Vor ungefähr 300 Millionen Jahren, im Erdzeitalter Perm, sind sie erstmals aufgetaucht, schreibt die FAZ: die allerersten Tintenfische betreten die Bühne des Lebens.
Unsere zeitgenössischen Tintenfische schneiden - im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie zu einem berühmten, psychologischen Experiment - erstaunlich gut ab. Das Experiment nennt sich »Marshmallow-Test« und wurde 1972 erstmals an Kinder durchgeführt.
Neben der Tatsache, dass der »gewöhnliche Tintenfisch« (Sepia officinalis) nicht nur seine Farbe der Umgebung anpassen kann, hat er seine Intelligenz bereits in früheren Tests bewiesen. So wurde ihm ein gutes Erinnerungsvermögen bescheinigt. Außerdem können beispielsweise Tintenfische der Art Sepia pharaonis ähnlich wie Menschen Dinge abzählen.
Doch wie funktioniert dieser Marshmallow-Versuch, und was sagt er über das kognitive Vermögen der Tiere aus?
Wie sind die Wissenschaftler beim Tintenfisch-Experiment vorgegangen?
Den Marshmallow-Test hat Walter Mischel in den 1960ern an der Stanford-Universität angeleitet. Ziel des Tests war es herauszufinden, welches Maß an Selbstkontrolle Kinder zeigen, wenn sie sich mit Lieblingssüßigkeiten wie Marshmallows oder Keksen konfrontiert sehen.
Die teilnehmenden Kinder standen im Studienkontext vor zwei Auswahlmöglichkeiten: die ihnen angebotene Süßigkeit sofort essen, oder fünfzehn bis zwanzig Minuten warten, um dann mit zwei Süßigkeiten belohnt zu werden.
Was ist das Lieblingsessen von Tintenfischen? Für das Experiment mit den Tintenfischen haben die Forscher nun Süßigkeiten für Menschenkinder durch Leckereien für Kopffüßler ausgetauscht. Die am Experiment beteiligten Tintenfische aßen am liebsten lebende Garnelen, gefolgt von Riesengarnelen.
Wie sieht der Versuchsaufbau aus? Die von den Wissenschaftlern gebaute Vorrichtung bestand aus zwei Kammern, jeweils mit blickdurchlässigen Schiebetüren versehen. Hinter einer Schublade befand sich die von den Tintenfischen bevorzugte Speise, hinter der anderen das weniger begehrte Essen.
Ausgezeichnet waren die Schiebetüren mit unterschiedlichen Symbolen (siehe unten). Ein Dreieck zeigte an: Diese Schublade öffnet sich erst später. Ein Kreis kommunizierte: Diese Schublade öffnet sich sofort.
Welcher Ausgangssituation sahen sich die Tintenfische ausgesetzt? Die Schublade mit der weniger begehrten Mahlzeit öffnete sich für die Tintenfische also stets umgehend, die Schublade mit der heißbegehrten Speise erst später.
In den unter Kontrollbedingungen durchgeführten Versuchen öffnete sich die Schublade mit dem bevorzugten Snack überhaupt nicht. Stattdessen wurde die mehr Begehrlichkeiten weckende Mahlzeit von den Wissenschaftlern sofort aus der Schublade herausgenommen, sobald sich der Tintenfisch einer der Kammern näherte, schreibt LiveScience (via The Royal Society Publishing).
Wie haben sich die Tintenfische aus dem Experiment verhalten? Bemerkenswert: Wenn die Tintenfische wussten: »Die Schublade mit der begehrten Mahlzeit öffnet sich erst nach einer bestimmten Zeit«, dann zögerten die Tiere die Belohnung tatsächlich heraus, indem sie warteten. Die im Experiment beobachteten Tintenfische konnten ihre Belohnung zwischen 50 und 130 Minuten aufschieben.
Während dieser Zeit saßen sie am Boden des Wassertanks, behielten dabei die beiden Mahlzeiten im Auge.
Manchmal wendeten sie sich sogar unmittelbar von der weniger bevorzugten Belohnung ab, wie um sich von der Verlockung der sofort verfügbaren, aber weniger befriedigenden Mahlzeit abzulenken.
Was sagt das Experiment über die Intelligenz von Tintenfischen aus?
Im Zuge des Experiments ließen die Tintenfische also eine Mahlzeit ausfallen - unter der Voraussetzung, dass die Tiere längst wussten: »Eine ausgesetzte Mahlzeit wird mit einer später eintreffenden, noch köstlicheren Speise belohnt.« Die Fähigkeit des Belohnungsaufschubs wurde von den Wissenschaftlern mit einer höheren Befähigung, zu lernen, in Verbindung gebracht.
