Potential verschenkt

Desorientiert und angeschlagen durchsuchen wir unseren Rucksack. Die Schmerztabletten sollten zumindest die Verletzungen die wir erlitten haben, vorerst...

von adrony am: 23.01.2014

Desorientiert und angeschlagen durchsuchen wir unseren Rucksack. Die Schmerztabletten sollten zumindest die Verletzungen die wir erlitten haben, vorerst ruhigstellen. Doch das ist nicht unser größtes Problem. Wir befinden uns mitten im Wald, weit abgeschlagen von der nächsten Stadt, unser Wagen nur noch ein rauchendes Wrack. Die panische Flucht, und überhöhte Geschwindigkeit hatten zur Folge, dass wir mit den Wagen einen Felsen rammten, das Auto sich überschlug und funktionsunfähig machte. Es grenzt an ein Wunder, dass es mich und meinen Gefährten Ed, nicht das Leben gekostet hat. Wir haben uns gerade einige Meter von dem Wagen entfernt, als es passiert. Mit einem gewaltigen Knall fliegt der Wagen in die Luft. Panisch blicken wir uns um. Es vergeht keine Minute da erscheinen sie, Zombies. Unmengen von ihnen, kommen von allen Seiten angeströmt, die Explosion hat sie aus ihrem Wachkoma gerissen. Ed und ich verteidigen unser Leben bis zum Äußersten, doch die Kampfgeräusche locken eine Horde nach der anderen an, uns bleibt nur die Flucht. Gerade als ich glaube einen Großteil abgehängt zu haben, stören markerschütternde Hilferufe meinen zart aufkeimenden Optimismus. Ed wurde von einer gewaltigen Zahl an Untoter überwältigt. Die restliche Munition in meiner Schrotflinte reißt zwei der gefräßigen Bestien in Stücke, doch es sind zu viele.Wie ein Berserker kämpfe ich mich zurück zu dem nach wie vor schreienden Kumpanen. Ein zwickendes Gefühl in der Magengegend lässt mich innehalten, gerade hat sich die Horde voll und ganz auf den unglücklichen Ed gestürzt. Die Chance um zu flüchten, warte ich zulange, bin ich auch geliefert. Gerade als mir dieser Gedanken kommt gibt es eine zweite Explosion, wieder ein Auto? Nein, unser Kamerad Ed ist wie aus dem nichts in die Luft geflogen und hat alle Zombies gleich mit sich gerissen.

Bitte was fragen Sie sich an dieser Stelle und blicken leicht desillusioniert drein? Da sind Sie nicht alleine. Willkommen im Staat des Zerfalls, besser bekannt als State of Decay.

 

Aber fangen wir vorne an. State of Decay nennt sich jener Indie Titel, der gerade große Wellen schlägt, und International die Herzen von Survivalzombiegame Liebhabern, oder wie man das nennt, höher schlagen lässt. Grund genug für mich diesen Titel bei Steam runterzuladen und anzuspielen.

