Morrowind in 2018: Ein Gigant wirft weite Schatten

Ich mag ja moderne Blockbuster schon ganz gern, aber allzu oft mangelt es ihnen an spielerischer Freiheit und Tiefe. Das Murren um die steigende...

von Schwubbeldiwubb am: 08.02.2018

Ich mag ja moderne Blockbuster schon ganz gern, aber allzu oft mangelt es ihnen an spielerischer Freiheit und Tiefe. Das Murren um die steigende Massenwirksamkeit von Videospielen hallt ja schon seit mehr als einem Jahrzehnt durch die Foren und Portale und auch ich würde behaupten, dass pure Rollenspiele in der heutigen Triple-A-Sparte quasi ausgestorben sind. Was genau damit gemeint ist, wird im Folgenden hoffentlich deutlich.

Ich musste darüber hinaus feststellen, dass hier ein eklatanter Mangel an Lobpreisung für diesen Meilenstein der Videospielgeschichte herrscht. Dem muss Abhilfe geschaffen werden!

Vorab sei gesagt, dass ich nicht vorhabe mit detaillierten Spielinformationen um mich zu werfen, ich hol eh schon weit genug aus. Wie man seinen Charakter skillt, wer was mit wem zu tun hat und sowieso die halbe Kulturgeschichte von Vvardenfell wurde alles schon woanders tausendmal durchgekaut.

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Aber erstmal auf ein Wort bezüglich Modifikationen...

Dank langjähriger Zusammenarbeit innerhalb der Community kann man Morrowind dermaßen hochpolieren, dass es optisch durchaus mit Oblivion mithalten kann. Außer bei den Charaktermodellen und Animationen, die sind immer noch wie Holz. Aber sei's drum.

Leider ist das Ganze im Gegensatz zu den Nachfolgern, welche mit größeren Communities und optimierteren Tools aufwarten können, keine so einfache Geschichte...
Zunächst mal ist es recht sinnvoll das Spiel in der englischen Game of the Year Edition zu besitzen. Zum einen kringeln sich mir persönlich bei der deutschen Übersetzung manchmal die Fußnägel und zum anderen gibt es für einige nützliche Mods gar keine deutschen Versionen.
Das ist einer der Gründe, warum OpenMW ins Leben gerufen wurde (worauf ich aber erstmal noch ein Weilchen abwarten würde). Ein anderer ist, dass selbst mit optimierten Einstellungen auf heutiger Hardware (wobei mein Rechner schon eher low-end ist) das Spiel ab und an so seine Schwierigkeiten hat, flüssig zu laufen. Deshalb muss man auch eine Weile rumschrauben, bis man zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Ein weiterer Nachteil ist, dass es performance-technisch sehr schlecht für integrierte Onboard-Grafikkarten auf Laptops aussieht.

Des Weiteren würde ich von Komplettpaketen wie MGSO eher abraten. Dieses Overhaul ist mittlerweile auch nicht mehr das jüngste und bringt drastische Veränderungen mit sich, die vom Originalfeeling mitunter stark abweichen. Die Alternativen sind leider nicht ganz so bequem, bewahren aber meiner Meinung nach am besten den ursprünglichen Stil.

Der Morrowind Code Patcher ist allerdings absolute Pflicht. Dieser behebt enorm viele Bugs und Exploits und bringt noch einige andere nützliche Features, die einfach in keinem Setup fehlen dürfen, wie z.B. Swift Casting (Zaubern wie in Oblivion) oder Toggle Sneak.

Lange Rede, kurzer Sinn, wer Morrowind für seine Bedürfnisse und Gegebenheiten modifizieren möchte, der sollte ein bis zwei Tage dafür einplanen. Es ist ratsam sehr präzise abzuwägen, was man lädt, die ReadMe genau zu studieren und Backups von allem anfertigen. Mods, die einem doch nicht so zusagen, später zu deinstallieren kann den Spielstand korrumpieren, was zwar nicht das Ende der Welt, aber ein ziemlicher Krampf in der Reparatur sein kann.
Ich werde auch im Folgenden hier und da mal auf die wichtigsten Plug-Ins eingehen. Aber kommen wir nun endlich wieder zum eigentlichen Thema!

