Das 4X Spiel der nächsten 20 Jahre

Da haben wir diesen Space-Pandas waffenunterstützt nach amerikanischem Vorbild die Demokratie, oder zumindest eine Theokratie, gebracht und schon fordern...

von Tsabotavoc am: 19.05.2016

Da haben wir diesen Space-Pandas waffenunterstützt nach amerikanischem Vorbild die Demokratie, oder zumindest eine Theokratie, gebracht und schon fordern Separatisten bei der nächsten Wahl deren Unabhängigkeit? Undankbare Pelztiere! Sicherheitshalber werde ich wohl meine PSI-Kommandosoldaten auf dem Planeten stationieren. Zeitgleich muss ich aber den Vasallen im Norden meines Reichs im Auge behalten der nach wie vor illoyal ist und bedenklich viele Kampfschiffe baut. Und zeitgleich muss ich diplomatisch die Klinke putzen um in diese Allianz reinzukommen...

Stellaris gibt dem Spieler die Kontrolle über ein interstellares Imperium. Dabei geht es ungewohnte Wege abseits der ausgelutschten Master of Orion Klone. Und wird kurioserweise ausgerechnet dadurch zu einem würdigen Erben für den Großvater der Weltraumstrategie.

 

Groß, größer, Stellaris

Stellaris verfolgt einen einfachen Ansatz: Mehr! Mehr Planeten, mehr Rassen, mehr Technologien, mehr Forschung, mehr von allem. Das klingt im ersten Moment logisch, ist aber wie man bei vielen anderen 4X Spielen der letzten Monate und Jahre sehen musste alles andere als leicht umzusetzen.

 

 Stellaris ist mit Sicherheit nicht das einfachste 4X Strategiespiel zur Zeit. Mit Garantie ist es aber eines der ausgefeiltesten. Wir rittern mit bis zu 39 anderen Rassen um bis zu 1000 Sonnensysteme. Während andere Spiele sich hier in endlosem Mikromanagement verlieren behält man bei Stellaris stets den Blick aufs große Ganze. Denn wirklich kontrollieren können wir nur eine Hand voll Planeten die direkt unserer Regierung unterstehen. Wenn wir zu viele Planeten haben müssen wir diese in Sektoren zusammenfassen. Sektoren werden von der KI kontrolliert und sind ähnlich wie die britischen Kolonien: Sie arbeiten nach unseren Vorgaben weitestgehend autonom und zahlen Steuern an unsere Zentralregierung von der wir wiederum Raumhäfen bauen, Forschungsstationen unterhalten und unsere Raumflotte finanzieren.

 

Eine Galaxie voller Wunder

Dabei lässt mich Stellaris auch nach mittlerweile 50 Spielstunden immer noch staunen. So habe ich in meinem aktuellen Spiel eine Ringwelt entdeckt die wohl eine Art intergalaktischer Zoo ist. Sanctuary erinnerte mich sofort an den Roman „Das Kosmotop“ und ich kann es kaum erwarten die Wunder dieser, offensichtlich unter einer Fehlfunktion leidenden, Welt zu erkunden. Aber auch ansonsten steckt in Stellaris unglaublich viel Liebe fürs Detail: Das Universum steckt voller neutraler Rassen und Orte. Mal hat ein Söldner vor 20.000 Jahren aus Langeweile seine Lebensgeschichte mit Massenbeschleunigern in einen Felsen geschossen. Dann findet man eine antike Werft von einer uralten Zivilisation.

Und spätestens wenn wir mit den gefallenen Reichen, uralten, mächtigen Imperien im Stadium des Verfalls, zu tun haben wird klar: Unsere Zivilisation war nicht die erste und wird auch nicht die letzte sein.

Mit ein Grund warum wir nicht die letzten sind kann natürlich auch das Forschen an Dingen sein von denen wir besser die Finger lassen. Wer zum Beispiel der Meinung ist einer KI zusätzlich ein echtes Bewusstsein zu verpassen darf sich nicht wundern wenn sich sein Geschöpf gegen ihn wendet. Überhaupt lässt uns Stellaris sehr oft mit dem Feuer spielen.

So finden wir immer wieder Pre-FTL Spezies. Wie wir mit diesen umgehen bleibt ganz uns überlassen. Beobachten wir sie aus der Distanz und greifen einen kleinen Forschungsbonus ab? Oder greifen wir lieber zur southparkschen Analsonde um bei der Erforschung so richtig in die Tiefe zu gehen? Wir können uns aber auch als wohlwollende Gönner geben und die Rasse langsam aber sicher ins Raumfahrtzeitalter bringen worauf diese, mehr oder weniger treue, Vassallen unseres Imperiums werden.

 

Sie wurden geXCOMed!

Alternativ können wir diese mickrigen Würmer die wertvollen Siedlungsgrund für unsere erhabene Rasse beanspruchen auch einfach XCOMen. So spaßig XCOM auch ist: Wenn auf einer Industriewelt plötzlich PSI-Kommandos mit Hunterkillern landen dann walzt man die platt wie ein russischer T-92 Panzer ein französisches Softeisgeschäft.

