Seit dem Beginn der weltweiten Corona-Krise steht die Frage im Raum: Werden die bestehenden Internet-Netzwerke einer zusätzlichen Belastung dauerhaft standhalten, wenn immer mehr Menschen Bandbreite für Streaming-Dienste, Online-Spiele und Heimarbeit benötigen?
Experten sind sich dabei noch uneins: Die europäische Regulierungsbehörde für die elektronische Kommunikation (BEREC) forderte Streaminganbieter wie Netflix zur Verringerung der Bandbreite auf, während diverse Forscher eine potentielle Überlastung der Kapazitäten prognostizierten.
Josephine Wolff, Assistenzprofessorin für Cybersecurity Policy an der Tufts University in Massachusetts, schreibt etwa in einem Beitrag für die New York Times:
"Genau wie unser Gesundheitssystem unfähig scheint, mit der Verbreitung des Coronavirus umzugehen, stehen unser Breitband, unsere Videokonferenzplattformen und unsere VPNs einer bislang ungeahnten Beanspruchung gegenüber. Diese Beanspruchung wird schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringen, nicht nur für die Performance unserer Breitbandnetzwerke, sondern auch für den Zugang zu studentischer Ausbildung und für die Sicherheit von Firmendaten und -Netzwerken."
David Belson, Senior Director für Internetforschung bei der Internet Society, schlug allerdings einen anderen Ton an und sagte, ein Zusammenbruch des Internets infolge von Corona sei »nicht wahrscheinlich«.
Diverse Internetprovider, darunter der US-amerikanische Anbieter Cloudflare, das Unternehmen Cisco und die Deutsche Telekom, zeigen sich ebenfalls optimistisch:
- Cloudflare verweist unter anderem darauf, dass das Internet ursprünglich aus Kommunikationsnetzwerk für Menschen in einer Krise entwickelt worden sei.
- Chintan Patel, der Technologie-Chef von Cisco in Großbritannien, sagte gegenüber CNBC, Provider seien darauf vorbereitet, mit Spitzenwerten bei Netzwerkverkehr umzugehen: »Die Spitzenwerte dauern jetzt eben nur länger und langfristiger an.«
Der Traffic steigt, aber noch ist alles im grünen Bereich
Die Corona-Krise hat in vielen Ländern der Welt und insbesondere in Europa dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach Internetbandbreite deutlich gestiegen ist. In Italien, Deutschland und Großbritannien sorgten Online-Spiele und Videostreaming-Dienste für rasantes Wachstum beim Traffic von 50-60 Prozent, wie CNBC berichtet.
Was unternehmen Firmen und Provider? Unabhängig davon, wie sehr die Nachfrage nach Bandbreite sich während der kommenden Monate entwickeln wird, haben diverse Unternehmen bereits Maßnahmen zur Reduzierung der Netzwerkauslastung getroffen:
- Streaming-Dienste wie Netflix, Amazon Prime und Disney+ reduzieren die Bildqualität zur Verringerung des Bandbreitenverbrauchs.
- Sony verringert Downloadgeschwindigkeiten für Spiele über das Playstation Network.
- Einige Telekommunikationsunternehmen erhöhen für ihre Kunden kostenlos das Datenvolumen für mobiles Internet.
Wie ist die Lage momentan? Die bisherigen Maßnahmen zur Reduktion des Netzwerk-Traffics und zur Verlagerung beziehungsweise Vergrößerung der Kapazitäten zeigen offenbar Wirkung. Die BEREC konstatierte in einer Pressemitteilung (via ZDNet):
"[Unsere bisherigen Analysen] haben ergeben, dass der gesamte Traffic in statischen und mobilen Netzwerken während der Covid-19-Krise angestiegen ist, dass es aber zu keinen größeren Überlastungsstörungen gekommen ist. Entsprechend den verfügbaren Informationen haben die Provider diese zusätzliche Traffic-Last gut stemmen können. Einige lokale und temporäre Schwierigkeiten mit dem Internetzugriff wurden festgestellt, aber nicht für ungewöhnlich befunden."
Wie geht es weiter? Da die Provider bislang gut mit dem gestiegenen Bedarf an Internetbandbreite zurechtgekommen sind, müssen Verbraucher wohl vorerst keine größeren Ausfälle fürchten.
Trotzdem warnen Experten wie Dexter Thillien, Analyst bei Fitch Solutions, vor Problemen, die aus der unsicheren Dauer der Krise resultieren könnten. »Physische Netzwerke bedürfen eines gewissen Maßes an Wartung«, sagt Thillien. Müssten sich auch Ingenieure zunehmend in die Selbstisolation wegen Corona begeben, könnte das die Betreuung dieser physischen Netzwerke erschweren.
Vor uns liegt also weiterhin eine ungewisse Zukunft. Wir werden euch aber wie gewohnt über die Entwicklung auf dem Laufenden halten.
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