Klinisch unter Palmen

Urlaub, das könnte so schön sein. Einfach mal eins, zwei Wochen auf Safari in Afrika, sich unterm Sonnenschirm lümmeln und ein schönes Weizen trinken. Wenn...

von Horst_Sergio am: 16.03.2009

Urlaub, das könnte so schön sein. Einfach mal eins, zwei Wochen auf Safari in Afrika, sich unterm Sonnenschirm lümmeln und ein schönes Weizen trinken. Wenn unser Reiseziel in einen fiktiven Bananenstaat führt, in dem auch noch Bürgerkrieg herrscht, könnte es die gemütliche Ausgangssituation nachhaltig verändern. Wie gesagt, könnte...

Desktop

...denn nach Installation und Startversuch grinsen mich die Herren Waldorf und Stadler aus der Muppet Show an. Warum? Weil ich das Bild mit den beiden zynischen Opas als Hintergrund für meinen Desktop gewählt habe. Von Far Cry 2 keine Spur, das Spiel startet nicht. Erst nach mühseeliger Kleinarbeit, dem Wälzen diverser Foren, einiger Treiberaktualisierungen und -neuinstallationen, sowie gefühlter 665 Rechnerneustarts, die doch das ein oder andere Stündchen eingenommen haben, gelange ich tatsächlich in das Spiel hinein. Gerade noch rechtzeitig, denn ich war schon kurz davor, das ganze Spiel in die Sondermülltonne zu drücken.

Da mir der Einstieg so leicht gemacht wurde, musste Ubisoft gewaltig was in der Hinterhand gehabt haben. Ich hoffte es für die Entwickler, schnürte gedanklich trotzdem schon die ersten frankierten Backsteine zum Schmeißen zusammen. Aber es sollte alles anders kommen.

Taxi!

Auf dem Rücksitz eines Jeeps sitzend, werde ich zum Ausgangs- und vorzeitigen Angelpunkt des Spiels chauffiert. Der nette Mann am Steuer erklärt mir in nicht ganz akzentfreiem Englisch, was in diesem Land vor sich geht. Es herrscht Kriegszustand, das Land ist nahezu entvölkert, die letzten Zivilisten sind auf der Flucht. Die Organisationen UFLL und APR führen einen blutigen Kampf um ein von Anarchie zerrüttetes Stückchen 'Himmel auf Erden', angespornt vom Schakal, einem Waffenschieber, der beide Seiten mit Argumentationsverstärkern versorgt und welcher letztendlich der Grund für mein Einreisen ist. Ich schlüpfe nämlich in die Haut eines Söldners, der den Schakal ausschalten soll. Aber der will nun erstmal gefunden werden.

Jedenfalls findet er mich, krank im Bett liegend. Denn kurz nach meiner Ankunft habe ich mir die Malaria eingefangen, welche mich sogleich von den virtuellen Socken gehauen hat. Er erklärt mir, daß mein Job beendet sei, ich ihm so schnell nicht wieder begegnen würde und verschwindet. Aber die Rechnung hat er ohne mich gemacht... kurze Zeit später habe ich eine Waffe gefunden und stürze mich in das Gefecht, das außerhalb des Hotels entbrennt, stehe den Gegnern aber chancenlos gegenüber.

Die Einleitung ist recht verwirrend erzählt, denn wiederum erwache ich in einem Schlachthaus und werde von einem weiteren Söldner instruiert, ihm persönlich zwar völlig egal, aber eine gute Wahl für einen Job zu sein. Diese ersten Missionen kann man als gut aufgemachtes Tutorial betrachten, denn es geht vorerst lediglich darum, mich mit der Spielmechanik und der Steuerung auseinanderzusetzen. Diese ist zwar nicht sehr komplex, hält aber so manche Schmankerl bereit.

