F.E.A.R. again...

Die Spielzeit bei einem Shooter ist eine heikle Angelegenheit - wieviel Spielspaß für's Geld ist fair bzw. machbar? Die jüngsten Ballerproduktionen zeigen immer...

von - Gast - am: 07.04.2009

Die Spielzeit bei einem Shooter ist eine heikle Angelegenheit - wieviel Spielspaß für's Geld ist fair bzw. machbar? Die jüngsten Ballerproduktionen zeigen immer offensichtlicher das Dilemma, dass technischer Fortschritt inklusive einer epischen Spieldauer kompliziert zu bewerkstelligen sind. Grade bei Shootern mokiert man gerne, dass die Dimensionen eines 'Half Life 2' nicht mehr erreicht werden und sich lieber als kurzweilige Unterhaltung präsentieren. Auch 'F.E.A.R. 2' macht da keine Ausnahme...
'F.E.A.R' habe ich seinerzeit ausgesprochen gern gespielt und rückblickend mit einem 'Gut' zu schlecht beurteilt. Der Kampf um das Geheimnis des Mädchens Alma - Genrefreunden bekannt aufgrund markanter Asiahorror-Frisur sowie fieser Buh-Momente - und der Verbindung des Spielers zu dem gebeutelten Kind, beweist nach zwei schlechten Add-Ons und dieser 'richtigen' Fortsetzung seine Ausnahmeposition.
Allenfalls 'Condemned', das ebenfalls aus dem Hause 'Monolith' stammt, konnte mir wohlige Gänsehaut bereiten. Aber nur 'F.E.A.R.' hat mich seinerzeit so weit getrieben ein laufendes Spiel zu unterbrechen, weil es mir tatsächlich zu gruselig wurde. Das hat zuvor noch kein Film geschafft! Dieser Umstand liess den Shooter weit aus der Masse seiner Kollegen herausragen. Sicher, da gab' es noch die actionreichen Feuergefechte und eine legendäre Zeitlupenfunktion, aber wirklich nachhaltig in Erinnerung bleiben doch nur Almas kurze Auftritte.
Umso verwunderlicher, dass im zweiten Teil davon kaum noch etwas übrig ist. Dabei ist unübersehbar, wie Monolith damalige Makel vergessen machen möchte. So wurde z.B. die Vielfalt der Umgebung massiv hochgeschraubt. Vorbei ist die Zeit der öden Büroräume und Lagerhallen, in denen Alma und Blut die einzigen optischen Farbkleckse waren. Was hier aufgeboten wird ist teilweise atemberaubend und nicht wenige Panoramen des apokalyptischen Settings würden als Poster eine gute Figur machen. Die zerbombte Stadt ist bis zur kleinsten Besenkammer liebevoll ausstaffiert und erzeugt Hingucker am laufenden Band.
Das ist zwar hochgradig atmosphärisch, dafür kann man die Schrecksekunden an einer Hand abzählen. Es fehlt zum großen Teil die typische Inszenierung des Vorgängers, was aber auch Almas Hintergrund geschuldet ist: wenn man die Reihe kennt, weiss man um Almas Schicksal. Die Entwickler haben ihre Auftritte daher auf das Nötigste zurückgeschraubt und überlassen zwei anderen Versionen der Kleinen die Bühne, um auch den Veteranen noch Überraschungen zu bieten. Die zecken auch, aber es erreicht zu keinem Zeitpunkt die nervenzerfetzende Intensität von 'F.E.A.R.'. Da reichte Kindergesang und ein Aufzugsschacht, um bei mir die Nerven blank zu legen - so tief will man hier nicht mehr stapeln.
Anscheinend lag der Fokus bei der Entwicklung nämlich mehr auf der Action. Die Engine ist zwar schon sichtlich betagt, hält aber in ihrer aufgebohrten Version auch heutigen Standards problemlos Stand und weiss mit vielen Details zu punkten, die beim Erstling noch verbesserungswürdig waren. Ums kurz zu machen: 'F.E.A.R. 2' macht keinem Angst, aber rockt das Haus so dermaßen wie momentan kein anderer Shooter - was ich aber auch erst beim zweiten Anspielen bemerkte...
Durch die Demo gestählt ging ich das Spiel zuerst auf 'Hard' an - wegen der 'heiklen Angelegenheit', denn schließlich sollte der Spaß nicht schon nach fünf Stunden vorbei sein.
