Ein Filmreifer Thriller

Mass Effect war für mich ein Blindkauf. Ich hatte im Grunde nur eine Rezension bei Amazon gelesen, die mich aber vollkommen überzeugt hat. Das Spiel stammt von...

von - Gast - am: 19.07.2009

Mass Effect war für mich ein Blindkauf. Ich hatte im Grunde nur eine Rezension bei Amazon gelesen, die mich aber vollkommen überzeugt hat. Das Spiel stammt von Bioware, der Spieleschmiede, die bereits zwei meiner Lieblingsspiele entwickelt hat: Knights of the old Republic und Jade Empire. Wie konnte ich also zu diesem Spiel Nein sagen?

Einleitung

Die Zukunft der Menschheit sieht recht rosig aus. Nach dem Finden antiker Alientechnologie besitzen die Menschen die Möglichkeit, das uns bekannte Sonnensystem zu verlassen und die wundersame Galaxis zu erforschen. Natürlich dauert es nicht lange und wir treffen auf die ersten Außerirdischen. Nach anfänglichen Problemen werden wir aber Teil einer großen Gemeinschaft und schicken unsere Botschafter zur Citadel, einer gigantischen Raumstation, welche mit Massenportalen (Eine Reisemöglichkeit zur Überbrückung der riesigen Entfernungen) mit dem Rest der Milchstraße verbunden ist.

Doch bevor wir in diese überaus interessante Welt eintauchen können, müssen wir uns zuerst einen Charakter erstellen. Die Möglichkeiten zur Veränderung des Spielcharakters, Commander Shepard, sind groß und meine Schwester, eine eingefleischte Sims 2 Spielerin, hätte hier wohl ihre Freude gehabt. Man kann hier wirklich einige Zeit verbringen und versuchen, ein möglichst vernünftiges Gesicht zu kreiren. Immerhin muss man in so ziemlich jeder Unterhaltung in eben jenes blicken und da kann es schon ärgerlich sein, wenn man sich da am Anfang nicht viel Mühe mit gegeben hat.

Doch die Änderungen des Charakters belaufen sich nicht nur auf Äußerlichkeiten. Auch die Hintergrundgeschichte von Commander Shepard lässt sich anpassen. Ob man nun von einer der Kolonien ist oder auf der Erde geboren wurde, ob man nun ein Kriegsheld ist oder ein skrupelloser Killer, all das verändert den Eindruck, den das Spiel auf den Spieler hinterlässt. Sein es nun kleine Quests, welche mit der Hintergrundgeschichte zu tun haben oder auch einfach nur die Art, wie andere Charaktere auf Shepard reagieren ('Du bist doch der Held des skyllianischen Angriffes? Wow!'). Hiervon war ich wirklich begeistert, man identifiziert sich einfach mit der Spielfigur und taucht in die Geschichte ein.

Die Handlung

An Bord der Normandy, einem experimentellem Schiff der Allianz, der Streitkraft der Erde, startet das Abenteuer. Man befindet sich auf einem Übungsflug nach Eden Prime, einer Vorzeigekolonie der Menschen. Die Crew ist jedoch besorgt. Ein Spectre befindet sich an Bord. Das ist die Elite-Einheit der Citadel und die Tatsache, dass er den Flug begleitet, bedeutet genau eines: Ärger.

So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Spectre mit Commander Shepard unterhält und ihm die wahren Hintergründe seiner Anwesenheit eröffnet: Die Normandy soll einen Sender der alten Rasse bergen, von der auch die Menschheit Ruinen und Technologie auf dem Mars gefunden hat. Außerdem ist das alles ein kleiner Test für Shepard, denn auch er soll als erster Mensch ein Spectre werden.

Natürlich, wie kann es anders sein, läuft es anders als geplant. Ein Notruf von der Kolonie erreicht die Normandy und der kleine Test für Shepard wird zu einem ausgewachsenem Kampfeinsatz. Schnell wird klar, dass Mass Effect keine halben Sachen macht: Schon bei der ersten Auseinandersetzung mit den Geth, einer Roboterrasse, welche seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen wurde, verliert Shepard seinen ersten Soldaten. Dies setzt den Ton, den das Spiel ansetzt: Es ist kein kunterbuntes Kinderspiel, es ist kein Star Trek. In Mass Effect herrscht Krieg und im Krieg sterben Leute.

