Reform des Urheberrechts - Zwischen Todesdrohungen und Begeisterung - Reaktionen auf EU-Entscheid

Nachdem die Reform des Urheberrechts in der EU samt Upload-Filtern vorerst auf Eis gelegt wurde, fordern Parlamentarier mehr Besonnenheit in der teils sehr hitzig geführten Debatte.

In der Debatte über die Reform des Urheberrechts kommt es laut manchem Beteiligten teilweise sogar zur Androhung physischer Gewalt. In der Debatte über die Reform des Urheberrechts kommt es laut manchem Beteiligten teilweise sogar zur Androhung physischer Gewalt.

Update, 06.07.2018: Nachdem Bekanntwerden der EU-Parlamentsentscheidung gegen Artikel 11 und 13 der neuen Copyright-Richtlinie haben sich Parlamentarier, Verleger und Bürgerrechtler zum Ergebnis der Abstimmung geäußert.

Die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) zeigte sich begeistert und begrüßte, dass die Stimme des Volkes gehört worden sei. Der europäische Handelsverband Edima sprach laut Heise von einem »Sieg für Demokratie«. Auch der IT-Branchenverband Bitkom lobte die vorläufige Abwendung der Upload-Filterpflicht.

Allerdings zeigten sich nicht alle Beteiligten und Betroffenen Parteien derart begeistert: Die Verlegerverbände VDZ und BDZV kritisierten die »gezielte Verbreitung von Unwahrheiten« über die Richtlinie und forderten erneut ein Schutzrecht für Presseverlage.

Über die Art und Weise, mit der die Debatte um die Richtlinie im Vorfeld der Abstimmung teilweise geführt wurde, äußerte sich schließlich Udo Bullmann, der Vorsitzende der sozialdemokratischen EU-Fraktion, sehr besorgt und erklärte:

"Zahlreiche Abgeordnete wurden Opfer schwerwiegender Drohungen während der vergangenen Tage. Das ist vollkommen inaktzeptabel. Die Lobbygruppen, die auf beiden Seiten der Debatte am Drücker sind, müssen verstehen, dass ihre Handlungen Konsequenzen haben. Wir ermutigen alle Beteiligten, ihre Rhetorik herunterzufahren und dafür zu sorgen, dass Drohungen physischer Gewalt oder sogar Todesdrohungen niemals zu akzeptieren sind. "

Der Forderung nach einer sachlichen Führung der Debatte um die Copyright-Richtline schlossen sich durchweg alle Beteiligten an.

Todesdrohungen gegen Zelda-Tester - Tötet den Kritiker! - Videokommentar Video starten 2:12 Todesdrohungen gegen Zelda-Tester - Tötet den Kritiker! - Videokommentar

Update, 05.07.2018: Die Kampagnen der Kritiker gegen die geplante Urheberrechtsreform der EU haben offenbar Wirkung gezeigt. Wie Heise berichtet, hat das EU-Parlament in der heutigen Plenumssitzung mit einer knappen Mehrheit von 318 zu 278 Stimmen und 31 Enthaltungen vorerst gegen die umstrittenen Artikel 11 und 13 des Reformentwurfs gestimmt.

Damit ist die Einführung von Uploadfiltern und einem fünfjährigen Leistungsschutzrecht für Verlage aber noch nicht vom Tisch. Die EU-Abgeordneten werden stattdessen nach der Sommerpause über entsprechende Änderungsanträge an dem Entwurf des Rechtsausschusses abstimmen. Ob und wenn ja in welcher Form genau die Urheberrechtsreform letztlich umgesetzt wird, bleibt damit abzuwarten.

Update, 04.07. 2018: In einem Videointerview hat der EU-Parlamentsbeauftragte Axel Voss, der maßgeblich an der Arbeit des Rechtsausschusses zum Entwurf der geplanten Copyright-Richtlinie beteiligt ist, große Online-Plattformen für ihre Kampagne gegen die Urheberrechtsreform kritisiert (via Heise). Voss erklärte, die aufkeimende Kritik an der Richtlinie sei »maßlos übertrieben« und »sogar gelogen«.

Laut Voss seien die in der Richtlinie vorgesehen Maßnahmen zu vergleichen mit »einem Blitzer, der auch nur die zu schnellen Autos erkennt« - sie würden nur »die Dinge erkennen, die mit den Rechteinhabern auch mit Informationen unterlegt worden sind«.

Als Antwort auf die Aussagen von Voss, die dieser auch noch einmal in einer E-Mail an diverse Kritiker formuliert hat, hat Wikimedia Deutschland in einer ausführlichen Stellungnahme erwidert, dass sich aus der neuen Richtlinie hohe und teils existenzbedrohende Schadensersatzforderungen ergeben könnten. Außerdem verwies die Plattform noch einmal auf die Gefahren der Upload-Filter für die Meinungsfreiheit.

