bewundern, wenn sie auch nicht unbedingt bereist werden müssen. Von Baukasten Design findet man auch in den linearen Abschnitten nicht die Spur. Lediglich die Innenräume der Farmen und Stadthäuser wirken mitunter trist und steril und einige Texturen fallen etwas detailarm aus, doch hat man so etwas schon weit schlimmer gesehen. Dafür entschädigen allein die herrlich an Verschlagenheit überzeichneten Gangstervisagen der Protagonisten und Effekte wie Hitzeflimmern und Tiefenunschärfe, sowie die tolle Beleuchtung. Call Of Juarez wirkt graphisch also nach über zwei Jahren sicherlich nicht mehr ganz taufrisch, aber trotzdem alles andere als altbacken.

Die Musik stützt sehr schön das allgemeine Westernflair. Vor allem die Suspense Themes haben es mir angetan, ansonsten stehen sowohl Billy als auch Ray vermehrt auf brachialere Klassik Arrangements und Akkustik Gitarren Shreds. An einen Morricone Soundtrack kommt die Musik vielleicht nicht unbedingt ran, aber das wäre auch etwas zuviel des Guten. Selbst die deutschen Sprecher und die enorme Vielfalt der Sprüche der Gegner wissen zu begeistern, aber ein Quentchen abgedrehter klingt es in englisch dann doch. Der Umgangston ist dementsprechend rauh, es wird geflucht wie in kaum einem anderen Spiel, aber in den Wilden Westen gehören nunmal harte Hunde und somit auch harte Worte.

High Noon

Sicher mag man jetzt denken, daß es doch sinnlos ist, den Verfolger zu spielen, wenn dieser den Gejagten nicht zu fassen kriegt und das waren, neben den seinerzeit extrem hohen Hardwareanforderungen, auch meine Bedenken, weshalb ich mich nie so wirklich an das Spiel herangewagt habe. Doch muß ich sagen, die Entwickler haben sich wahrlich große Mühe gegeben, die Geschichte immer wieder mit tollen Wendungen zu versehen, die diese mit gepfefferter Spannung vorantreiben, und die nach und nach schlüssig erscheint. Zudem sind die unterschiedlichen Spielmechaniken vernünftig ausgearbeitet, so daß es einfach Spaß macht, diesen Genre-Bastard aus beiderlei Perspektiven zu spielen.

Call Of Juarez ist somit kein Fressen für die Geier, sondern ein überzeugender Western Shooter, mit viel spielerischer Abwechslung und toller Geschichte, dessen Spielspaß durch die teils friemeligen Kletterpassagen und der teilweise auftretenden Planlosigkeit in brenzlichen Situationen kaum getrübt wird.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: stimmig in Szene gesetzte Westernwelt
  • Sound: sehr gute Sprecher, nette Effekte, passende Musik
  • Balance: Schleichen und stumpf Ballern souverän umgesetzt
  • Atmosphäre: große Helden, erstklassige Schurken, Western-Flair
  • Bedienung: im wesentlichen gut umgesetzter Standard
  • Umfang: 15 Episoden mit viel spielerischer Abwechslung
  • Leveldesign: gute Mischung aus weitläufig und linear
  • KI: sucht Deckung, ist recht aggressiv, Trefferzonen
  • Waffen: div.Schießeisen und Features, Waffenverschleiß
  • Handlung: hektisch erzählte Gewaltballade mit Tiefgang
  • Grafik: an dem der Zahn der Zeit etwas genagt hat
  • Sound: letztere wiederholt sich teilweise zu oft
  • Balance: Klettereien und Verfolgungsjagden mitunter zu lang
  • Atmosphäre: -
  • Bedienung: teils umständlich, aber schnell lernbar
  • Umfang: Ende wirkt etwas gestreckt
  • Leveldesign: -
  • KI: bleibt in manchmal an Objekten hängen
  • Waffen: genereller Munitionsüberschuss
  • Handlung: -

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



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