Soviel erstmal als kleinen Einstieg in die Geschichte. Es fällt früh auf, dass die gesamte Präsentation eher wie ein Film denn wie ein Spiel wirkt. Das ist in meinen Augen klasse. Sowohl die Unterhaltungen wie auch die Zwischensequenzen profitieren davon, alles wirkt lebendiger und verstärkt die unglaublich dichte Atmosphäre.

Die Grafik

Ich hatte mir am Anfang Sorgen gemacht, ob mein Rechner dieses Spiel noch packt. Immerhin ist es jetzt auch schon ein paar Jahre her, seit ich mir den gekauft habe. Umso überraschter war ich, wie flüssig sogar heftige Actionsequenzen laufen, sogar auf hohen Einstellungen. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Die Grafik selber ist klasse. Die Charaktere sehen klasse aus, ihre Gesichter wirken lebendig und ihre Bewegungen überzeugen. Auch die Aliens können überzeugen.

Besonders schön ist die Citadel. Hier wird man beinahe überwältigt von der Schönheit von Mass Effect. Alles ist in Bewegung und scheint zu leben, die Bewohner der Station reden, gehen und ruhen sich aus, die Teiche glitzern und am Horizont ragen Gebäude in die Höhe. Wirklich fantastisch.

Allerdings muss ich auch hier direkt mal ein wenig Kritik anbringen: Nach dem Einsatz auf Eden Prime verbringt man viel Zeit auf der Citadel. Zu viel, wie ich finde. Klar, die Station ist wunderschön und auch wirklich interessant, aber diesen Abschnitt des Spiels hätte man wirklich etwas schlanker gestalten können.

Umso schöner ist es dann, wenn man die Station endlich verlassen kann und die Galaxis bereist. Dies funktioniert über eine Karte der Milchstraße, welcher in der Normandy vorhanden ist. Hier wählt man sein Ziel aus, erfortscht fremde Planeten und erhält weitere Nebenquests. Die anderen Planeten sind, ähnlich wie die Citadel, hübsch gestaltet.

Der Sound

Die Synchronsprecher machen eine richtig gute Arbeit. Alle wichtigen Charaktere sind klasse vertont und es macht Spaß, Dialoge zu führen und mit anderen zu sprechen. Auch die Nebencharaktere sind gut besetzt und überzeugen auf der ganzen Linie. In der gesamten Spielzeit habe ich keinen Moment erlebt, wo ich mir dachte, dass eine Stimme vollkommen unangebracht ist.

Die Effekte sind auch gut. Zumindest auf meinen Kopfhörern hat es ordentlich gerummst, wenn neben mir etwas einschlägt. Das macht Spaß, so sollte das sein. Ich hab daran echt nichts auszusetzen.

Eine besondere Erwähnung muss an dieser Stelle mal das Lexikon kriegen. Dieses wird im gesamten Spielverlauf aktualisiert und sammelt Informationen. Es besitzt dann interessante Artikel über die anderen Rassen, über Technologien, über Raumschiffe und viele andere Dinge. Das coole an der Sache ist, dass die Primären Einträge alle vertont wurden. Das gibt von mir direkt mal einen Daumen nach oben.

Das Spiel

Ähnlich wie bei der Grafik war ich auch beim Spielablauf selber skeptisch. Ein Rollenspiel mit einer Shootersteuerung? Konnte das funktionieren? Hatte man als erfahrener Ego-Shooter Spieler nicht vielleicht zu viele Vorteile und als leidenschaftlicher Rollenspieler Nachteile? Wie es sich heraus stellen sollte, waren meine Zweifel umsonst.

