Dieses »chimärische Äffchen« könnte uns einen großen Schritt näher an künstliche Organe gebracht haben

Bisher kennt ihr Chimären nur aus Fantasy-Geschichten? Die Mischwesen existieren wirklich, doch meist nur in Laboren. Sie helfen Krankheiten zu erforschen.

Keine Sorge, ganz so düster wie Chimären in den Medien dargestellt werden, ist dieser Fall nicht. Doch ethische Fragen wirft er trotzdem auf.. (Bild: GettyImages - Anton Petrus | Studio: Bones) Keine Sorge, ganz so düster wie Chimären in den Medien dargestellt werden, ist dieser Fall nicht. Doch ethische Fragen wirft er trotzdem auf.. (Bild: GettyImages - Anton Petrus | Studio: Bones)

Update vom 12. November 17:15 Uhr: Wir haben einen Abschnitt über Chimären in der Natur hinzugefügt.

Bisher kennt ihr Chimären nur aus Fantasy-Geschichten? Die tierischen Mischwesen existieren wirklich, doch meist (wenn auch nicht immer) nur in Laboren. Sie sollen dabei helfen, Krankheiten zu erforschen.

Chinesische Forscher haben nun einen Meilenstein erreicht und ein »chimärisches« Affenjunges gezüchtet. Es soll der erste lebend geborene chimärische Primat sein, der einen hohen Anteil an Zellen aufweist, die von Spenderstammzellen stammen, wie das Wissenschaftsmagazin Nature berichtet.

Diese Forschung, veröffentlicht in der renommierten Zeitschrift Cell, könnte den Weg für fortschrittliche Studien zu menschenähnlichen Chimären-Affen ebnen, die eine Schlüsselrolle in der Erforschung menschlicher Krankheiten, in der Züchtung künstlicher menschlicher Organe und der Entwicklung neuer Therapieansätze spielen könnten.

Auf der Suche nach der perfekten Chimäre

Wissenschaftler haben sich seit langem bemüht, mithilfe von embryonalen Stammzellen tierische Chimären zu schaffen, um tiefere Einblicke in menschliche Krankheiten zu gewinnen. 

Wieso chimärische Affen? Aus Ratten und Mäusen wurden bereits chimärische Wesen erschaffen. Affen hingegen, sind Menschen genetisch viel ähnlicher und damit besser für die Erforschung von Krankheiten geeignet, behauptet Miguel Esteban, Stammzellenbiologe an der Universität der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und Koautor der Studie.

Das war das Äffchen, das die Forscher gezüchtet haben. (Bild: Cell) Das war das Äffchen, das die Forscher gezüchtet haben. (Bild: Cell)

Bisher ohne Erfolg. Esteban betont, dass bisherige chimärische Affen aufgrund eines geringen Anteils von Spenderstammzellen in Organen für die Forschung ungeeignet waren. So waren bisher nur 0,1 bis 4,5 Prozent der Zellen in Organen wie dem Gehirn, den Nieren oder den Lungen von Spenderstammzellen.

Wie kam es zum Durchbruch? Um eine Chimäre mit einem höheren Anteil an Spenderzellen zu erzeugen, haben Esteban und sein Team Empfängerembryonen erzeugt. Dafür haben sie Eizellen von weiblichen Javaneraffen (Macaca fascicularis) entnommen und befruchtet. 

Gleichzeitig entnahmen die Forscher embryonale Stammzellen aus einwöchigen Javaneraffen-Embryonen und haben die Zellen genetisch modifiziert, sodass sie ein grünes Fluoreszenzsignal abgaben, wenn sie mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt wurden.

Javaneraffen (auch Cynomolgus) werden öfter zu Forschungszwecken eingesetzt. (Bild: IQBiosciences) Javaneraffen (auch Cynomolgus) werden öfter zu Forschungszwecken eingesetzt. (Bild: IQBiosciences)

Schließlich wurden bis zu 20 grüne embryonale Stammzellen in jedes der Empfängerembryonen injiziert, was zur Entstehung von 74 chimärische Embryonen mit einem deutlichen Fluoreszenzsignal (Lichtsignal) geführt hat. Es hat sozusagen als Marker gedient, um den Beitrag der Spenderzellen in verschiedenen Geweben des Affen nachverfolgen zu können.

Erfolg mit hohem Preis

40 der 74 chimärischen Embryonen wurden in Leihmütter eingepflanzt, doch nur zwölf davon wurden schwanger, und nur eine brachte ein lebendes chimärisches Äffchen zur Welt. 

Das Männchen musste nach zehn Tagen aufgrund von Unterkühlung und Atemproblemen eingeschläfert werden.

Untersuchungen haben ergeben, dass durchschnittlich 67 % der Zellen in verschiedenen Geweben von den Spenderstammzellen abstammten, wobei die Nebenniere den höchsten Chimären-Anteil mit 92 % aufwies. Ein starker Erfolg, der trotz der Bedeutung für die Wissenschaft ethische Fragen aufwirft. 

Perspektiven für die Forschung

Die Stammzellbiologin Irene Aksoy vom Institut für Stammzell- und Hirnforschung in Lyon, Frankreich lobt die beeindruckende Arbeit und weist darauf hin, dass die Methode potenziell für die Züchtung menschlicher Organe aus Schweine- oder Primatengewebe verwendet werden könnte. 

