Tote Männer leben unsympathisch - und filmisch!

Sie suchen ein Actionspiel, indem Sie triefender Realismus erwartet, eine KI , die Sie immer wieder vor neuen Herausforderungen stellt und eine tiefgehende...

von - Gast - am: 20.08.2009

Sie suchen ein Actionspiel, indem Sie triefender Realismus erwartet, eine KI , die Sie immer wieder vor neuen Herausforderungen stellt und eine tiefgehende Geschichte mit emotionalen und berührenden Charakteren, die nur darauf wartet, von Ihnen erlebt zu werden? Dann sind Sie hier bei der falschen Adresse, in Kane & Lynch findet man unkomplizierte Action mit filmreifen Momenten.

I wanted to write you this for years ...

Ein Pärchen ist doch eigentlich was ganz Feines. Man denke an die unzähligen Duos, die die Menschheit hervorbrachte. Tom und Jerry, Angelina Jolie und Brad Pitt, der Autor dieses Lesertests und Megan Fox. Alles unzertrennliche Paare, die kaum wegzudenken sind. Auch in der Spieleszene gibt es genug Pärchen, die unzertrennlich sind. Gordon Freeman und Alyx Vance aus Half-Life 2, Guybrush Threepwood und Elaine Marley aus Monkey Island oder Sam und Max aus, nunja Sam & Max. Doch ein Duo sticht dabei heraus, das sich am liebsten ständig über den Haufen ballern würde und ungleicher nicht sein könnte. Die Rede ist von Kane und Lynch. Kane, ein berechnender, eiskalter EX-Söldner und Lynch, ein labiler Psychopath, sind beide Hauptprotagonisten aus IO Interactive´s Actionspiel Kane & Lynch: Dead Men. Und beide haben dasselbe Problem: In einem ganz ordentlichen und wirklich filmreifen Actionspiel sind beide Charaktere nur mäßig sympathisch.

I regret nothing ...

Aber das wird Kane wohl vollkommen egal sein, ihn interessiert nur eins: Seine Familie! Nämlich die wurde von einem Söldner-Unternehmen namens The7 entführt und nun werden sie als Druckmittel verwendet, damit Kane für The7 das Geld wiederbeschafft, das er einst ihnen geklaut hat. Hierfür retten sie ihn zunächst vor der Todesstrafe, indem sie seinen Abtransport verhindern und damit er sich hinterher nicht einfach aus dem Staub macht, stellen sie für ihn einen Begleiter ein, Lynch. Aus dieser Ausgangssituation versucht IO Interactive eine spannende Geschichte zu erzählen und versucht mit filmreifen Zwischensequenzen aufzutrumpfen. Und was soll man sagen, es gelingt teilweise. Die atmosphärisch dichten Zwischensequenzen können begeistern und die Charaktere sind gelungen, man merkt ihnen ihre Vergangenheit deutlich an. Doch das ist der entscheidende Punkt, warum die Handlung nicht mehr als solide ist. Was ist passiert in der Vergangenheit? Was ist damals vorgefallen in der Sache mit Kane und The7? Was sollen all die kleinen Gesten, die man sich untereinander austauscht? Von welchen Vorfällen wird dort ständig gesprochen? Die Story lässt viel zu viel im Unklaren, der Spieler tappt allzu oft im Dunkeln rum. Zusätzlich sind beide Enden von Kane & Lynch ziemlich unbefriedigend und das hinterlässt zusammen mit fehlenden Story-Details einen äußerst faden Beigeschmack. Hoffentlich bügelt der Nachfolger Kane & Lynch: Dog Days diese Schwächen aus und klärt die Spieler auf.

I just regret that I never met you ...