Apropos XCOM: Mit der können wir es auch zu tun bekommen. Wenn die Zivilisation weit genug fortgeschritten ist gründen sie eine Abwehrorganisation die sich unserer Invasion bzw. Erforschung in den Weg stellen soll. Spaßig!

Was klar sein muss: Stellaris gibt uns viele Möglichkeiten, hat coole Ereignisketten und fühlt sich wirklich episch an. Selbst nach 50 Spielstunden wird man immer wieder aufs neue überrascht. ABER: Die Darstellung findet abseits der Weltraumschlachten größtenteils durch Icons und Textwände statt. Auf das muss man sich einlassen können. Wer erwartet jedes Gebäude auf einem Planeten zu sehen und seinen Marines beim Bodenkampf über die Schulter zu gucken wird enttäuscht. Apropos Planeten: Der Planetenausbau hat mir besonders gut gefallen obwohl, oder gerade weil, er sehr simplifiziert dargestellt wird ohne jedoch an Optionen missen zu lassen. 

 

Hier ist tatsächlich, ziemlich erstmalig in einem 4X-Spiel, alles in einem Blick. Die gelben Dreiecke deuten darauf hin das etwas mit unseren Jurg-Qoleath-Bewohnern gar nicht stimmt.

Die Balken unter den einzelnen Siedlern zeigen uns deren aktuelle Stimmung sowie den Baufortschritt etwaiger Gebäude an.

Die Kristalle, Zahnräder und sonstige Symbole zeigen die natürlichen Ressourcen des Planeten an. Hier sollten wir klug bauen: Bauen wir beispielsweise eine Farm auf ein Feld welches uns Mineralien und Bodenschätze liefert verlieren wir die Bodenschätze. Daher sollten wir Farmen idealerweise auch auf Farmfeldern bauen.
Die rot eingerahmten Gebiete kennzeichnen Territorium auf dem Planeten das wir vorher freiräumen müssen bevor es nutzbar ist. Wenn wir beispielsweise die garstig aussehenden Tatzenkatzenteufeltiere von dem Energie/Mineralienfeld bekommen wollen müssen wir erst die Antitatzenkatzenteufeltier-Technologie erforschen und es dann gegen teuer Geld bereinigen lassen.

Zusätzlich können wir die Effizienz von Planeten mit Gouverneuren und Erlässen verbessern. Um hier die Stimmung auf der Kolonie nicht ins Bodenlose fallen zu lassen habe ich einen die Zufriedenheit steigernden Gouverneur abkommandiert und ein Propagandaprogramm gestartet.

Das sind effektive Mittel die uns zur Verfügung stehen aber wir müssen sie mit Bedacht einsetzen: Denn die Anzahl an Anführern über die unser Imperium gebieten kann ist limitiert. Erlässe wiederum kosten uns Einfluss der sich nur quälend langsam steigert.

 Doch so vorbildlich wie die Kolonieführung auch ist: An anderer Stelle patzt Stellaris leider ziemlich. Ein Beispiel: Wer das Tutorial in Anspruch nimmt, was man dringend sollte, hat während des Tutorials keinen Zugang zum Outliner. Dieser ist ja auch nur, mal eben so, das wichtigste Organisationstool im Spiel. Viele Menüs sind unnötig verschachtelt. Ein Beispiel? Ich sehe auf der Galaxiekarte nicht wer mit wem verbündet ist. Hierfür muss ich erst unter Kontakte, Diplomatie, die einzelnen Verbündeten raussuchen und diese mühsam auf der Galaxiekarte zusammenklauben. Umständlicher gehts nicht!

Dabei ist die Diplomatie an sich nicht nur super gelungen sondern auch überaus nachvollziehbar aufgebaut.

Die -1000 sind kein gutes Zeichen. Dies steht immer für einen Deal den die andere Seite niemals eingehen wird. Wenn wir über die Zahl fahren sehen wir wie sie zustande kommt. In den Fall einfach deshalb weil wir einerseits keine Verbündeten sind und andererseits keine direkten Nachbarn.

Christen vs. Löwen – Löwen siegen 8 : 0!

Neben Verbündeten können wir andere Reiche auch unterjochen und ins Vasallentum zwingen. Die Unterjochung läuft natürlich über die liebste Nebenbeschäftigung des Menschen. Den Krieg. Wenn wir einem Gegner den Krieg erklären stellen wir unsere Forderungen und der Gegner fügt seine Gegenforderungen hinzu. Nun wird solange gekämpft bis eine der Seiten kapituliert oder der Überlegene Friedensverhandlungen anbietet.

Der Krieg läuft dabei nach Punkten ab: Wenn wir Schlachten gewinnen, Schiffe zerstören und Planeten besetzen steigt unser Zähler. Verlieren wir steigt der Zähler für die andere Partei.