Im Spiel wird man von 2 Kameraden begleitet, welche einem im Kampf helfen. Die Kämpfe laufen überaus taktisch ab, auch auf dem normalen Schwierigkeitsgrad. Wer einfach nur rumsteht und ziellos rumballert hat keine Chance, die Schilde reichen nur für ein paar Schüsse und sobald die runter sind, heißt es schnell neuladen, denn die Lebenspunkte selber können auch schnell weg sein.

Also ist Deckung suchen angesagt. Mit Strg duckt man sich, presst sich an eine Wand und wartet auf eine Gelgenheit, ein paar Salven auf die Gegner abzufeuern. Die anderen Leute aus Shepards Team machen ihren Job größtenteils ganz vernünftig. Man kann ihnen, sobald man das Spiel per Leertaste gestopt hat, einzeln zuweisen, wo sie hin und was sie tun sollen. Ich fand dies aber zu umständlich und aktivierte im Menü das aktive Benutzen von Fähigkeiten. Fortan benutzten meine Helfer ihre Talente im Kampf eigenständig und dies auch noch sinnvoll. Spieler, welche gerne das Kampfgeschehen ganz alleine kontrollieren möchten, sollten hier das aktivieren von Fähigkeiten ausschalten.

Allerdings ist die KI nicht perfekt. Hier und da erleben meine Kameraden mal Aussetzer und gehen einfach nicht in Deckung. Stattdessen bleiben sie einfach mitten im Feuer stehen und lassen sich bereitwillig abschlachten. Auch von Hand lassen sie sich dann nicht immer überzeugen, ihren Kopf gefälligst unten zu halten. Die Gegner sind von solchen Problemen zum Glück (Oder Unglück, wie mans nimmt) größtenteils verschont und stellen sich ziemlich intelligent an. Gegner mit Maschinengewehr bleiben hinten und geben Sperrfeuer, Gegner mit Schrotflinten nutzen ihre Chance und überrennen Shepard uns seine Mitstreiter.

Damit man hier nicht absolut Chancenlos ist, gibt es die Biotiktalente. Mit Hilfe von Implantaten ist es möglich, einigen Charakteren besondere Fähigkeiten beizubringen, welche ähnlich arbeiten wie die Macht in KotoR. So könnte ich dann zum Beispiel den Gegner mit der Schrotflinte, welcher auf mich zugelaufen kommt, einfach mithilfe von 'Heben' von den Beinen heben und zusehen, wie er hilflos in der Luft taumelt und ein einfaches Ziel für mein Team abgibt.

Biotik erlernt man, genau wie alle anderen Talente, mit einem Levelaufstieg. Jede der 6 Charakterklassen hat ihren eigenen Fähigkeitenpool und kann auf andere Talente zugreifen. Ein Soldat kann zum Beispiel alle 4 Waffen (Pistole, Maschinengewehr, Scharfschützengewehr und Schrotflinte) meisterhaft beherrschen und viele Lebenspunkte haben. Mein Frontkämpfer kann zwar nur den Umgang mit Pistole und Schrotflinte lernen, hat dafür im Gegenzug Zugriff auf Biotiktalente, welche dem Soldaten verschlossen bleiben.

Das Erforschen anderer Welten erfolgt mithilfe des Makos, einer Mischung aus Panzer und, nun, einem Mondfahrzeug. Man sucht Planeten nach Anomalien ab, findet seltene Rohstoffe und erfüllt auch ein paar Nebenquests. Diese sind von der Geschichte her zwar überaus interessant, leiden aber zu einem Großteil unter einem Problem: Die Gebäude sind praktisch gleich.

Egal, wo mich mein Quest hinführt: Der Raum, indem ich Kämpfe, das Gebäude, das ich erfosche und die Ausgrabungsstätte, die ich zurück erobere, all diese sind mir bereits begegnet und unterscheiden sich nur maginal von den anderen Räumen. Es gibt eigentlich nur drei oder vier verschiedene Räume, welche immer nur ein wenig verändert wurden. Großes Minus an dieser Stelle. Auch die Tatsache, dass man seinen Mako nicht verbessern kann stößt bei mir auf Unverständnis. Hier hätte man noch eine Menge mehr rausschlagen können.