Auch Shoukhrat Mitalipov, Entwicklungszellbiologe an der Oregon Health and Science University, hebt hervor, dass die gezielte Veränderung von Genen in großen Tieren wie Schweinen oder Primaten die Möglichkeit eröffnen könnte, menschliche Zellen zur Herstellung von Organen einzusetzen. 

»Wenn wir die Gene, die beispielsweise für die Niere kodieren, in einem großen Tier wie einem Schwein oder einem Primaten löschen können, könnten wir stattdessen menschliche Zellen einführen, die dieses Organ produzieren.«

Dennoch betont er die damit verbundenen ethischen Bedenken, insbesondere bei der Verwendung von Mensch-Tier-Chimären für die Organentnahme.

Die Chimäre - Zwischen Fantasy, Wissenschaft und ethischen Fragen

Woher kommt das Wort? Das Wort »Chimäre« kommt ursprünglich aus der griechischen Mythologie und beschreibt ein Mischwesen aus einem Löwen, einer Ziege und einer Schlange (oder Drache, je nach Interpretation). 

Eione Chimäre, wie in der Mythologie beschrieben. (Bild: Deutschlandfunk) Eione Chimäre, wie in der Mythologie beschrieben. (Bild: Deutschlandfunk)

Die Chimäre hat sich auch in diversen anderen Fantasy-Welten etabliert und wird oftmals freier interpretiert, als der Ursprung es vermuten lässt. Oftmals werden Chimären als Überbegriff für tierische Mischwesen verwendet, egal aus welchen Teilen sie bestehen.

Hund und Tochter Ein bekanntes, wenn auch eines der gruseligeren Beispiele, dürfte wohl die Chimäre aus dem Anime »Full Metal Alchemist: Brotherhood« sein. Hier vermischt ein Forscher seine Tochter mit dem Familienhund - für die Wissenschaft. (Bild: Bones)

Hund und Tochter vereint Ein bekanntes, wenn auch eines der gruseligeren Beispiele, dürfte wohl die Chimäre aus dem Anime »Full Metal Alchemist: Brotherhood« sein. Hier vermischt ein Forscher seine Tochter mit dem Familienhund - für die Wissenschaft. (Bild: Bones)

Wie hängen Wissenschaft und Chimären zusammen? Chimären beschreiben im wissenschaftlichen Zusammenhang vor allem einen Organismus, der aus genetisch unterschiedlichen Zellen besteht und trotzdem ein Individuum ist.

Wie weiter oben erwähnt, gab es bereits erfolgreiche Versuche der Wissenschaft, chimärische Ratten zu erzeugen, doch es gibt auch Versuche zu Tier-Mensch-Embryone. Dabei wird menschliches Erbgut in Eizellen von Tieren eingeführt.

Dieses Verfahren ist allerdings ethisch umstritten, wie David Shaw, Senior Researcher für Bio- und Medizinethik der Universität Basel in seinem Artikel »Tier-Mensch-Embryonen: Monster oder Wunder?« deutlich macht.

Die Gegner fürchten einen Missbrauch, da jeder Embryo menschliches Leben sei und Achtung verdiene. Auch die potenzielle Züchtung von Zwitterwesen aus Menschen und Tieren sorgt für starke Zweifel.

Befürworter hingegen argumentieren, dass die Forschung nötig sei, um Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs besser erforschen zu können. 

Können Chimären auch natürlich vorkommen? Ja, können sie. Sowohl unter Säugetieren als auch Pflanzen sind Chimären nicht so unüblich wie ihr vielleicht denkt.

Bei Pflanzen sind beispielsweise Mutationen möglich, die meist nur Teilungszellen der Pflanze betreffen, wie Wissenschaft im Dialog schreibt. In der weiteren Entwicklung der mutierten Pflanze kommt es also zu einer Koexistenz genetisch unterschiedlichen Gewebes.

Auch im Gartenbau werden, durch das sogenannte Pfropfen, häufiger Chimären erstellt. Damit ist eine Veredelung gemeint, die erzeugt wird, indem ein angespitzter Zweig in den eingeschnittenen Stamm einer Jungpflanzte steckt.

Bei Säugetieren, wie dem Mensch können sogenannte Blutchimären entstehen. Vereinfacht gesagt, sind das Zwillinge, bei deren Entstehen auf Blutbildung bezogene Stammzellen vermischt werden.

Für alle, die es genauer wissen wollen, hier eine präzise Definition zum Thema Blutchimäre von DocCheck.de:

»Hier werden über Anastomosen in der Plazenta erythropoetische Stammzelle zwischen zweieiigen Zwillingen ausgetauscht, so dass diese später zwei verschiedene Blutgruppen in sich tragen. «

Auch wenn es sich hierbei um ein zutiefst komplexes Thema handelt, würden wir gerne eure Meinung dazu hören. Wie steht ihr zu Experimenten, die sich Züchtung chimärischer Wesen vornehmen? Denkt ihr, es ist ethisch fragwürdig, menschliche Zellen für Forschungszwecke mit tierischen zu kreuzen? Schreibt es uns gerne in die Kommentare!

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