Damit dürften Tintenfische die ersten uns bekannten wirbellosen Tiere mit der Fähigkeit zur Selbstkontrolle sein, betont LiveScience.
»Selbstbeherrschung gilt als Grundstein der Intelligenz. Sie ist eine wichtige Voraussetzung für komplexe Entscheidungen und Zukunftsplanung«, sagt Alexandra K. Schnell, die Hauptautorin der Studie.
Eine weitere Untersuchung, die Einblicke gibt: Aber auch anderen Angehörigen des Tierreichs konnte bei einer Studie, durchgeführt von zwei Dutzend Forschungseinrichtungen, die für die Intelligenz wichtige Eigenschaft der Selbstbeherrschung attestiert werden. Besonders gut haben hier die großen Affenarten sowie Hunde und Wölfe abgeschnitten.
Die Wissenschaftler definierten hier »Selbstbeherrschung« als »die Fähigkeit, mächtiges, aber letztlich kontraproduktives Verhalten zu unterdrücken«.
Apropos Unterwasser-Tiere: Wer Gefallen an Tieren aus der Tiefsee findet, für den könnte sich ein Abenteuerfilm wie Meg lohnen.
Wieso zeigen Tintenfische diese Eigenschaft?
Unsicher sind sich die Wissenschaftler darüber, wieso die Tintenfische - evolutionär gesehen - die Fähigkeit zur Selbstkontrolle erworben haben. Denn, so sagen es die Wissenschaftler, Tintenfische haben eine deutlich andere Evolutionsgeschichte durchschritten als etwa Primaten oder Rabenvögel, und doch teilen sie mit ihnen das kognitive Merkmal der Selbstkontrolle.
Letztlich kann Selbstkontrolle einen Vorteil darstellen. So könnten soziale Tiere wie Primaten beispielsweise in einer ähnlichen Situation eine unmittelbare Belohnung ausschlagen, um einem hungrigen Artgenossen den Vorzug zu lassen.
Das hätte für das betreffende Tier den Vorteil, die soziale Bindung innerhalb der Gruppe zu stärken, oder ein Primat etwa könnte das entstandene Zeitfenster dazu nutzen, bessere Waffen für die Jagd herzustellen - was längerfristig wieder positive Auswirkungen hat, wie LiveScience schreibt.
Wieso zeigen Tintenfische diese Eigenschaft? Sie sind weder soziale Tiere, noch können sie Werkzeuge herstellen. Bei unseren Kopffüßern ist die Selbstbeherrschung vermutlich ein Nebenprodukt ihrer Camouflage-Technik. Denn auf der Flucht vor Fressfeinden verbringen Tintenfisch den größten Teil des Tages versteckt - unterbrochen von kurzen Pausen, während denen sie auf Nahrungssuche gehen.
Mit der Methode »Abwarten und den idealen Zeitpunkt abpassen« sind Tintenfische also bereits vertraut.
Zeitgenössische Kritik am Marshmallow-Test
Das mit den Tintenfischen durchgeführte Experiment in Form des Marshmallow-Tests ist nicht frei von Kritik.
Zwar waren beim ursprünglichen Experiment die »Zusammenhänge zwischen Durchhaltevermögen im Kindesalter und späteren Erfolgskennzahlen ungewöhnlich hoch«, wie Spektrum schreibt - seitdem wurde das Experiment allerdings in einer im Fachblatt Psychological Science veröffentlichten Studie wiederholt, worin die Autoren zum Schluss kommen, »dass man Belohnungsaufschub nicht einfach als Komponente der Selbstkontrolle betrachten kann«.
Zwar kann den Kindern aus dem Experiment »eine basale Impulskontrolle attestiert werden, aber keine ausgeklügelten Strategien«. Davon abgesehen: Über die beobachtete Selbstkontrolle der Probanden lassen sich durchaus Rückschlüsse auf deren kognitiven Fähigkeiten ziehen. Das trifft auch auf Tintenfische zu.
Jetzt seid ihr an der Reihe! Beeindruckt euch das in den Studien gezeigte Repertoire von Tintenfischen? Hättet ihr den Tieren solcherlei Fähigkeiten zugetraut, oder seid ihr (Hobby-)Meeresbiologen und mit derartigen Forschungsergebnissen längst vertraut? Welches Tier beeindruckt euch am meisten und warum? Schreibt uns dazu gerne in die Kommentare.
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