Early-Access-Debakel von H1Z1 - Hoffnung in Geiselhaft

Das sei ja noch nicht fertig, rufen Fans und Entwickler, wenn man die Early-Access-Version von H1Z1 kritisiert. Und unter normalen Umständen wäre das auch ein Argument, aber das Survivalspiel von Sony ist ein gefährlicher Präzedenzfall, findet GameStar-Redakteur Christian Fritz Schneider.

Ich kaufe mir fast jede Woche ein Early-Access-Spiel. Manchmal habe ich Glück und es ist bereits gut oder wird es wenigstens noch. Manchmal habe ich Pech und das Ding bleibt ein Rohrkrepierer. Aber ich wusste ja, worauf ich mich eingelassen habe - kein Ding.

Genauso gelassen könnte ich auch an H1Z1 herangehen, den DayZ-Klon von Sony Online Entertainment. Aber hier liegt die Sache anders. Hier versucht ein großer Entwickler und Publisher die Grenzen der Fan-Finanzierung auszuloten. Und das auch noch richtig schmutzig und völlig respektlos den Spielern (bzw. Kunden) gegenüber.

H1Z1 soll in der fertigen Release-Version mal Free2Play sein, die Early-Access-Fassung kostet aber erstmal 20 Euro. Sowas gab es bereits, beispielsweise bei Nosgoth, dem Multiplayer-Spiel von Square Enix. Der Unterschied: Nosgoth war selbst in seiner ersten Early-Access-Version schon ein gutes Spiel und fürs Geld gab es gleich noch eine weitere spielbare Klasse.

Sonys H1Z1 ist in seiner ersten Early-Access-Version ein Witz. Schwache Technik, schwaches Design, schlechte Performance. Sowas kann man vielleicht mal in eine offene Alpha schicken, aber sicher nicht für Geld anbieten - zumindest nicht als namhaftes Entwicklerstudio. Und dann werden die zahlenden Early-Access-Kunden auch noch mit ein paar kümmerlichen Ingame-Boni abgespeist, statt für die frühe Unterstützung wirklich besonders belohnt zu werden. Von den Pay2Win-Vorwürfen will ich gar nicht erst anfangen, immerhin scheint Sony da schnell zu reagieren, will Entschädigungen leisten und das System ändern.

Ein abgewälztes Risikoprojekt

Die wirtschaftlichen Hintergedanken von Sony kann ich natürlich nachvollziehen. Einige Early-Access-Spiele dominieren derzeit die Steam-Charts, verkaufen sich selbst in Alpha- und Beta-Versionen bereits super - DayZ ist das beste Beispiel. Da will man auch ein Stück vom Kuchen abhaben. Und wenn das eigene Spiel schlecht ist, kann man ja immer noch den »Das ist ja noch nicht fertig«-Joker ziehen. Wie bei H1Z1.

Was mich aber wirklich erschreckt, ist, dass viele Käufer dieser Masche auch noch auf den Leim gehen. Da nimmt ein Studio die Hoffnung der Spieler in Geiselhaft und was machen die Veräppelten? Sie springen den Gaunern zu Hilfe, als würden sie unter dem Stockholm Syndrom leiden.

Early-Access-Spiele sind unfertig, genau darum geht es bei dem Programm ja auch. Aber wenn große Entwickler wie SEO das System respektlos ausnutzen, nur um schon aus schlechten Alpha-Versionen möglichst viel Geld zu holen, leidet die ganze Early-Access-Idee. Early-Access-Spiele sind unfertig, genau darum geht es bei dem Programm ja auch. Aber wenn große Entwickler wie SEO das System respektlos ausnutzen, nur um schon aus schlechten Alpha-Versionen möglichst viel Geld zu holen, leidet die ganze Early-Access-Idee.

Wir reden hier von Sony Online Entertainment. Einer Firma, deren Verantwortliche sehr genau wissen dürften, wann sie ein gutes Spiel in der Tasche haben und wann sie versuchen müssen, ein Risikoprojekt auf die Schultern der Kunden abzuwälzen - und nichts anderes ist H1Z1.

Wenn solche Maschen nicht in Mode kommen sollen, müssen die Spieler jetzt mit ihrer Kaufkraft entscheiden. Early Access ja, aber nicht, wenn es nur ums Geld geht. Wenn die Spieler nicht mit Respekt behandelt werden, sondern als Risiko-Geldgeber benutzt werden.

Für kleine Indie-Entwickler mag das nur eingeschränkt gelten. Wer als unabhängiger Designer gerade mal so seine Miete zahlen kann, muss eben schauen, wie er sich über Wasser hält. Und den unterstütze ich dann auch gerne, der Early-Access-Beitrag ist ja auch nichts anderes als eine Spende in der Hoffnung, dass das Spiel gut und fertig wird.

Sony aber ist kein kleiner, unabhängiger Entwickler, sondern ein Milliardenkonzern, der Spenden nicht nötig haben sollte. Wenn sie das System derart missbrauchen, können große, etablierte Unternehmen der Idee von Early Access nur schaden und es kleineren Teams schwerer machen, Begeisterung für ihre Spiele in finanzielle Unterstützung umzuwandeln.

Early Access ist Hoffnung, und deshalb macht es auch Spaß. Wer darin aber nur noch ein Geschäft sieht, sollte nicht unterstützt werden. Erst recht nicht von den Spielern.

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