Grand Theft Auto 5 - Viel mehr als ein Spiel

Grand Theft Auto 5 ist weit mehr als Autos, Waffen und Gewalt – es ist ein komplexes Meisterwerk. In der Vorschau zur PC-Version werfen wir einen Blick hinter die sonnige Fassade des Gangster-Epos und klären, warum GTA 5 zwar herausragend gut, aber auch erstaunlich deprimierend ist.

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Wie würde die Welt der Kunstfreunde wohl reagieren, wenn ein Kurator der Mona Lisa ganz bewusst schwarze Tinte in den Ausschnitt kippen würde? Ein fassungsloser Aufschrei wäre die Folge. Wie kann man einem Meilenstein der Kunst so etwas antun? Hat der Typ nicht mehr alle Tassen im Schrank? Wie soll man sich jetzt noch ohne Ablenkung auf die Mona Lisa konzentrieren? Ähnlich geht's vielen angesichts der jüngsten Ankündigung von Rockstar bezüglich der PC-Version von Grand Theft Auto 5.

Zwar spricht der Publisher nicht explizit von »Always On«, die Formulierungen deuten aber darauf hin, dass eine permanente Internetverbindung vorausgesetzt wird (mehr dazu in unserer Kolumne). Wie sollen wir den Trip ins San Andreas der nächsten Generation ungestört genießen, wenn wir dauernd online sein müssen, um zu speichern? Wenn wir ständig auf unsere Anmeldung im Rockstar Social Club hingewiesen werden und zu jeder vollen Stunde unsere Nutzungsrechte online absegnen müssen? Das sind aktuell natürlich nur Spekulationen und - pardon - Schwarzmalereien, aber Rockstar sollte hier schnellstmöglich Klarheit schaffen.

Problematische Kopierschutzmaßnahmen wären vor allem deshalb ärgerlich, weil die ersten Screenshots der PC-Version vermuten lassen, dass die Umsetzung für den Rechner tatsächlich die beste Variante des Gangster-Epos werden dürfte: 4K-Auflösung, 3D-Vision und Unterstützung für drei Monitore - das alles klingt nach einem fantastischen Technikgerüst, das ja ohnehin schon auf der optisch herausragenden Next-Gen-Variante der Konsolenversion basiert.

Aber vor allem ist es ein Ärgernis, weil wir bei einem Spiel wie GTA 5 gar nicht über solche Probleme berichten wollen. Nachdem wir für diese Vorschau zig Stunden mit der Konsolenvariante verbracht haben, sind wir uns nämlich sicher, dass es den DRM-Firlefanz genauso wenig verdient hat wie die Mona Lisa ihre Tintenflecken. Denn auch Grand Theft Auto 5 ist ein Meilenstein. Und deshalb wollen wir viel lieber erläutern, warum es auf dem PC eines der besten Spiele aller Zeiten werden kann. Aber auch eines der deprimierendsten.

Grand Theft Auto 5 - Bilder aus der PS4-/Xbox-One-Version ansehen

GTA hat einen doppelten Boden

Um diesen Widerspruch aufzulösen, müssen wir etwas weiter ausholen: Als Spieleredakteur kommt man kaum drum herum, seinen Schreibstil ein Stück weit dem behandelten Spiel anzupassen. Schließlich muss man sich den Inhalten auf eine angemessene Art und Weise nähern. Welchen Wert hätte beispielsweise ein Artikel zu This War of Mine, in dem der Autor reißerisch den Gewaltgrad feiert? Ein guter Text trägt die Stimmung eines Spiels; der Autor quittiert damit den Lesern, dass er verstanden hat, worum es geht. Mal vollzieht man die Kurzweil brachialer Bombast-Action nach, mal schreibt man andächtig über ein subtiles Erkundungsspiel, und mal ist man der Chirurg, der systematisch die Facetten eines Taktik-Shooters seziert.

