Dead Space 2 - Die fragwürdige PR von Electronic Arts

In einer neuen Werbekampagne zeigt Electronic Arts Mütter beim angewiderten Zusehen bei Dead Space 2. Daniel Raumer kommentiert die PR-Strategie in einer Kolumne.

Mit der Kampagne "Deine Mama hasst Dead Space 2" will EA den kalkulierten Skandal. Mit der Kampagne "Deine Mama hasst Dead Space 2" will EA den kalkulierten Skandal.

Der Publisher Electronic Arts bewirbt sein Action-Horror-Spiel Dead Space 2 unter dem Motto »Your Mom Hates Dead Space 2« (zu deutsch: »Deine Mutter hasst Dead Space 2«). Primärer Inhalt der Kampagne sind kurze Videos, bei denen Frauen - ob es tatsächlich Mütter sind, wird nicht klar - sich unter dem Deckmantel der Marktforschung aus dem Zusammenhang gerissene, besonders brutale Szenen aus Dead Space 2anschauen. Dabei werden sie gefilmt und anschließend zu ihrer Meinung befragt. Wenig überraschend die Reaktionen der Damen: ekelerregend sei das Gesehene, abscheulich, albtraumhaft. Jetzt könnte man meinen, Dead Space 2 wäre beim Publikumstest durchgefallen, und EA würde diese Filmaufnahmen möglichst geheim halten.

Stattdessen geht der Hersteller damit hausieren, denn natürlich sind die Reaktionen so gewollt, die ganze Kampagne von Anfang an rund um die Videos ausgelegt. Bewusst bewirbt EA Dead Space 2 als äußerst brutalstes Spiel, die Reaktionen der Frauen als vermeintlichen Beweis. Bei meiner Mutter hätten die gezeigten Bilder übrigens Ähnliches ausgelöst. Genauso hätten das aber auch Schlachtszenen aus Assassin’s Creed: Brotherhoododer dem Kriegsfilm Der Soldat James Ryan.

Entsetzte "Mütter" sollen Dead Space 2 eine Aura des Verbotenen verleihen. Entsetzte "Mütter" sollen Dead Space 2 eine Aura des Verbotenen verleihen.

Hätte ein dem Medium Videospiel kritisch gesinntes Gremium einen solchen Versuch durchgeführt, dann wäre der Aufschrei unter Spielern zu Recht groß gewesen. Die Szenen seien aus dem Zusammenhang gerissen und repräsentierten keinesfalls das gesamte Spiel. Die Gewalt würde nicht zum Selbstzweck stattfinden, sie sei doch in die Geschichte eingebettet!

Warum macht EA also genau das, was wir Videospielkritikern immer vorwerfen? Das Prinzip dahinter ist leider so einfach wie erfolgreich: der kalkulierte Skandal. Wenn die Markteting-Abteilungen der Hersteller ihre PR-Werkzeugkisten öffnen, dann greifen sie mit Vorliebe zu diesem Mittel: Auf Zivilisten schießen in Modern Warfare 2, christliche Demonstranten gegen Dante’s Infernooder Taliban als Gegner in Medal of Honor. Alle genannten Fälle zogen Kreise über die Spielepresse hinaus, genau das war das Ziel der Macher. Im PR-Jargon heißt das »Relevanz schaffen«, also »Aufmerksamkeit für eine Sache erzeugen, die außer dem Auftraggeber niemand für relevant hält«, wie es das Wirtschaftsmagazin brand eins (02/2009) formuliert.

Leider erweisen diese Fälle dem Medium Computerspiele einen Bärendienst, denn sie sind für Nicht-Spieler die einzigen Berührungspunkte mit dieser Unterhaltungsform. Für den Uninformierten muss das Bild entstehen, in Spielen gehe es ausschließlich darum, Gewalt zu zelebrieren. Ich frage mich: Wo bleiben die Videoaufnahmen von Müttern, die über die tollpatschigen Portal-2-Roboter oder den Humor von Guybrush Threepwood lachen? Wo sind die Bilder von erleichterten Gesichtern, wenn der Mörder in Heavy Rain endlich gefasst wird oder Shepard in Mass Effect lebend aus den Trümmern der Citadel krabbelt?

Es wird wohl leider auch bei Dead Space 2 nur eine Frage der Zeit sein, bis andere Medien diese Bilder aufgreifen und damit neues Material für eine Anti-Videospiel-Agenda zur Hand haben. EAs Kampagne ist in doppelter Hinsicht verwerflich. Erstens dreht sie die Gewaltspirale in Spielen weiter und wirbt damit auch noch offen. Zweitens richtet sie sich eindeutig an Kinder und Jugendliche, da die Macher eine Aura des Verruchten und Verbotenen um Dead Space 2 legen. Welcher Minderjährige provoziert nicht gerne mit einem Spiel, vor dem die eigene Mutter Angst hat? Ohne die Qualität von Dead Space 2 in Frage zu stellen, aber in die Hände von Kindern gehört dieses Spiel keinesfalls.

In Deutschland übrigens wäre diese Aktion überhaupt nicht nötig gewesen, denn hier hat sich das Bayrische Sozialministerium (sicherlich unfreiwillig) vor der PR-Karren gespannt. Das Hickhack um die USK-Freigabe generierte mehr Aufmerksamkeit als jede Werbekampagne. Und das mehr oder weniger kostenlos.

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