Zu Beginn des Titels wird der Spieler, ganz ohne aufwändig inszenierte Hintergrundgeschichte, in die Welt von State of Decay geschmissen. Das erste Bild das sich uns bietet ist oben genannter Ed, wie er mit einigen Zombies zu ringen hat. Nur mit einem schweren Ast bewaffnet eilen wir Ed zu Hilfe. Dabei verlassen wir uns bei der Klopperei ganz auf wildes Tastengehämmer, um mit der provisorischen Keule, die Matschhirne zu noch mehr Matschhirn zu verarbeiten. Dabei fällt früh auf das es in State of Decay seltsam schwer ist zu Sterben. Die Charaktere halten recht viel aus, und selbst eine Zombieattacke, bei der einem Charakter von hinten in den Hals gebissen wird, ist noch lange nicht tödlich. Doch trotz der simplen Steuerung fühlen wir uns erst mal wohl. Es rumst ordentlich wenn die Nahkampfwaffe den heraneilenden Ungetümen die Schädel von den Schultern prügelt und sofort hätten wir am liebsten Lust, noch weiteren Zombies nachzujagen, doch erst mal muss die Situation observiert werden. Wo kamen diese Dinger überhaupt her, waren das verwandelte Menschen, oder Untote die aus ihren Gräbern stiegen? Nicht genau zu sagen, aber auch nicht wichtig. Wer braucht denn eine übers Bein gebrochene Geschichte, warum oder wie die Zombies das ganze Land innerhalb von wenigen Tagen annektieren konnten. In einer nahe gelegenen Hütte, entdecken wir weitere Überlebende, die uns auch prompt eine Aufgabe geben. Die Umgebung muss ausgekundschaftet werden, Vorräte müssen gesammelt werden, und Munition aufgestockt, schließlich herrscht die Apokalypse und die will mit Vorsicht genossen werden. Wir machen uns also auf den Weg und besorgen alles wonach gefragt wird, dabei entledigen wir uns dem einen oder anderen Menschenfresser und befreien eine in Bedrängnis geratene Dame. Die junge Frau nennt sich Maya Torres und schließt sich auch gleich unsere kleine Gruppe an. Hier erfahren wir zum ersten Mal einen der wichtigsten Kniffe des Titels. Wir sind nämlich dazu in der Lage, von diesem Moment an Maya als spielbare Figur zu nutzen. In einem aufrufbaren Journal können wir außerdem nachlesen, um wen es sich bei Maya genau handelt, und welche Fähigkeiten sie hat. Gleiches gilt natürlich auch für den Rest der Gruppe. So erfahren wir beispielsweise das Maya eine ehemalige Soldatin ist, die aufgrund dessen, super Kämpfen und Schießen kann. Diese Fähigkeiten steigen je nach Anwendung, immer weiter auf, wobei manche Spielfiguren bestimmte Fähigkeiten schneller aufrüsten als andere. Die Vorteile die sich hieraus jedoch erschließen sind nicht immer ganz eindeutig. So ist ein kämpferisch, perfekt ausgebildeter Charakter nicht so spürbar besser, wie er sein sollte. Die Zombiehorden lassen sich auch mit wenigen Skillpunkten effektiv bekämpfen. Hier wird die Chance verschenkt, die Charaktere sich spielerisch voneinander unterscheiden zu lassen. Das einzige Attribute welches einen Charakter in einem spürbaren Maße verbessert, ist die Ausdauer. Diese Anzeige ist auch außerordentlich wichtig, denn alle Aktionen die wir benötigen um erfolgreich in der Zombieapokalypse zu überleben, kosten Ausdauer. Ob wir sprinten, klettern oder uns im Nahkampf befinden, all diese Aktionen wirken sich auf die Ausdauer, und damit darauf aus, wie effektiv die Charaktere zuschlagen oder agieren. Dabei können spannende Situationen entstehen, vor allem wenn noch ein Rucksack mit wichtigen Vorräten ins Spiel kommt. Wenn dem Charakter auf halben weg die Puste ausgeht, während er von einem Dutzend Zombies gejagt wird, dann überlegt man es sich zweimal ob diese Vorräte so wichtig sind, um die zusätzliche Belastung auf sich zu nehmen. An dieser Stelle bekommt auch die Möglichkeit die Charaktere zu wechseln Bedeutung. Denn eine Spielfigur verliert an maximal Ausdauer, je länger sie sich in Aktion befindet. Mit anderen Worten: sie wird müde. So geben wir Maya, Ed oder den anderen Überlebenden die Chance, sich auszuruhen, wenn die Ausdauerleiste zu niedrig wird, und suchen in derzeit mit einem anderen Charakter weiter nach Vorräten. Doch Moment, andere Überlebende? Es gibt nicht nur die Drei Spielfiguren? Allerdings, und das ist auch gut so, denn bei State of Decay gibt es solch banalen Designelemente wie „Respwan“ oder „Neustart“ nicht. Wer hier stirbt, bleibt es auch. Stirbt eine Spielfigur, wechselt der Spieler automatisch in die nächste, danach ist es ihm nur noch möglich das Hab und Gut des gescheiterten Kameraden aufzusammeln, und zurück in die Basis zu bringen. Hierdurch bekommt State of Decay eine erfrischende Eigendynamik, welche jedoch an zwei hakeligen Designelementen scheitert. Dadurch das die Charaktere sich nie spürbar unterscheiden und keinerlei Persönlichkeit haben, ist es uns relativ wurscht wenn einer der Überlebenden sich entscheidet, lieber kein Überlebender mehr zu sein. Die Skillfähigkeiten rüsten die Charaktere nicht stark genug auf, als das es uns wehtun würde, wenn unser vollgeskillter Supermann in zwei Stücke gerissen wird. Außerdem werden nachfolgende Charaktere relativ schnell genauso „gut“. Die Fähigkeiten steigen schnell, und machen dadurch den eben verstorbenen Supermann bereits wieder vergessen. Die Frage wo sich diese ganzen Überlebenden denn rum treiben, führt zu einem weiteren Spielelement, das State of Decay von anderen Survivalspielen unterscheidet. Kurz nach der Einleitung an der Waldhütte, treffen wir weitere Überlebende, welche eine verlassene Kirche als Basis nutzen. Dort werden wir Teil dieser neuen Gesellschaft, und arbeiten von nun als Gruppe. Wir tragen nicht nur dafür sorge, dass alle Gruppenmitglieder wieder Heil zu Hause ankommen, auch an der Heimatfront gibt es immer wieder Aufgaben zu erledigen. Denn je mehr Menschen wir für unsere kleine Kommune begeistern, umso mehr Mäuler wollen auch gestopft werden. So gilt es immer genug Vorräte aufzutreiben, und die Moral hoch zu halten. Hierfür nutzen wir die offene Welt, um verschiedene Städte und Häuser zu durchkämmen. Immer auf der Suche nach benötigtem Material, um die Basis aufzurüsten, Essen zu kochen oder Waffen zu ergattern. Wird die alte Basis zu klein, oder gehen die Vorräte in der nächstgelegenen Stadt aus, gibt es auf der großen Map genug andere Punkte, an denen neue Heimatorte oder Außenposten festgelegt werden können. Ab und zu kommt es auch zu Scherereien unter den Überlebenden. Diese Wortgefechte werden uns allerdings immer nur in Textfenstern angezeigt, solange sie nicht teil der Story sind. Außerdem haben diese Events keine wirklichen Auswirkungen auf die Charaktere, sondern drücken lediglich auf die Moral der Gruppe. Hinzukommt, dass sie sich, wie auch bei den verschiedenen Moral- oder Handelsmission, häufig wiederholen und damit beinahe bedeutungslos werden. Wer hier mit einem Gruppendynamischen Abenteuer voller Zwiespalt, Verrat und Misstrauen alla the Walking Dead rechnet, wird enttäuscht werden. Menschliche Konflikte gibt es weder innerhalb der eigenen Gruppe, noch mit den nahe liegenden anderen Gruppen. Nach und nach verlieren auch die Zombiehorden, trotz Elitezombies und Permadeath, ihren Schrecken. Das bringt mich zu dem, meiner Meinung nach größten Design Fehler, des ganzen Spiels. Die Autos. Diese Alltagsgegenstände werden in State of Decay zur absoluten Massenvernichtungswaffe. Nicht nur das sie eine Unmenge an Zombies einfach platt walzen, was gar nicht mal so unwahrscheinlich ist, nein, sie sind auch noch jederzeit zugänglich. Überall stehen verteilt Autos, die von allen Problemlos wie in GTA einfach bestiegen und genutzt werden können. Recht hat der, der hier fragt: Aber Moment, brauchen Autos denn keine Benzin? Anscheinend nicht in der Apokalypse. Und kann denn Jedermann einfach mal so ein Auto knacken und kurzschließen? Allerdings.

