Warum waren PCs früher fast immer beige? Die Spur führt nach Deutschland

Die Anfangszeit von Personal Computern wird von der Farbe Beige bestimmt. Wir haben versucht, Gründe dafür zu finden.

Möglicherweise haben deutsche Vorschriften damit zu tun, dass Personal Computer zu Beginn in den meisten Fällen beige ausgesehen haben. (Bild: stock.adobe.com - Suresh Heyt peopleimages BOOCYS) Möglicherweise haben deutsche Vorschriften damit zu tun, dass Personal Computer zu Beginn in den meisten Fällen beige ausgesehen haben. (Bild: stock.adobe.com - Suresh Heyt peopleimages / BOOCYS)

So viel sei direkt zu Beginn dieses Artikels verraten: Wir konnten keine eindeutige Antwort auf die Frage finden, wieso PC-Gehäuse früher meist beige ausgesehen haben.

Interessante Erklärungsansätze dafür gibt es aber – und einer davon führt sogar nach Deutschland.

Was genau bedeutet früher? Wir sprechen hier von den Anfangszeiten der Personal Computer, also vor allem von den 1980er und 1990er Jahren.

Der legendäre Apple Computer 2 aus dem Jahr 1977 in all seiner primär beigen Pracht. (Bild: Wikipedia) Der legendäre Apple Computer 2 aus dem Jahr 1977 in all seiner primär beigen Pracht. (Bild: Wikipedia)

  • Zu den vielen Theorien über die dominierende Farbgebung damals gehört auch, dass andere Hersteller sich am Apple 2 Computer orientiert haben, der 1977 erschienen ist. Ihr seht ihn auf dem Bild oben.
  • Heutzutage gibt es kaum noch PCs in Beige. Stattdessen sind die meisten Modelle schwarz, mit Glasfenster(n) versehen und setzen auf (RGB-)Beleuchtung.
  • Wie lange Beige die Farbe der Wahl war, zeigt auch ein Blick auf alte GameStar-Ausgaben. Im Heft 12/2000 haben wir drei Komplett-PCs getestet, die alle primär beige waren. Zwei Jahre später ist weiterhin viel Beige zu sehen, aber auch andere Farben wie Weiß, Schwarz, Grau und Silber.
GS-Ausgabe 122002: Zwei Jahre später sind öfter mal andere Farben zu sehen. GS-Ausgabe 12/2002: Zwei Jahre später sind öfter mal andere Farben zu sehen.
GS-Ausgabe 122000: Bei allen drei getesteten Komplett-PCs dominiert Beige. GS-Ausgabe 12/2000: Bei allen drei getesteten Komplett-PCs dominiert Beige.

Die Abkehr von PCs mit beigen Gehäusen nahm ungefähr Anfang der 2000er langsam ihren Lauf.

Warum eine Spur nach Deutschland führt

Bei unserer Recherche nach dem Grund für das dominierende Beige bei alten PCs sind wir auf einen Artikel von Gizmodo gestoßen. Er bringt damalige Arbeitsplatzstandards in Deutschland als eine mögliche Erklärung ins Spiel.

  • Hintergrund ist das Buch ThinkPad: A Different Shade of Blue, das sich der Entstehungsgeschichte der bekannten ThinkPad-Marke von IBM widmet.
  • Laut den Autoren gehörte IBM mit den ThinkPads in den 1990ern zu den ersten Herstellern, die damals aus dem beigen Farbschema ausgebrochen sind.
  • Als Hintergrund für die weite Verbreitung dieses Farbschemas geben sie in dem Buch übersetzt Folgendes zu Protokoll:

In den späten 1970er Jahren führte Deutschland Arbeitsplatznormen ein, die "hellwertige" Farben bei Bürocomputern vorschrieben. Diese Normen wurden bald von anderen europäischen und skandinavischen Ländern übernommen. In den 1980er Jahren wurden dann in der gesamten Computerindustrie aus Kostengründen und aufgrund der europäischen Arbeitsplatznormen alle anderen Farben als Grau und Off-White praktisch abgeschafft.

Um in Erfahrung zu bringen, um welche Norm genau es sich dabei handeln könnte, haben wir verschiedene offizielle Stellen angeschrieben.