Update, 29.06.2018: Während politische Beobachter zunächst vermutet hatten, dass die Abgeordneten des EU-Parlaments die Copyright-Reform mehrheitlich befürworten würden, scheint sich der Wind mittlerweile zu drehen. Unter anderem haben sich aktuellen Medienberichten zufolge konservative Abgeordnete aus Österreich und Italien gegen eine Verabschiedung des Gesetzesentwurfs ohne vorherige Debatte ausgesprochen.

Stattdessen forderten die Abgeordneten der ÖVP eine Plenardebatte im Vorfeld der Abstimmung, die mittlerweile um zwei Tage verschoben wurde. Kommt bei dieser Abstimmung keine Mehrheit für den Entwurf des verantwortlichen Rechtsausschusses zustande, entscheidet das Parlament über mögliche Änderungen nach der Sommerpause.

Originalmeldung: Wenn es nach der EU geht, könnten Webseiten-Betreiber künftig verpflichtet werden, per Upload-Filter neue Inhalte vor dem Hochladen auf Urheberrechtsverletzungen zu prüfen. Doch gegen dieses Vorhaben formiert sich derzeit heftiger Widerstand vonseiten der IT-Branche.

Laut Winfuture gehören die Filter-Pläne der EU zu einem Gesamtpaket an Reformansätzen zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt. Der gegenwärtige Entwurf zum Upload-Filter sieht vor, dass alle von externen Nutzern auf einer Webseite hochgeladenen Inhalte vor der Veröffentlichung auf eine potentielle Urheberrechtsverletzung geprüft werden müssen. Die entsprechenden Webseiten müssen dafür ein automatisiertes Filter-System beinhalten.

Präventives Blocking führt zu Beschneidung der Internetfreiheit

IT-Experten sehen bei den Plänen der EU für verpflichtende Upload-Filter ähnliche Probleme wie beim Blocking bestimmter Webseiten allgemein. In einem offenen Brief formulierten die Mitglieder des Bündnisses gegen die Bestrebungen der EU diverse Kritikpunkte: Aus Angst vor Strafmaßnahmen könnten Webseitenbetreiber einzelne Inhalte präventiv sperren, ohne im Vorfeld eine umfassende Prüfung durchzuführen - es käme zum sogenannten Overblocking.

Darüber hinaus wären kleinere Webseiten gegenüber größeren Betreibern im Nachteil, weil sich finanzkräftigere Firmen bessere Filtersysteme leisten könnten. Dazu schreibt das Bündnis:

"Gerade private und ehrenamtlich betriebene Plattformen, aber auch kleine und mittlere Online-Service-Unternehmen werden einem großen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt, sofern sie den Upload von Inhalten nicht ganz unterlassen. Sie verschwinden vom oder schaffen es überhaupt nicht auf den Markt."

Wie gut es überhaupt möglich ist, mit einem automatisierten Filter zuverlässig unbedenkliche Inhalte von solchen zu unterscheiden, die gegen das Urheberrecht verstoßen, wird aus nachvollziehbaren Gründen ebenfalls von dem Bündnis in Frage gestellt.

Letztlich warnen die Unterzeichner des offenen Briefs vor den verheerenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Upload-Filter-Pflicht und sehen eine direkte Bedrohung der freien Entfaltung von Kreativität im Internet.

Ob es tatsächlich zu einer Neuregelung des digitalen Urheberrechts inklusive verpflichtender Upload-Filter kommt, bleibt angesichts dieses massiven Widerstands fraglich. Schließlich erklärten auch CDU/CSU und SPD das Vorhaben in ihrem Entwurf des Koalitionsvertrags für »unverhältnismäßig«.

Zu den Mitgliedern des Bündnisses gehören die folgenden Organisationen:

  • Bitkom e. V.
  • Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.
  • Wikimedia Deutschland e. V.
  • Bundesverband Deutsche Startups e. V.
  • Bundesverband Digitale Wirtschaft e. V. (BVDW)
  • Bundesverband IT-Mittelstand e. V. (BITMi)
  • Bundesverband mittelständische Wirtschaft Unternehmerverband Deutschland e. V. (BVMW)
  • Chaos Computer Club e. V.
  • D64 - Zentrum für digitalen Fortschritt e. V.
  • Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur
  • Deutscher Gründerverband e. V.
  • Digitale Gesellschaft e. V.
  • eco - Verband der Internetwirtschaft e. V.
  • Jugendpresse Deutschland e. V.
  • Open Knowledge Foundation Deutschland e. V.
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