Auch ist man nicht wirklich frei in der Auswahl seiner Mitstreiter. Je nach der eigenen Klassenwahl muss man die anderen Kämpfer anpassen. Als Frontkämpfer habe ich keinen Zugriff auf die Fähigkeiten 'Dechiffrierung' und 'Elektronik', welche nötig sind, um mit Hilfe eines kleinen Minispiels verschlossene Kisten zu öffnen oder abgestürzte Sonden zu bergen. Also muss ich Charaktere ins Team nehmen, die eben diese Fähigkeiten haben und zwar das gesamte Spiel über, da ich ja immer wieder über Dinge stolpere, die ich öffnen oder bergen muss. Für manche mag das okay sein, ich persönlich fand das aber eher nervig.

Apropos Nervig: Die Itemflut ist unglaublich. Nach einem Feuergefecht kann es schonmal sein, dass man über ein dutzend neue Upgrades im Inventar hat, wovon man vielleicht eines, meistens aber keines gebrauchen kann. Ich konnte diesem Übermaß an Objekten nichts abgewinnen. Natürlich ist es nützlich, seiner Waffe giftige Munition zu geben oder seinem Anzug eine medizinische Ausrüstung zu verpassen. Aber könnte man hier nicht ein paar mehr Komfortfunktionen haben?

Zum Beispiel einen Filter, der anzeigt, welches der geschätzten 40 Upgrades im Inventar bessere Werte hat als mein aktuell eingebauten. Das hätte sehr vieles sehr viel einfacher gemacht und auch Zeit gespart. So bleibt einem nur das mühsame Suchen von Hand, welches unheimlich Zeitverschlingend aber nötig ist, wenn man möglichst gut ausgerüstet sein will. Nebenbei stört es mich auch, dass das die Ausrüstungsnamen irreführend ist. So bestehen alle Items im Spiel aus einem kombiniertem Namen, beispielsweise Sensentier III. 'Sensentier' ist hier der Produktname, 'III' die Entwicklungsstufe. Dadurch ist Sensentier V besser als Sensentier III. Trotzdem kann es sein, dass Bett III besser ist als Sensentier V. Das ist wirklich verwirrend und macht das suchen nach guter Ausrüstung nochmal schwerer, nicht zuletzt deshalb, weil das Itemmenü auch noch unnötig kompliziert und unübersichtlich gestaltet wurde.

Fazit

Wie bereits mehrmals gesagt, das Spiel hat mich sehr überrascht. Trotz meiner anfänglichen Zweifel am Spielsystem fesselte mich die spannende Geschichte und die interessanten Charaktere. Zwar ist das Spiel natürlich nicht perfekt, aber Fans von KotoR oder auch Jade Empire können dem Spiel nochmal 5 Punkte auf die Wertung drauf rechnen, einfach als Fanbonus.

Ich kann dieses Spiel ohne Einschränkung weiter empfehlen. Wer wert auf einer gute Geschichte legt und trotzdem auch Action sehen will, ist mit Mass Effect auf dem richtigem Weg.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Atemberaubende Grafik
  • Sound: Wunderbare Synchronsprecher, Gute Effekte
  • Balance: Viele Schwierigkeitsgrade, faire Gegner
  • Atmosphäre: Filmreife Umsetzung
  • Bedienung: Steuerung des Charakters läuft reibungslos
  • Umfang: Große Gebiete, mehrfahches Durchspielen
  • Quests/Handlung: Spannende Handlung, Quests interessant
  • Charaktere: Durchweg interessante Persönlichkeiten
  • Kampfsystem: Überzeugende Mischung aus Action und Rollenspiel
  • Items: Viele Gegenstände zum Upgraden
  • Grafik: /
  • Sound: /
  • Balance: Stellenweise stellen sich Begleiter dumm an
  • Atmosphäre: /
  • Bedienung: Menüsteuerung unnötig kompliziert
  • Umfang: /
  • Quests/Handlung: Handlungsorte der Quests wiederholen sich
  • Charaktere: /
  • Kampfsystem: Durch die KI stellenweise umständlich
  • Items: Stark übertriebene Itemflut

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
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