Aber was ist eine schwächliche Handlung im Angesicht knallharter Action? Während die Story trotz gelungenen Charakteren nicht wirklich überzeugen kann, kann das die Action stellenweise auch nicht. Die Action ist eindeutig von Actionfilmen á la Michael Mann inspiriert und bietet dementsprechend viel Inszenierung, allerdings kann das Geschieße an sich nicht recht begeistern. Das Zeug dazu hat Kane & Lynch aber allemal! Aus der Verfolgerperspektive steuert man Kane durch die verschiedensten Szenarien der Welt. Mal geht es in einen Nachtklub in Tokio, dann in das hart umkämpfte Havanna und ein andermal muss man unüblicherweise in ein Gefängnis ein- statt ausbrechen. Genügend Abwechslung wird aber nicht nur in Form verschiedener Schauplätze geboten, auch in Form von spielerischer. Mal muss man einen Kollegen beschützen während dieser eine Bombe legt, dann muss man bemannt an einem Jeep das Starten eines Flugzeuges verhindern oder auch mal Scharfschützenhilfe leisten. Zudem ist es möglich Lynch und anderen Gefährten, die zusammen mit dem Spieler durch die Welt ziehen, rudimentäre Befehle zu geben wie bewege dich dorthin oder greife den Gegner an. Damit man es auch noch ein wenig strategischer wird, ist ein automatisches Deckungssystem ins Spiel integriert, indem man entweder blind oder gezielt aus der Deckung schießen kann.
Doch wie bei der Handlung hört es sich theoretisch makellos an, jedoch hapert es erneut bei der Umsetzung. Das Team-Feature ist eine nette Dreingabe und könnte ein wenig Spieltiefe in die Sache bringen, jedoch ist es fast nie notwendig, da die Kollegen dem Spieler kaum Arbeit abnehmen und man sich um die meisten Gegner selbst kümmern muss. Das automatische In-Deckung-Gehen ist, bis auf die letzten paar Missionen, kaum notwendig und wirkt nur halbherzig umgesetzt. In Deckung ist das Bewegen nicht möglich, zudem gilt die Deckung nur als Deckung, wenn man am Rand des gewünschten Deckungsobjekt angelangt ist, ansonsten fällt das Schießen daraus flach. Herausfordernd wird das Spiel zudem kaum, anfangs gleicht selbst der härteste Schwierigkeitsgrad einer entspannten Bootsfahrt. Grund dafür ist die schwache KI und das zugegeben sehr faire Heilungssystem. Die KI stürmt nicht selten einfach blind auf Kane zu oder steht blöd in der Gegend rum ohne den geringsten Versuch zu unternehmen, das Feuer zu eröffnen oder Deckung zu nehmen. Das gilt für die Gegner ebenso wie für das Team, genauso die Tatsache das die KI sich selbstständig Deckung sucht. Aufgrund dieser Macken ist es nur selten der Fall, das Kane zu Boden geht und wenn doch, wird er einfach von seinen Kollegen mithilfe von Adrenalin wiederbelebt und muss nur dafür sorgen, das er dann nicht allzu schnell erneut zu Boden geht, ansonsten könnte ihn eine Überdosis töten. Zu Boden geht Kane wenn er zu viele Kugeln auf einmal einsteckt, um sich zu regenieren muss er sich nur kurz erholen und dabei aufpassen, sich keine Kugel einzufangen. Die Waffen, mit denen geballert wird, fühlen sich zu allem Überfluss auch noch ziemlich austauschbar an und gleichen sich in der Regel zu sehr. Zusätzlich muss der Spieler sich ständig mit den Rücksetzpunkten auseinander setzen, die stellenweise arg lang voneinander entfernt sind. Nun, das hört sich allerdings ziemlich negativ an, doch warum erzeugen die Feuergefechte dennoch Spannung? Das liegt klar auf der Hand: Aufgrund der Inszenierung.

I´m not afraid to die ...

Gegner sowie Kollegen werfen bei Kämpfen sich Befehle zu und kommentieren das Geschehen, ständig wird man beschossen und die Projektile krachen in die Deckung., die Musik tut dabei ihr Übriges. Das erzeugt ein schönes Mittendrin-Gefühl, allerdings ist das große Glanzstück der Inszenierung des Spieles die filmreifen Momenten, von denen es in Kane & Lynch nur so wimmelt. Beispielsweise wenn man sich als Fensterputzer verkleidet an einem Hochhaus mitten in einer Großstadt abseilt, nur um an einem großen Panorama-Fenster Halt zu machen, eine Bombe zu platzieren und in ein Meeting japanischer Gangster-Bosse zu platzen. Oder wenn man in einem überfüllten Nachtklub in Tokio dafür sorgen muss, das Lynch die Tochter eines hohen Tieres tragen kann ohne beschossen zu werden, während unzählige, kreischende Partygäste die bewaffneten, mit Taschenlampen ausgestatteten Wachen verdecken. In diesen Momenten kann Kane & Lynch komplett überzeugen, an denen die Inszenierung überhand gewinnt und die schwache KI kaschiert wird, an denen man komplett im Spiel ist und davon einfach mitgerissen wird. An denen das Potenzial vollends ausgeschöpft wird, das das Spiel hat. In solchen Momenten vergisst man die vielen kleinen Fehler, die das Spiel hat, denn filmreifer und stimmiger kann man solche Augenblicke kaum inszenieren. Vor allem in der Mitte des ungefähr 7-9 Stunden langem Actionspiels, erwartet den Spieler auf einer Baustelle eine der unvergesslichsten Momente von Kane & Lynch, die den Spieler mehr als nur in den Sessel drücken wird, sondern erfreut applaudieren lässt! Da stören die unsympathischen Charaktere umso mehr, vor allem die Tochter Kanes stellt sich als besonders unfreundlich heraus, aus der Handlung heraus nachvollziehbar, dennoch störend und ziemlich ärgerlich. Die Charaktere entwickeln Tiefe im Spielverlauf, als Spieler erkennt man immer neue Facetten der Protagonisten. Da fällt es einfach schwerwiegend auf, das die Charaktere an sich ziemlich unsympathisch sind, der Begriff Anti-Held wird in diesem Zusammenhang schon fast überstrapaziert.