 Je besser wir im Krieg abgeschnitten haben desto mehr unserer Forderungen können wir durchsetzen. Haben wir uns hingegen eine blutige Nase geholt kann es leicht sein das wir als Vasall enden und einen Teil unserer Planeten abgeben müssen. Doch während wir nun in Master of Orion oder Stardrive 2 in einem Rutsch zerpflückt und von der Karte gefegt werden haben wir hier immer noch Chancen zurück zu kommen. Den Krieg führen wir primär im Weltraum mit unseren eigenen, selbst erstellten Schlachtschiffen. Hier lässt es Stellaris so richtig krachen: Trägerschiffe sind genauso möglich wie Torpedokreuzer oder kleine, wendige Korvetten. Die Inszinierung der Schlachten ist dabei schlicht fantastisch.

 

So schön können Raumkämpfe aussehen. Über die taktische Tiefe legen wir aber mal lieber den Mantel des Schweigens. Formationen? Pustekuchen. Genauso wie Zielprioritäten. Die Schiffe fliegen in einer, zugegeben schön anzusehenden, Dreiecksformation in die Schlacht was dazu führt dass der Frontführer von der geballten Feuerkraft des Feindes zusammengeschossen wird. Damit nicht genug: Euch gefallen die Kreuzer oben? Schön. Sie sind nämlich, taktisch gesehen, wertlos. Am sinnvollsten ist es massenweise Korvetten zu bauen da diese jede vergleichbar teure Flotte einfach in Stücke fetzen. Wenn man nun bedenkt das man für Schlachtschiffe immens viel Technologie und eine Stufe 6 Raumstation braucht, für Korvetten aber praktisch gar nichts merkt man: Mit der Balance steht es noch nicht zum Besten.

Für den Solospielermodus ist das aber, zumindest auf Normal, noch nicht so wichtig. Hier kann man seine Flotten ganz mit dem vollstopfen was einem Spaß macht. Und zumindest mir machte es viel Spaß Schiffe zu entwerfen und zu designen.

Eine Frage der Rasse

Zum Abschluss vom Test widmen wir uns noch dem Anfang. Der Rassenerstellung. Hier sammelt Stellaris dann nochmal ordentlich Pluspunkte denn wir können aus Dutzenden verschiedener Portraits, Gesinnungen und Traits wählen um unsere Wunschzivilisation zusammenzuzimmern. Um die Langzeitmotivation am Leben zu erhalten werden zudem nicht nur vorgefertigte Rasssen im Spiel verwendet sondern wir begegnen auch zufällig generierten Rassen! So muss das im Jahr 2016 aussehen! Unten seht ihr ein Beispiel für eine vorgefertigte Rasse und welche Einstellmöglichkeiten ihr unter anderem zur Verfügung habt.

Das ist natürlich nur ein Bruchteil der Möglichkeiten die einem zur Verfügung stehen aber es sollte das Wichtigste abdecken. Habe ich erwähnt das ihr die Namen eurer Anführer im Rassendesigner festlegen könnt? Nein? Dann sollte ich zum Abschluss das vielleicht größte Haar in der Suppe erwähnen.

Die bitteren Pillen

Es gibt im Spiel leider nur zwei Siegbedingungen. Siegbedingung 1: Mach alles platt was nicht bei drei auf dem intergalaktischen Baum ist. Siegbedingung 2: Besiedelt 40% der Galaxie. Ein Sieg durch Diplomatie indem wir zB Ratsherr eines intergalaktischen Senats werden ist schlicht nicht vorhanden. Genausowenig wie ein Forschungssieg möglich ist.

Das wirkt umso befremdlicher da sowohl Forschung als auch Diplomatie der Konkurrenz teils um Jahre voraus ist. Die Entwickler haben allerdings schon eine ganze Reihe von Patches und DLCs angekündigt die hoffentlich an den passenden Stellen ansetzen.

 Doch selbst mit diesen Schwächen, und der eher mangelhaften deutschen Übersetzung, steht für mich eines fest: Wir haben hier das 4X Spiel von dem die Leute in 20 Jahre sagen werden: „Mensch es kann doch nicht sein das ein 20 Jahre altes Spiel noch immer das beste 4X Spiel ist. Warum versuchen alle das Rad neu zu erfinden? Kopiert doch einfach Stellaris und beschränkt euch auf ein paar Grafikupdates. Die Entwickler damals waren Genies und haben sich da schon was dabei gedacht wie sie das machen!“ 


Wertung
Pro und Kontra
  • Großartiger Soundtrack
  • Unglaubliche Atmosphäre
  • Dutzende Sidequests und faszinierende Orte
  • Endgamebedrohungen
  • Ausgefeilte Diplomatie
  • Super Modsupport
  • Toller Soundtrack
  • Bombastische Inszinierung der Raumschlachten
  • Sektorenverwaltung entlastet den Spieler spürbar
  • Dutzende Regierungen und Ethikvorstellungen mit Boni und Mali
  • Abgesehen von den Raumschlachten ist kaum etwas toll insziniert
  • Das Spiel ist sehr verschachtelt und teils unnötig umständlich
  • Im Endgame leidet die Performance etwas
  • Miese Übersetzung
  • Mangelnde Tiefe in den Raumschlachten

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(4)
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