Wo bleibt der Nervenkitzel wenn ich mich, nur mit einer Axt bewaffnet, in ein Zombie verseuchtes Gebiet schleiche, wenn ich weiß, „ach, wenn es nicht klappt steig ich in den nächsten Wagen und fahr sie platt.“   Hier wird das große Potential leichtfertig verschwendet. Wer nicht gerade abseits der Städte sein Wagen zu Schrott fährt, hat selten etwas vor der Untotenplage zu befürchten. Was mich wieder zum Anfang bringt.

 

 Die Explosion Eds ist hierbei ein Sinnbild für meinen Zwiespalt mit State of Decay. Immer wenn ich gerade denke, „Wow, wie mit so einfachen Mitteln, Spannung und Atmosphäre erzeugt werden kann.“, passiert so was. Wieso fliegen Gefährten die gestorben sind einfach in die Luft, und entreißen mir damit die Entscheidung, ob ich fliehen soll solange ich kann, oder versuche ihn noch zu retten? Warum sind die Autos jederzeit nutzbar? Wär es hier nicht spannender und sinnvoller gewesen, manche Autos erst nach einiger Zeit starten zu lassen oder unter Umständen auch mal gar nicht? Warum wird sich an einer Stelle Zeit genommen, einem eingeschüchterten Gefährten wieder Mut zu machen, und auf der anderen Seite, wird dieser Missionstyp so oft, teilweise zweimal hintereinander, wiederverwertet, dass die Aufgaben emotional absolut bedeutungslos werden. Wieso halten die Helden so unfassbar viel aus, dass es schon fast eine Kunst ist, überhaupt drauf zu gehen, obwohl ich doch sowieso einen neuen Charakter bekomme? Hätte es an dieser Stelle nicht geholfen gnadenlos zu sein und Charaktere auch mal unvorhergesehen überrannt werden zu lassen?

 Ich würde State of Decay gerne mögen, doch es verschenkt so viel Potential dass ich mich immer wieder drüber ärgere. Hoffentlich nutzen in Zukunft andere Spiele das System aus Permadeath und Charakterwechsel häufiger, nur dann eben besser.

 


Wertung
Pro und Kontra
  • Große, offene Welt
  • Ausgefeiltes Ressourcen Management
  • Spieler sorgt für eine ganze Gruppe. nicht nur für sich selbst
  • Cooles System aus Permadeath und Charakter wechsel
  • Ausdauersystem sorgt für Spannung
  • Charakterlose Spielfiguren
  • sich schnell wiederholende Tagesaufgaben
  • Zu viele Überlebenschancen bei einem Zombieangriff
  • Aufrüstung der Heimatbasis nicht Ausschlaggebend
  • Autos zu mächtig, trotzdem jederzeit Nutzbar
  • 08/15 Zombiestory

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(3)
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