I´m sorry ...

Da ist es doch erfreulich, das sich ein Koop-Modus ins Spiel geschlichen hat, der sich gewaschen hat. Statt via Internet oder Netzwerk sich einen Mitspieler zu suchen, stöpselt man sich einfach ein Gamepad an den PC und kann im Splitscreen mit einem Freund Gegner umnieten, auch mit einem Gamepad lässt sich der Action-Titel hervorragend steuern. Vor allem auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad macht der Koop richtig Laune, denn nun kann man sich absprechen und Feinde gezielt ausschalten. Mit einem Mitspieler zusammen zieht der Spielspaßpegel deutlich an. Wer allerdings, keinen Mitspieler zur Hand hat, für den gibt es noch den Fragile Alliance-Modus, der im Internet sowie auf einer Lan-Party gespielt werden kann. Über diesen Modus kann ich leider nicht berichten, zum Testzeitpunkt gab es einfach keine Server, auf denen man spielen konnte. Deshalb bezieht sich meine Multiplayer-Note allein auf den Koop-Modus.
Wer nach Bildschirmanzeigen suchen will, wird bei Kane & Lynch kaum fündig. Überwiegend ist der Monitor frei von jeglichen Anzeigen, bei neuen Missionszielen blendet sich eine Minikarte ein und der Munitionszähler erscheint nur bei abgegebenen Schüssen. Dadurch kann man sich fast störungsfrei an der Grafik ergötzen, die mit allerlei Details gespickt ist und mit realistischen Animationen aufwartet. Innerhalb von zwei Jahren ist auch Kane & Lynch gealtert, viele Texturen wirken inzwischen matschig, Effekte und vor allem die Explosionen wirken nicht mehr überzeugend, zudem verwendet das Spiel die Weichzeichnereffekte außerordentlich verschwenderisch, die zwar einen leichten Kino-Look über die Szenerie legen, allerdings an vielen Stellen einfach übertrieben sind. Am Sound kann man wenig mäkeln, die Waffen hören sich richtig schön knackig an, die Musik untermalt das Spiel gekonnt an jeder Stelle und die Sprecher sind bis auf wenige Ausnahmen durch die Bank gelungen.

Kane, your father ...

Lässt man die Inszenierung weg, bleibt unter dem Strich ein solides bis überdurchschnittliches Action-Spiel, bei der die Handlung zu viel verborgen hält, die Charaktere mäßig sympathisch sind und die KI sich regelmäßig doof stellt. Dennoch machen die Deckungsgefechte Spaß, der Sound ist über jeden Zweifel erhaben und genügend Abwechslung und Schauplätze werden auch geboten. Addiert man dann allerdings die kinoreife Inszenierung zum Spiel-Konzept, entsteht ein ordentliches, unkompliziertes Action-Spiel, das einige herausragende Momente bieten wird und den Spieler von Anfang bis Ende an den Bildschirm fesselt.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: realistische Animationen, viele Details
  • Sound: tolle Waffensounds, gelungene Synchro, Soundtrack
  • Balance: Heilsystem, stets fair ...
  • Atmosphäre: Inszenierung!, stete Spannung
  • Bedienung: funktionierende Steuerung
  • Umfang: Viele Schauplätze, Splitscreen-Koop
  • Leveldesign: Abwechslungsreiche, originelle Orte
  • KI: sucht Deckung
  • Waffen: nützliche Granaten
  • Handlung: interessante Charaktere, geniale Zwischensequenzen
  • Grafik: Weichzeichner, Texturen, Explosionen
  • Sound: -
  • Balance: ... manchmal zu leicht, Checkpoints
  • Atmosphäre: unsympathische Hauptprotagonisten
  • Bedienung: In-Deckung-Gehen fummelig,Team-Befehle umständlich
  • Umfang: kurze Spielzeit, kaum Ausrüstung
  • Leveldesign: stets linear
  • KI: läuft oft dumm ins Feuer, bleibt regungslos stehen
  • Waffen: Waffen ähneln sich zu sehr
  • Handlung: unbefriedigende Enden, vieles bleibt verborgen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(14)
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