Charaktererstellung und -entwicklung

Was soll man da schon sagen. Das Intro ist kurz und schmerzlos, funktional und trotzdem immersiv. So wird's gemacht.

Einziger Wermutstropfen: Man muss jede Menge Verständnis für das auf Pen&Paper basierende Spielsystem mitbringen. Ich will ja nicht elitär klingen, aber wer sich nicht mindestens das Handbuch oder ein paar Tutorials im Netz angesehen hat, der soll sich nicht wundern, wenn der Char sich wie 'ne Schnecke fortbewegt und nicht mal ein Scheunentor treffen kann.

Nachdem wir also den Schreibkram hinter uns gelassen haben, werden wir mit kryptischen Anweisungen in einem Kaff ausgesetzt, wo Ausländer, wie wir einer sind, auf der Liste der beliebtesten Dinge gleich neben einer gebrochenen Hüfte stehen. Weiter außerhalb sieht's auch nicht viel besser aus.
Es liegt nun im Folgenden an uns, dies zu ändern. Treten wir nämlich Fraktionen bei und erledigen wichtige Aufgaben, so macht das die Runde. Je nachdem, was wir so vollbracht haben, reagieren die NPCs mehr oder weniger freundlich auf uns. Im Gegensatz zu den Nachfolgern hat das bei Morrowind ernsthafte Konsequenzen. Und darin liegt auch ein Großteil der spielerischen Tiefe.
Geraten wir nämlich bei jemandem im Ungunst, weil wir der falschen Fraktion angehören oder das Essen vom Teller geklaut haben, so kann es sein, dass er oder sie (oder es) uns Dienste wie Handel, Training und sogar ganze Questreihen verwehrt. Töten wir einen Questgeber, ist der Auftrag futsch. Hinzu kommt, dass jede Fraktion gewisse Bedingungen an unsere Fertigkeiten stellt, um im Rang aufsteigen zu dürfen.

Der Fantasie bezüglich unseres Fortschritts sind dabei keine Grenzen gesetzt. Vom gewaltätigen Vampirpsychopathen bis zum friedfertigen Mönch, vom gepanzerten Beserker bis zum Zaubersprüche klopfenden Schurken ist die Auswahl, oder viel eher die Zahl der Möglichkeiten und deren Konsequenzen, jenseits von Gut und Böse. Das nenn' ich Rollenspielfreiheit!

Setting und Atmosphäre

Einige Sachen, vor allem die Gegenstände und Teile der Architektur, erinnern etwas an die Maya, den Orient oder asiatische Nomadenkulturen. Ein gewisses westlich-mittelalterliches Feeling kommt auch in den kaiserlichen Siedlungen auf, allerdings war's das dann auch schon mit realen Entsprechungen.
Der Rest entzieht sich irdischen Maßstäben: bewohnbare Riesenpilze, insektoid anmutende Behausungen, fliegende Riesenquallen, seltsame Weichtiere, Reptilien, Rüsselviecher, Droiden und so weiter und so fort... Quasi "Schatten aus der Zeit" im Videospielformat. H. P. Lovecraft lässt schön grüßen.

Zu allem Überfluss spielt das Ganze auch noch auf einer Vulkaninsel, die von Asche- und Peststürmen heimgesucht wird, Magie ist nahezu alltäglich und das Land ist voll bis zum Abwinken mit allerlei politischen und kulturellen Konflikten.
Unser Gehirn liebt Konflikte. Morrowind versetzt uns in ein verstricktes Netz, in dem die zahlreichen internen und externen Auseinandersetzungen des Spielers mit sich und der Welt nicht nur miteinander, sondern auch in gameplay-technischer Hinsicht verknüpft sind. Das, meine Freunde, ist World Building vom allerfeinsten!