Laufbote

Ist das Tutorial weitgehend abgeschlossen, sagt man mir, ich solle mich um einen Job kümmern. Fast wie im echten Leben stehe ich nun erstmal plan- und orientierungslos da. Niemand mag so recht mit mir reden, aber es ist auch so gut wie niemand da, der mit mir reden könnte. So wirr, wie die Geschichte im Intro an Fahrt aufnimmt, so schnell versandet sie jetzt völlig. Ohne großartige Leitfäden muß ich Missionen für die UFLL und die APR abarbeiten und mich nebenbei um Medikamente kümmern, die wiederum die Malaria unter Kontrolle halten. Desweiteren schenkt mir das Spiel sogenannte Buddies, damit ich mich nicht ganz alleine fühle. Freunde, die mir in brenzlichen Situationen helfen und für die ich weitere kleine Freundschaftsdienste abhalten kann. Außerdem gibt es an diversen Stellen Funkmasten, an denen ich weitere Nebenaufträge in Form von Kopfgeldjägermissionen bekomme und auch die örtlichen Waffenhändler heuern mich gerne an, Waffentransporte zu zerstören.

Zu tun gibt es im Prinzip reichlich, allerdings haben diese kleinen Nebenaufgaben lediglich den Zweck, entweder mein Konto aufzubessern, die Beziehungen zu meinen Buddies zu verstärken, Upgrades für Waffen freizuschalten oder mich mit Malaria Pillen zu versorgen. Da aber sämtliche Nebenmissionen auch 100%ig gleich ablaufen, stellt sich hier schon recht bald etwas Ernüchterung ein. Für Storydichte bleibt da kein Platz und man denkt sich, weniger dieser Missionen wären mehr gewesen. Immerhin müssen wir manche dieser Nebenmissionen absolvieren, ohne die Malaria Pillen geht uns relativ schnell das Lichtlein aus. Daß man dafür allerdings diverse Male lediglich gefälschte Reisepässe von A nach B befördert, ist auf Dauer recht demotivierend.

Die Storymissionen haben da schon weit mehr Charakter. Zwar bleibt die Story, nämlich die Suche nach dem Schakal stetig im Dunkeln, doch bringen die Storymissionen dank der vielseitigen Schauplätze, teils interessanten Ziele und immerhin offenen Lösungwege etwas Abwechslung mit sich. Daß ich während dieser Storymissionen immer wieder die Fronten wechsle und mal für die UFLL und mal für die APR arbeite, interessiert mich wenig, denn als knallhartem Söldner, ist es mir Schnuppe, auf welche Art und Weise ich an den Schakal herankomme. Nett ist, daß in jeder dieser Hauptmissionen mein Buddy einen alternativen Lösungsweg vorschlägt, der für massig zusätzliche Arbeit sorgt und beiden Parteien einen kleinen Haken stellt. Wären die Nebenmissionen ähnlich abwechslungsreich, hätte man weniger das Gefühl, nur ein Kurierfahrer zu sein.

Ballermänner hoch sechs

An Waffen, Utensilien und Fahrzeugen wird nicht gespart und von der Spielmechanik her braucht sich Far Cry 2 vor dem namensgebenden Erstling definitiv nicht verstecken. Zwar gibt es keinen Jack Carver als Helden, aber spielerisch fühlt es sich tatsächlich nach Far Cry an. Die Waffenmodelle und die Fahrzeuge verhalten sich weitgehend dem Vorgänger entsprechend und die Steuerung funktioniert ähnlich komfortabel. Da ich es bei Far Cry 2 mit einer offenen Welt zu tun habe, die mir mitunter recht viel abverlangt, schenkt mir das Spiel Safehouses, die ich einnehmen kann und die als meine private Waffenkammer und Erholungsort dienen. Als Währung gibt es kein Geld, sondern Diamanten, die ich für erledigte Aufträge bekomme und in Aktenkoffern verteilt in der Welt finden kann.

Im Waffenshop und -lager kaufe und deponiere ich mein Arsenal, das in vier verschiedene Typen unterteilt ist, von dem ich wiederum je ein Exemplar aufnehmen kann. So gibt es verschiedene Handguns von einer simplen Pistole bis zur Uzi, Assault Weapons von der Schrotflinte bis zur AK47 und Special Weapons, wie einen Mörser, Raketenwerfer oder meinen persönlichen Favoriten, den Flammenwerfer. Damit sämtliche Knarren und fahrbare Untersätze besser funktionieren, kann ich mir Handbücher kaufen, die zum einen meinen Umgang mit den Waffen und Fahrzeugen, zum anderen die Haltbarkeit verbessern. Da ich nicht konsequent wie von Zauberhand heile, gibt es Spritzen, von denen ich eine gewisse Anzahl mit mir herumschleppen kann. Die vielen gegnerischen Straßensperren sind aber gottlob mit ordentlich Munition und Medikits ausgestattet, so daß ich nicht alle 10 Minuten in die Waffenshops oder zu einem meiner Safehouses rennen muß.

