Der Einstieg
Sie werden sich oft hauen in Venetica. Wie das geht, lernen Sie direkt zu Beginn, da weist das Spiel Sie in die leicht zu erfassende Bedienung des Kampfsystems ein. Und das ist alles andere als langweilig, Sie sind nämlich schon mitten drin in der Action, keine Spur von einem abgetrennten, trockenen Tutorial. Unheimliche Assassinen überfallen grade Ihr Heimatdorf, rund um Sie werden Bauern zu Boden geprügelt, Dorfbewohner von Pfeilen durchbohrt, Häuser brennen lichterloh, ein Inferno. Texteinblendungen weisen Sie sanft aber nachdrücklich auf die Möglichkeit hin, einen herumliegenden Prügel aufzuheben und damit eine Tür einzuschlagen, durch die Kampfgetümmel und Feuerschein dringen.
Also flugs geschmeidig mit der linken Maustaste den Knüppel aufgenommen und, wiederum mit der linken Maustaste, die schon in Flammen stehende Tür aus den Angeln gewemst. In der Hütte bearbeitet einer der Assassinen eine alten Mann wie einen Punching-Ball - na warte, Freundchen! Wie vorher die Tür, dellen wir dem Tunichtgut jetzt den ohnehin viel zu hohen Hut ein, das geht einfach und macht Spaß. Zumal jeder Schlag von geschmeidigen Animationen und zischenden Sounds begleitet wird. das gibt uns Selbstvertrauen und wir ruhen nicht eher, bis wir auch den letzten Spitzhut aus dem Dorf geprügelt haben. Selten war ein Einstieg in ein Spiel so einfach und gleichzeitig motivierend wie in Venetica, die erste Stunde macht nicht nur einfach Lust auf mehr, sondern geradezu den Mund wässerig, egal welcher Spieler-Typ Sie sind.
Die Story
Als Sie Ihren gerade beschriebenen Einführungsball mit den Assassinen tanzen, haben Sie schon einiges erlebt. Genauer gesagt macht Scarlett, die Heldin von Venetica, bis dahin und in den nächsten fünf Minuten mehr durch, als so manchem Spielcharakter während seines kompletten Daseins beschieden ist: Ihr Geliebter Benedict will ausziehen, um Heldentaten zu begehen und die beiden haben gerade im Trubel eines Dorffestes eine kuschelige Ecke gefunden, um sich voneinander zu verabschieden. Mitten in die romantische Szene platzen die Assassinen mit Ihrem Überfall, Ben wirft sich in die Schlacht. Scarlett (zu diesem Zeitpunkt noch ganz unschuldiges und ängstliches Mädchen vom Lande) flüchtet über eine brennende Hängebrücke, stürzt hinab, schlägt erst auf einem Dach und dann zwei Stockwerke tiefer auf dem harten Boden des Dorfplatzes auf. Ben sticht ein paar Assassinen nieder, die sich der Verletzten nähern und nimmt Scarlett in seine Arme.
Und dann nimmt die Tragödie Ihren Anfang, die auf mehrfache Art und Weise das Leitmotiv von Venetica ist. Denn es geht um Liebe und Verlust, Leben und Tod und das, was einen während seines Daseins so antreibt. Auch das merken Sie gleich zu Beginn, als Scarlett nach den dramatischen Ereignissen erschöpft in einen komatösen Schlaf fällt und einen wahrlich abgefahrenen Traum träumt. Eine vermummte Gestalt, so steingrau wie die ganze wabernde (Traum-?)Welt um sie herum, behauptet der Tod zu sein - und ihr Vater. Sie, Scarlett, habe eine wichtige Aufgabe, sie müsse nach Venedig, und zwar dalli. Vorher sei aber noch eine Waffe zu besorgen, eine ganz besondere Klinge, mit der man auch im Jenseits töten könne: die Schattenklinge. Schon in diesem ersten Dialog können Sie zwischen verschiedenen Antworten wählen. Hier bekennen Sie sich zu Ihrer Grundmotivation: Sind Sie von Rache getrieben oder leitet Sie die Sehnsucht? Sie entscheiden. Im Verlauf des Spiels erfährt die zunächst schüchterne Scarlett eine Menge über sich und ihre Herkunft und wirkt dabei zunehmend selbstbewusst. Ob sie dabei eher gütig oder brutal vorgeht, entscheiden wiederum Sie.
In der Folge erfährt Scarlett, dass der Traum gar keiner war und alles real ist. Sie ist adoptiert, der Tod ihr wahrer Vater, Scarlett bricht auf ins Abenteuer. Aber Sie kommt nicht weit. Denn auch andere glauben, Bescheid zu wissen. Zum Beispiel kleinkarierte Dorfbewohner, die Scarlett die Schuld an dem nächtlichen Assassinen-Überfall geben. Nur weil sie keine von ihnen und irgendwie fremd ist, lauern ihr die beiden Spießer auf und rammen ihr eine Klinge in den hübschen Leib. Sie als Spieler müssen tatenlos dabei zusehen, denn auch diese Szene hat eine Funktion: Kurz nach Ihrem »Tod« erwacht Scarlett in der grauen Dämmerwelt ihres vermeintlichen Traums. Dank der gewaltigen und mysteriösen Kräfte ihres Vaters kann Sie sich eine Weile lang zwischen den Welten aufhalten und per Mausklick wieder in die Realität zurückkehren.
Die beiden Mörder staunen nicht schlecht, als Scarlett direkt vor Ihnen wieder auftaucht. Und wieder steht eine Entscheidung an: vergeben und Gnade walten lassen oder die beiden fremdenfeindlichen Mörder ihre eigene Medizin kosten lassen? Vier, fünf Hiebe mit der (direkt in der ersten Quest gefundenen) Schicksalsklinge, und die beiden sind von dieser Welt getilgt - und zwar endgültig. Im weiteren Spielverlauf stellt sich heraus, dass eine Verschwörung von fünf mächtigen Herrschern, angeführt von einem irregeleiteten Nekromanten, die Welt der Lebenden und die graue Schattenwelt bedroht. Nur eine Person kann die Bande aufhalten: Scarlett -- und damit Sie.
Die gut erzählte Geschichte ist eine der großen Stärken von Venetica, auch wenn die furios startende Story der Hauptquest später etwas verflacht, ist sie den Handlungssträngen handelsüblicher Action-Rollenspiele weit überlegen.
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