J. R. R. Tolkien hätte den Hut gezogen vor einer derart ausgereiften High-Fantasy, die so gar nicht tolkiensch ist. Im Gegensatz dazu fühlt sich Morrowind eher morbide, obskur und dennoch pittoresk an, einfach ungemein erfrischend angesichts einer ansonsten so erdrückenden Menge an 08/15-Fantasy von der Mittelalterstange!

Die einzigen Sachen, die mir hier negativ aufstoßen, sind die Unbeweglichkeit der NPCs, welche über keinen Tagesrhythmus verfügen, und der eklatante Mangel an Bedürfniseinrichtungen in Vvardenfell.

Technik und Sound

Wohl das heißeste Eisen in der ganzen Debatte... Und ich brauch' wohl kaum zu erwähnen, dass man in der Hinsicht um Mods kaum drumrum kommt.
Sieht Morrowind 2018 noch zeitgemäß aus? Nicht wirklich. Spielt das eine Rolle? Nö. An der künstlerischen Umsetzung kann der Zahn der Zeit nämlich nagen so viel er will.
Die Weltmodelle sind für heutige Ansprüche wohl etwas polygonarm, allerdings mit viel krummen Formen, asymmetrischen Gebilden und Charme versehen, was das Ganze nichtsdestotrotz organisch und interessant gestaltet.
Für alles weitere kann ich gar nicht anders als auf vier essentielle Modding-Aspekte hinzuweisen...

Numero uno: Der Morrowind Graphics Extender (XE).
Als ich dieses Tool zum ersten mal gesehen hab, dacht ich, ich spinne. Die Liste der Features ist einfach sagenhaft und zu gut, um wahr zu sein: Breitbild-Support, Field of View-Einstellung, Echtzeitschatten für Objekte, enorme Weitsicht mit angepassten Objekten, animiertes Gras, Wasserbrechungen und -reflexionen, die sogar Skyrim alt aussehen lassen, überarbeitete Beleuchtung und Nebel, sowie ein kompletter Shader-Editor mit eigenen Presets, darunter Bloom, HDR, SSAO, Sonnenstrahlen, Unterwassereffeke und einige mehr, wenn man die Geduld aufbringt selbst im Netz zu suchen, wie in meinem Fall FXAA und Desaturation (Gras und Beleuchtung sind häufig ein Müh zu grell).
Der Schwachpunkt ist hier wieder, dass man eine Weile braucht, um mit den Einstellungen klarzukommen. Ein beträchtlicher Teil des Moddingaufwands geht ins Feintuning von Gras, Sichtweite und Shadern, da alles nicht nur optisch, sondern auch technisch harmonieren sollte.

Und so kommen wir auch zum zweiten Aspekt: Mehr Objekte.
Bei der heutigen Rechentechnik bietet es sich nämlich durchaus an, die Städte und Landschaft schön mit Objekten vollzukleistern. "Morrowind Rebirth" (mit benutzerdefiniertem Gras-Generator) erledigt diesen Job meiner Meinung nach am besten. Die Städte fühlen sich "städtischer" an und die Landschaften lebendiger, ohne dabei irgendwie aufgesetzt zu wirken.

Aspekt Nummer drei: Texturen.
Ich würde eher abraten von Super-High-Resolution-Texturpaketen, da die häufig nicht auf den originalen basieren und die Farbgebung mitunter massiv beeinflussen. Am besten ist, sich einfach "HD Vanilla Textures" runterzuladen. Allerhand Matsch bleibt zwar, aber das ist so ziemlich das einzige Rundum-sorglos-Paket, sofern man das ursprüngliche Feeling erhalten möchte, und spart zudem Performance.

Nummer vier: Charaktermodelle
"Better Bodies" und "Better Heads". Punkt.