3 x 3 = 5

Die Gegner verhalten sich dem Vorgänger entsprechend zwar clever, aber auch deckungsvernachlässigend offensiver. Cool sind die spontanen Verfolgungsjagden auf jeden Fall, denn die gegnerischen Söldner sind sich nicht zu schade, mir mit Jeeps hinterher zu düsen. Manchmal scheint die KI aber etwas zu aufmerksam zu sein, denn das Schleichen hat kaum Wirkung, während die Gegner in Gefechten manchmal das einfache Ziel spielen. Sehr gelungen ist das Interagieren mit der Umgebung. Feuer ist eine durchaus nützliche Waffe in den Gefechten. So kann ich mit dem Flammenwerfer oder Molotov-Cocktails Brände legen, die sich rasch ausbreiten. Allerdings bin ich selbst natürlich auch nicht davor gefeit und so kann das, sich teils unkontrollierte Ausbreiten der Flammen für mich ebenso zum Verhängnis werden.

Wenn ich mal das Zeitliche segne, eilt ein Buddy zur Hilfe und zieht mich in einer recht dramatischen Szene aus dem Krisenherd, sofern ich ihn vorher im Safehouse darum gebeten habe. Ebenso gibt es diverse recht drastische Animationsphasen, sollte ich kritisch verletzt sein. Drücke ich die Taste für die Heilspritzen kann ich direkt mit ansehen, wie mein Charakter seine gebrochenen Finger zurechtbiegt, sich Metallstangen aus dem Bein zieht und so weiter. Zum einen wirkt es zwar dramatisch und steigert das Mittendrin-Gefühl, inmitten des Kugelhagels sind diese Animationsphasen oftmals kaum noch durchführbar und mir geht desöfteren auf der hastigen Suche nach Deckung die Puste aus.

Sehr nette Kniffe, die Realitätsnähe zu steigern sind neben der generellen Kamerabewegung beim Laufen, das schnell ausblendende Interface und der Blick auf die Karte, ohne daß das Spiel pausiert. Dadurch wird die Welt zum absoluten Hingucker. Sollten wir eine Waffe abfeuern, wird kurzzeitig die Munitionsreserve eingeblendet, erleiden wir einen Treffer, leuchtet sofort die Energieanzeige auf. Ansonsten ist der Blick auf die weite Welt ungetrübt, sofern wir nicht die Karte vor den Augen haben. Sollte in diesem Falle eine gegnerische Patroullie angreifen, reicht allerdings ein kurzes Drehen am Mausrad und schon zücken wir eine unserer Wummen. Viel Hektik läßt die gut durchdachte Steuerung also nicht zu.

So siehts doch aus

Während die kaum spürbare Story im Hintergrund vor sich hindümpelt, packt Ubisoft ein technisches Meisterwerk aus. Die Dunia Engine erweist sich als ziemlich leistungsfähig, anders kann ich das nach stundenlangem Spielen ohne jegliche Abstürze und Bugs nicht ausdrücken. Die grafische Qualität steht vor allem in höheren Auflösungen und mit hohen Einstellungen einem Crysis in nichts nach und kommt mit wesentlich besserer Performance und ohne Fehler daher. Ein wichtiger Punkt ist hier aber die, meiner Ansicht nach, bislang schönste Darstellung verschiedener Tageszeiten. Die Beleuchtung ist kurzum erstklassig und die Mittagshitze beinahe spürbar, die Sonnenuntergänge traumhaft schön. Auch die verschiedenen Areale, die das Spiel bietet, wirken sehr glaubwürdig. Diese sind nicht immer mit fotorealistischen Texturen vollgestopft, sondern beeindrucken eher mit reichhaltiger Vegetation, enormer Weitsicht und Effekten wie malerischen Wasserspiegelungen, bildhübschen Partikeleffekten und dem, mehr als ansehnlich, flirrenden Feuer.