GTA 5 sollte da eigentlich ein klarer Fall sein: Unter der Westküstensonne der USA Sportflitzer stehlen, Gebäude in die Luft jagen, Gangster und Cops um die Ecke bringen und dabei allerhand Freizeitbeschäftigungen nachgehen von illegalen Straßenrennen über Tennis und Yoga bis hin zu wilden Drogen-Trips. Dazu ein stimmiger Radio-Soundtrack von Lady Gaga bis ZZ Top - eigentlich ein klarer Fall von launiger und chaotischer Kurzweil, ein Gangstertraum von Geld, Ruhm und Abenteuern, ohne Rücksicht auf Verluste und das Gesetz.

Sollte man meinen. Ist es aber nicht. Denn hinter der erzählerischen Fassade der Gangsterballade verbirgt sich gleichzeitig ein zutiefst zynischer und verbitterter Blick auf die Welt. Es ist ein trauriger Abgesang auf alles, was die zeitgenössische Pop-Kultur zelebriert. Und gerade deshalb ist es auch so herausragend gut.

Ein Ingame-Tag dauert in Echtzeit 48 Minuten. Tag und Nacht wechseln dabei dynamisch. Ein Ingame-Tag dauert in Echtzeit 48 Minuten. Tag und Nacht wechseln dabei dynamisch.

GTA macht kaputt

Hipster, Gangster, Polizisten, Bundesbeamte, Yuppies, Hippies, Akademiker, Aktivisten, Promis, Politiker, Familienmitglieder, Freunde - wir können diese Liste noch eine ganze Weile fortsetzen und um zig soziale Milieus, Subkulturen und Gesinnungen ergänzen. Alle kriegen in GTA 5 ihr Fett weg, jede Figur verkörpert einen Aspekt unserer Gesellschaft, der sich innerhalb der Geschichte selbst parodiert oder zumindest entzaubert. Die Botschaft von Grand Theft Auto 5 ist so entwaffnend dekonstruktiv, dass sie deprimiert. Das fängt schon bei den drei Hauptfiguren an.

Michael De Santa ist ein Mittvierziger, der als Ex-Bankräuber im Zuge eines Zeugenschutz-Deals mit der Polizei auf einem Vermögen sitzt, nachdem er seine Partner dafür ans Messer geliefert hat. Doch trotz seiner Traumvilla, trotz Sportwagen, Pool und Margarita ist er unglücklich, durchlebt eine Midlife-Crisis, wird von seiner Familie fast genauso gehasst, wie er sich selbst verachtet. Sein geldgieriger Therapeut kann ihm nicht helfen, weil er mit seinen heuchlerischen Floskeln selbst Teil des Problems ist. Und so begibt er sich wieder ins Geschäft, sucht im Chaos und im Abenteuer das Gefühl, lebendig zu sein.

Zerdellen wir ein Auto, verliert es gelegentlich Öl. Das können wir natürlich entzünden - mit verheerender Wirkung. Zerdellen wir ein Auto, verliert es gelegentlich Öl. Das können wir natürlich entzünden - mit verheerender Wirkung.

Michael ist die Kehrseite von Tommy Vercetti, dem Protagonisten von GTA Vice City. Nicht nur optisch ähneln sich die beiden - Michaels Geschichte beginnt dort, wo Tommys endet: im Reichtum, Luxus, im vermeintlich guten Ende des amerikanischen Traums. Michaels Dilemma ist seine fehlende Erkenntnis, dass man Unmoral nicht mit Geld aufwiegen kann. Und die Entwickler von Rockstar beweisen mit einer so reifen Figur, dass sie in GTA 5 nicht davor zurückschrecken, sich auch selbst zu hinterfragen.

Ähnlich sieht's mit Franklin aus. Als zweite Hauptfigur ist er ein reiferer CJ (der Protagonist aus GTA San Andreas), der die afro-amerikanische Gang-Mentalität von Los Santos als perspektivloses Geplänkel abtut und schlicht raus will aus der Hood. In Gesprächen mit seinem Kumpel Lamar, der die Gang-Kultur aus Bros und Homies zelebriert, macht sich Franklin durchweg lustig über das Ghetto-Gehabe und kritisiert zurecht, dass die beiden sich seit ihrer Kindheit nur im Kreis drehen, einem Kreis aus Drogensucht, Gewalt und Perspektivlosigkeit. In Michael findet er den idealen Mentor, um aus all dem auszubrechen.

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