Sicherlich gehört noch etwas mehr dazu, jedoch ist das Genannte schon mal eine solide Ausgangsbasis. Danach muss Morrowind sich jedenfalls nicht mehr vor seinen Nachfolgern verstecken.

Nachdem wir visuell einigermaßen befriedigt sind, kommen wir nun zur Geräuschkulisse.
Die folgt dem Setting selbstverständlich auf Schritt und Tritt und versorgt unser Ohr neben Vogelgezwitscher und Froschkonzerten, unter anderem auch mit insektoiden Walgesängen und Weichtiergebrabbel. Den Inventargeräuschen und der Magie, so scheint mir, wurde besondere Aufmerksamkeit in Hinblick auf den Wiedererkennungswert geschenkt. Deswegen klingt auch alles ziemlich eigentümlich und bizarr.

Die Musik ist bekanntermaßen episch, sogar regelrecht impressionistisch, wie Debussy und Holst auf einem Folklore-Trip, rieselt mal vor sich hin oder versinkt mal in orchestralen Abgründen. Ich denke nicht, dass ich übertreibe, wenn ich sage, dass ein Großteil der mystischen Atmosphäre jener außerirdischen Musik zu verdanken ist. Jeremy Soule hat mit diesem Soundtrack quasi das Motiv einer Elder Scrolls-Hymne kreiert, welches wohl nachhallen wird, solange die Franchise existiert.
Das einzig Negative an der Musik ist, dass es nicht mehr davon gibt. Der Originalsoundtrack dauert nämlich nur schlappe 45 Minuten.
Geheimtipp: Sofern man deren habhaft ist, nehme man sich die (und nur die) Atmosphere Soundtracks von Oblivion und Skyrim und packe sie als MP3s in den Data Files\Music\Explore-Ordner von Morrowind rein. Der Komponist hat sein instrumentales Repertoire und seinen Stil über die Jahre weitgehend behalten, deshalb fügt sich der Klang der Nachfolger überraschend natlos in die Szenerie.

Unglücklicherweise agiert die Engine ziemlich stumpf, was den dynamischen Wechsel von Stücken angeht. Sollte sich ein Klippenläufer in zwei Kilometern Höhe plötzlich entscheiden mich anzugreifen, wird die vormals säuselnde Melodie gnadenlos durch Kampfgetrommel unterbrochen. Kampfmusik ist ja an und für sich nichts Schlechtes, jedoch muss man gestehen, dass das in den Nachfolgern, insbesondere Skyrim, schon etwas subtiler vonstatten ging.

Handlung und Quests

Welche der Hauptkampagnen der Elder Scrolls-Reihe jetzt die beste ist, darüber lässt sich durchaus streiten. Für Morrowind würde ich festhalten, dass es nicht ganz so offensichtlich von "Deus Ex Machina" Gebrauch macht und am zurückhaltendsten ausfällt, da wir nur sehr langsam in die Geschehnisse eingeweiht werden und sogar an manchen Stellen regelrecht angewiesen werden freischaffend zu arbeiten und die Welt zu erkunden. Dabei lernen wir in langen Schritten, dass die Kernursache der Handlung in einem Jahrhunderte alten Streit der Kasten besteht. Es muss nur einer kommen, der mal auf den Tisch haut und dem Unfrieden ein Ende bereitet.

Oder auch nicht... Wer das Feuer schüren statt löschen will und Chaos verbreiten, der tue sich keinen Zwang an. Das wäre ein völlig legitimier Weg dieses Spiel zu spielen.
Ist ja nicht so, als gäb's sonst nichts zu tun. Nach meiner Rechnung gibt es nämlich zwölf Fraktionen, denen man mit einem einzigen Charakter beitreten könnte, jede mit Spieldauern im zweistelligen Bereich und spezifischen Gameplay-Anforderungen. Dazu kommen noch zwei bis drei Quests pro Dorf und noch mehr in den Städten, sowie ein paar seltene Aufträge von den daedrischen Fürsten höchstpersönlich. Darüber hinaus gibt es auch noch unzählige andere politische oder kulturelle Verbünde, die mehr oder weniger Auswirkungen auf den Spieler haben können.