Zwar sind die Umgebungen und Gebäude nicht komplett zerstörbar, aber das wäre in der offenen Welt wohl kaum vernünftig umsetzbar gewesen, zumal ich gewisse Areale einige Male anreisen muß. Ebenso bleibt bei all der dichten Vegetation durchaus das Gefühl, das fast schon paradiesisch anmutende Land wäre tot, worauf es Ubisoft scheinbar auch absieht. Gelegentlich kommen mir im Grasland zwar einige Zebras oder Gnus entgegen, die Fauna spielt sich aber weitgehend als Soundkulisse ab. Spielerisch tut das nicht weh, denn Far Cry 2 stellt ja keine Großwildsafari dar. Hier gibt es also nur die sauber animierten Gegner. Davon sind es dann allerdings ganze Horden.

Der Sound steckt eher voller Leben und ist ziemlich gut umgesetzt. Auch die Effekte klingen sehr gut, einzig die recht ambitionierten Dialoge sind sehr leise, auch wenn der Auftraggeber, der einem die wichtigen Infos gibt, mir genau gegenübersteht. Die englischen und afrikanischen Sprecher klingen dennoch herrlich, auch wenn ich kein afrikanisch verstehe. Auch die Musik trägt viel zur Stimmung bei, mit den Tribal- und Drumsounds geht man aber insgesamt gelassener an diese Sache ran, als die Konkurrenz.

Gut oder nicht gut?

Wie mir in der Einleitung vermittelt wird, ist das Land weitgehend verlassen. Von Zivilisten fehlt jegliche Spur, selbst in den zwei, drei größeren Siedlungen findet man nur Söldner vor. Die Stimmung ist also durchaus zwiespältig. Einerseits hat Far Cry 2 das weite Land, eine überaus liebevoll gestaltete Welt, die ein Stück weit das Gefühl von unberührter Natur transportiert, andererseits ist mir alles menschliche Leben feindseelig gestimmt. Mit anderen Worten: Der Schauplatz ist einzigartig, der spielerische Inhalt sehr gut umgesetzt, aber auch reichlich trist. Dennoch geht von diesem Afrika ein ganz besonderer Reiz aus.

Es ist gerade die offene Welt, die mich seit Release immer wieder in den Bann gezogen hat, die meiner Meinung nach in bislang keinem Shooter so grandios umgesetzt wurde. Und es ist die wahrlich simple, locker von der Hand gehende Mechanik, die einfach problemlos funktioniert. Ich hatte jedenfalls ausgenommen von den Startschwierigkeiten nach der Installation kein einziges Problem während des Spiels und das ist heutzutage leider eine Seltenheit geworden. Insofern ist das Spiel rundum gelungen, das einzige, was die Entwickler hätten rauskitzeln müssen, wären vordergründigere und nachvollziehbarere Handlungsstränge und weniger gleichbleibende Missionen. So reicht es eben nur aus, um gemütlich denkende Abenteurer und Sight Seeing Touristen wie mich dauerhaft bei Laune zu halten.

Ein weiterer Kritikpunkt mag für viele zusätzlich die Onlineaktivierung und Installationsbeschränkung sein, aber das liegt ja nun nicht am Spiel selbst, sondern an der Vermarktungsstrategie von Ubisoft. Mir schmeckt das zwar auch nicht unbedingt, dennoch soll das nicht bewertend in das Spiel einfließen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: atemberaubende Landschaften und tolle Effekte
  • Sound: gute englische Sprecher, Effekte und Musik
  • Balance: Schauplätze vollgestopft mit Medikits und Muni...
  • Atmosphäre: Freiheitsgefühl und doch Beklemmung...
  • Bedienung: geht einfach von der Hand und funktioniert perfekt
  • Umfang: riesige Welt, viele unterschiedliche Schauplätze
  • Missionsdesign: recht gute Haupt- und Buddymissionen
  • KI: clever, aggressiv, nutzt Fahrzeuge und Geschütze
  • Waffen & Extras: umfangreiches Waffenarsenal, Upgrades erspielbar
  • Handlung: na ja, sie ist da und von der Sache her gut...
  • Grafik: -
  • Sound: Dialoge zu leise
  • Balance: ...aber mitunter auch mit zuvielen Gegnern
  • Atmosphäre: ...dank leerer Weite
  • Bedienung: -
  • Umfang: künstlich gestreckte Spielzeit
  • Missionsdesign: Nebenaufträge nerven mit Wiederholungen
  • KI: vernachlässigt Deckung, ignoriert Schleichen
  • Waffen & Extras: wenig verschiedene Fahrzeuge
  • Handlung: ...rückt ab Mission 1 in den Hintergrund

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(4)
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