Auf dieser Schwierigkeitsstufe wird man auch eine angemessene Zeit beschäftigt. Aber ob es Spaß gemacht hat? Ich bin jedenfalls nicht aus Frustation in Versuchung gekommen den Level abzuschwächen. 'Project Origin' bleibt immer fair, denn mit der Slow-Motion-Funktion sind auch haarige Situationen zu bewerkstelligen. Allerdings war ich nie ein Freund dieser Funktion und sehe sie eher als nettes Gimmick und nicht unbedingt als spielentscheidendes Element, weil sie mir zu sehr auf Kosten der Dynamik geht. Hier wurde es besonders deutlich, denn das unabdingbare ständige Verwenden der Zeitlupe zieht das Ding wie ein Zack Snyder-Film. Anstatt sich der Inszenierung hinzugeben lugt man ausserdem jeden Winkel nach Items ab und überlegt sich dreimal, welche Waffe man in welcher Situation verwendet. Das geht für mich alles auf Kosten der Dichte, die das Spiel ohne Zweifel aufweist! Das Game ist nämlich sowas von gescriptet, dass selbst ein 'Call of Duty' in Zugzwang kommt...
...was mir prinzipiell gefällt! Das Leveldesign ist abwechslungsreich und leistet sich keinen Durchänger. Wenn die Kämpfe monoton zu werden drohen, gibt es eine Vision, eine Scriptszene, ein Wiedersehen mit den Kameraden oder auch geänderte Spielmodis. So kann man in zwei Abschnitten mit einem 'Mech' ganze Straßenzüge in Schutt und Asche legen oder hinter einem Geschütz die Umgebung einebenen. Momente voll ungestümer, hemmungsloser Lust nach Destruktion.
Diese Momente gab es am laufenden Band bei jedem Shootout, als ich nach dem ersten Durchspielen auf 'easy' diesmal die deutsche Synchro antesten wollte - die sich übrigens löblicherweise via Steam problemlos umschalten lässt.
Und so kam ich nochmal ins Spiel, wie es vermutlich eigentlich gedacht war: schnell, laut und hart! Ich musste kein Leben einbüssen, habe nur zweimal die Zeitlupe verwenden müssen, war am gleichen Abend bereits wieder durch - hatte aber doppelt soviel Spaß!
Dann spielt auch die neue Engine ihre gesamte Qualität aus und explodiert förmlich in einem Actiongewitter, dass ich vorher nur geahnt habe. Man entschuldige die Drastik, aber wenn man durch das blutverschmierte Visier den Gegner im Partikel-Gewitter auf's Korn nimmt, Explosionen mich dabei durchschütteln und die Sicht wegen des Motion Blurs verschwimmt (das ich übrigens für die größte Erfindung seit dem Rad halte) - dann möchte ich 'F.E.A.R.' nur von Paul Verhoeven verfilmt sehen! Zurückhaltend ist in der Uncut-Version nämlich nichts und der grimmige Bleiregen ist natürlich nichts für Kinder! Auf 'schwierig' entlädt sich diese Wucht zu selten, weil man dann nämlich bereits das Zeitliche gesegnet hat. Einzig an den Nahkämpfen hätte noch etwas optimiert werden können. Angreifende Mutanten können in einer kleinen Quicktime-Sequenz abgewehrt werden, aber die Möglichkeiten bei normalen Gegnern sind wieder nur Boxen oder Treten, was im Vergleich zu den restlichen Qualitäten recht piefig daher kommt.
Trotzdem ist der Titel alles andere als ein stupides Gemetzel, auch wenn Härten nötig sind. Die Visionen sind wúnderschön künstlerisch gestaltet, eine komplexe Story mit vielen hübschen Wendungen hält den Spieler bei der Stange, neue Mitspieler wie der 'Puppenspieler' sind klasse und das Finale ist mal wirklich gelungen! Besonders die Kenner werden sich über das neue Wiedersehen Almas freuen und von einer ganz neuen Seite kennenlernen - hier detoniert etwas auf ganz kleinem Raum. Großartig!
Und dann stimmt auch das Preisleistungs-Verhältnis wieder. Selbst wenn der Schrecken nachlässt, die Action überzeugt auf ganzer Linie und Liebhaber des Vorgängers haben's eh schon. Gut so...


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(4)
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