Wo wir schon bei Quantität sind... Morrowind hat mit Addons gut und gerne 500 Quests. Das ist fast so viel wie Oblivion und Skyrim zusammen besitzen. Der Grund liegt zum einen in der mangelnden Sprachausgabe (dazu später mehr...) und zum anderen an den häufig recht simplen Aufgaben. Ein gewissermaßen erfrischender Aspekt ist nämlich, dass wir eben lange Zeit nicht der allesrettende Erlöser sind, sondern nur ein arbeitsloser Ausländer.

Qualitativ punkten die Quests vor allem durch ihre Offenheit. Meist gibt es mehr als nur eine Methode eine Aufgabe zu vollenden. Das und die Einfachheit der Aufträge sind insofern sinnvoll, da es keine Questmarker gibt. Die einzigen Anhaltspunkte erhalten wir von NPCs, woraufhin eine Notiz im Journal erscheint. Man sollte sich also auch entsprechend vorbereiten, wenn man vorhat in die Pampa zu gehen, um nach einer geheimnisumwitterten Höhle zu suchen. (Unter Stufe 10 sollte man davon vielleicht erstmal die Finger lassen...)
An Verben ist eigentlich alles am Start: Retten, stehlen, befreien, töten, einkaufen, überreden, zaubern, eskortieren, überlisten, ... you name it. Die materiellen Belohnungen sind meist eher dürftig, was aber allemal durch unseren steigenden Rang wettgemacht wird. Oftmals erhalten wir erst ab einem bestimmten Status in einer Fraktion Zugriff auf gewisse Meistertrainer oder seltene Items zum Kauf.

Das Ganze bringt aber auch Nachteile mit sich. Erstens kann es passieren, dass man sogar nach Vollendung von mehreren Fraktionen plötzlich angewiesen wird das (nicht existente) Klo zu putzen und zweitens, ...

Bedienung und Gameplay

... die NPCs haben aufgrund des Dialogverhaltens und der holzigen Animationen manchmal Schwierigkeiten, Gefahr oder Spannung zu vermitteln, vor allem, da man das in der heutigen, von gescripteten Inszenierungen domierten Videospielwelt fast schon als Standard erwartet.
Das Dialogsystem ist wahrscheinlich der nächstbeliebteste Kritikpunkt, gleich nach der veralteten Optik. Denn viele "Statisten" Vvardenfells haben nur begrenzte Dialogmöglichkeiten und generell ist die Sprachausgabe sehr beschränkt, sodass man je nach Region auffällig häufig dieselbe Antwort bekommt, was manche NPCs ziemlich austauschbar, blass und unglaubwürdig wirken lässt.
Abhilfe schaffen können da höchstens "Django's Dialogue" und "Less Generic NPCs".

Einen nicht so offensichtlichen, aber auch nicht ganz unbeträchtlichen Vorteil hat der textbasierte Dialog aber. Erwiesenermaßen arbeitet unser Gehirn nämlich anders, wenn wir lesen, statt nur zu hören und zu sehen. Bei audiovisuellen Einflüssen schalten wir schnell auf Durchzug, weil Bild- und Tonverarbeitung für uns Trockennasenaffen nun mal sehr energieintensiv sind, während wir beim Lesen eher in unserer eigenen Stimme und unserem eigenen Tempo denken.
Der erfrischende Mangel an Questmarkern in Verbindung mit der überwältigenden Menge an Wegbeschreibungen und allen möglichen sonstigen Dialogzeilen, die man wahrscheinlich gar nicht alle vertonen könnte, sorgen für ein (inter)aktiveres Spielerlebnis. Das unvergängliche Motto "Der Weg ist das Ziel" steht schließlich auch bei Morrowind dick und fett auf dem Programm.

Weniger Sprachausgabe bedeutet nun mal auch weniger Stress für die Schreiberlinge und Synchronsprecher. Gute Dialoge schreiben und vertonen ist nämlich sauschwer! Im Falle Morrowinds hat der Fokus auf Text durchaus seine Berechtigung.
Die Nachfolger werden zwar gerühmt für ihre Vollvertonung, aber das, wenn wir mal ehrlich sind, eher aus Anerkennung für den gigantischen Aufwand, und nicht wegen der bestenfalls durchwachsenen Qualität. Soweit ich weiß, geht das bei Bethesda auch gar nicht anders. Aus Zeitnot werden häufig One-Takes genommen, ohne dass der Synchronsprecher auch nur die leiseste Ahnung vom Charakter und seiner Situation hat.

Das alte D&D-Spielsystem wird ebenso gerne kritisiert, und nicht ganz zu Unrecht. Morrowind war das allererste Western-style RPG mit First-Person-Ansicht. Pen&Paper-Zufallsmechaniken waren damals gar nicht wegzudenken. Blöd nur, dass wir dank revolutionärer 3D-Grafik sehen können wie wir wie ein Besengter auf den Feind einprügeln. Das einzige, was diese klaffende logische Lücke im Gameplay kitten könnte, wäre "Apoapse's Attack". Diese Mod sorgt dafür, dass wir immer unser Ziel treffen, dafür aber der Waffenschaden von unserer entsprechenden Fertigkeit abhängt (vom Stärke-, Glücks- und Geschicklichkeitsfaktor erstmal abgesehen), ganz wie in neueren Spielen also.

Ein weiterer Kritikpunkt sind fehlende Unterschiede zwischen den Waffengattungen. Im Grunde gibt es eigentlich nur geringe Variationen der Moves, im Maximalschaden und der Schadensverteilung. Die Wahl unseres Prügels ist also leider eher nur eine Sache des Rollenspiels als eine, die das Gameplay beeinflusst.

Bei Zaubern und allem anderen kann man hingegen schon von sehr nützlichen Effekten sprechen. Zudem sind die Zufallsmechaniken dort deutlich nachvollziehbarer.
Zum Magiesystem lässt sich insbesondere sagen, dass es wohl die meiste Vielfalt und spielerische Freiheit der gesamten Reihe bietet, ohne dabei besonders redundant oder so geradezu unverständlich wie bei Daggerfall zu sein. Seine eigenen Zauber herstellen zu können ist ein Feature, welches ich in Skyrim außerordentlich vermisst habe.

Ein beachtlicher Pluspunkt offenbart sich auch beim Inventar.

Heutige Entwickler scheinen vergessen zu haben, dass seit Anfang des Milleniums die Bildschirme groß genug sind für solch bahnbrechende Technik, ergonomisch angepasst, perfekt für Menschen. Man drückt eine Taste und BÄM, alles da, auf einen Blick. Einfach abrufbar und funktional, kein Schnickschnack. So geht PC Interface!
Eigentlich fast schon ein schlechter Scherz, dass das was besonderes ist...

Dann wäre da noch das Schnellreisesystem. Darüber kann man streiten. Für mich gibt es jedenfalls genügend Verkehrsknotenpunkte, die mich die völlig abrupte Click-on-Demand-Schnellreise per Karte gut und gerne vergessen lassen.

Items und Balance

Morrowind bleibt dabei seiner Marke treu. Es gibt nicht wirklich mehr oder weniger Items als in den Nachfolgern, jedoch zumindest gefühlt etwas mehr Varianten von Sets.
Alles in allem geht es um hunderte verschiedene Waffenmodelle, noch viel mehr Rüstungsteile und abertausende sonstige Gegenstände, darunter dutzende sehr mächtige Artefakte. Kleptomanischen Abenteurern sind nach wie vor (abgesehen vom Inventarplatz) keine Grenzen gesetzt.

Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass die Entwickler teils zu ambitioniert waren, die Platzierung von Belohnungen möglichst glaubwürdig rüberkommen zu lassen. Wir müssen gar nicht viele Stufen aufsteigen und es passiert ziemlich schnell, dass sich aus Kwama-Eierminen oder Banditenhöhlen nichts mehr holen lässt, einfach weil die einen arme Schlucker und die anderen Weichtiere sind. Die meisten Questinstanzen sollten allerdings dennoch genügend Abwechslung bieten.

Die Schwierigkeit des Spiels gestaltet sich ein bisschen wie im realen Leben. Man kann sich's leicht machen, alles stehlen und in Geld baden, oder lebt als frommer, braver Bürger und muss schuften für das Wohl der anderen. Man kann alles zerschnetzeln, was einem irgendwie krumm kommt, oder versuchen mit Illusion zu besänftigen.
Morrowind besitzt zwar einen Regler für den Schwierigkeitsgrad, ich würde aber nicht behaupten, dass der eine starke Aussagekraft besitzt. Der Spieler entscheidet durch sein Rollenspiel wie leicht oder schwer es sein soll, deshalb sollte man den Regler, wie so vieles, eher als Rollenspielelement verstehen. In einem Sandkasten-Singleplayer gibt es eh keinen anderen menschlichen Spieler, an dem man sich messen könnte und das ist auch nicht Sinn und Zweck der Übung...

Fazit

Die Skyrim-Generation hat jetzt schon lange die Foren, Portale und Medien geflutet und von den meisten hört man immer nur "Ich würd' ja gern Morrowind ausprobieren, aber bla bla bla..."
Ich seh ja ein, dass es nicht einfach ist dahinter zu steigen, besonders was Modifikationen angeht, auf der anderen Seite hat das Spiel aber auch bald 16 Jahre auf dem Buckel. Da sind Schönheits-OPs durchaus angebracht. Und die Mühe lohnt sich!

Was den Kollegen da entgeht ist ein TES, welches an Originalität, Atmosphäre, Content-Dichte und (rollen)spielerischer Freiheit kaum zu übertreffen ist, im Schlepptau ein Haufen Features, die es in dieser ausführlichen und intelligenten Form seither nicht mehr gegeben hat.
Die Wertung ist selbsterklärend. Nur so ergibt mein Leben einen Sinn. Skyrim - 90, Oblivion - 91, Morrowind - 92. UND DAS BLEIBT SO, OB DU HIER BIST UND NICHT!


Wertung
Pro und Kontra
  • Beispielhafte Charakterentwicklung...
  • Sehr gute Modifikationen...
  • Ikonischer Soundtrack...
  • Detaillierte textbasierte Dialoge...
  • Zeitloses Art Design...
  • Zahlreiche unterschiedliche Fraktionen
  • Komplexes Rufsystem
  • Einzigartiges, komplexes Setting
  • Traumhafte Atmosphäre
  • Vielfältige Aufgaben
  • Oft mehr als eine Lösungsmöglichkeit
  • Viele nützliche Skills
  • Offenes Skillsystem
  • Viele nützliche Zauber
  • Benutzerdefinierte Zauber
  • Nahezu unbegrenzte Rollenspielfreiheit
  • Funktionales Inventar
  • Größenwahnsinniger Umfang
  • Frei wählbarer Schwierigkeitsgrad
  • Alles ist fein miteinander verwoben
  • Kostet höchstens 15 Tacken
  • ... die allerdings viel Spielverständnis erfordert
  • ... die viel Geduld abverlangen
  • ... der leider zu kurz ist
  • ... auf Kosten von Vertonung und Inszenierung
  • ... auf einer veralteten Engine
  • Puppenhafte Animationen
  • NPCs haben keine Tagesabläufe
  • Dynamischer Musikwechsel zu abrupt
  • D&D-Logik hinkt beim bewaffneten Kampf
  • Kaum Unterschiede zwischen Waffengattungen
  • Keine Toiletten

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



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