Dazu zählen unter anderem das Bundesarchiv und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Des Rätsels mögliche Lösung

Im rot markierten Bereich erörtert diese damalige Schrift zu Sicherheitsregeln den »Glanzgrad« von Gehäusen. Im rot markierten Bereich erörtert diese damalige Schrift zu Sicherheitsregeln den »Glanzgrad« von Gehäusen.

Potenziell ins Schwarze getroffen hat schließlich die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Dabei geht es um die oben zu sehende Schrift Sicherheitsregeln für Bildschirm-Arbeitsplätze im Bürobereich des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften.

  • Die Schrift unter der Nummer ZH 1/618 stammt aus dem Oktober des Jahres 1980.
  • Sie fordert, dass bei der farblichen Gestaltung von Bildschirmgehäusen der Reflexionsgrad zwischen 15 Prozent (eher dunkle Farbtöne) und 75 Prozent (eher helle Farbtöne) liegen soll.
  • In der Schrift findet sich außerdem eine gleichlautende Anforderung für die Gehäuse von Tastaturen.

Es ging also darum, dass die Gehäuse am Arbeitsplatz weder zu viel Licht reflektieren noch zu viel davon verschlucken, was beispielsweise gegen Weiß und gegen Schwarz sprechen würde – aber für Beige.

Wie verbindlich waren diese Regeln? Dazu äußert sich Andreas Stephan als Leiter des Sachgebiets bei der gesetzlichen Unfallversicherung uns gegenüber folgendermaßen:

Als Sicherheitsregel hatte die ZH1/618 eine recht hohe Verbindlichkeit in dieser Zeit. Mit in Kraft treten des Arbeitsschutzgesetzes 1996 haben Unternehmerinnen und Unternehmer die Möglichkeit bekommen, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung andere Lösungen zu wählen, wenn mindestens die gleiche Sicherheit und der gleiche Gesundheitsschutz für Beschäftigten erreicht wird.

  • In weniger verbindlicher Form haben die damaligen Empfehlungen bis heute überlebt: Sie finden sich nach wie vor in der aktuellen DGUV Information 215-410 Bildschirm- und Büroarbeitsplätze – Leitfaden für die Gestaltung, genauer gesagt auf Seite 74.
  • Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gibt uns gegenüber ähnliches an. So heißt es, dass sie aktuell und schon länger helle Farbgebungen bei der Computer- und Büroausstattung empfehlen. Dies gilt als Standard bei der beruflichen Verwendung.

Das Bild zeigt einen Ausschnitt der Schrift »Beleuchtung im Büro - Hilfen für die Planung der künstlichen Beleuchtung in Büroräumen« der DGUV. Die rechts zu sehende Farbtafel kann dabei helfen, Farben mit passenden Reflexionswerten zu ermitteln. Das Bild zeigt einen Ausschnitt der Schrift »Beleuchtung im Büro - Hilfen für die Planung der künstlichen Beleuchtung in Büroräumen« der DGUV. Die rechts zu sehende Farbtafel kann dabei helfen, Farben mit passenden Reflexionswerten zu ermitteln.

Hätten es nicht auch andere Farben als Beige sein können? Grundsätzlich ja, denn ein passender Reflexionsgrad lässt sich auch mit anderen Farben wie beispielsweise Grün erreichen. Das zeigt unter anderem die Reflexionswertetafel, die ihr auf dem Bild oben seht.

Es gibt aber mehrere Gründe, die gegen die Verwendung bunter Farben sprechen. Stephan von der DGVU führt den folgenden, naheliegenden Aspekt ins Feld, der beige Farbtöne zu einer guten Wahl macht:

Vermutlich liegt es daran, dass diese Farbtöne relativ neutral sind und sich gut mit anderen Farben im Raum (Boden, Wände, Decke) kombinieren lassen.

Eine Erklärung, die auch an anderer Stelle wieder auftaucht, wie der folgende Artikelabschnitt zeigt.

Was sagen wichtige Hersteller von damals?

Wir haben große Namen angeschrieben, die damals zu den ersten wichtigen Herstellern von Personal Computern gehörten. Dazu zählt neben IBM und Dell auch Hewlett-Packard.

  • IBM: Die deutsche Pressestelle gibt nur an, zu der damaligen Farbgebung keine näheren Informationen vorliegen zu haben.
  • HP: Man arbeitet noch daran, eine vielversprechende interne Quelle aus den USA anzuzapfen. Sollte sie interessante Details nennen, aktualisieren wir diesen Artikel entsprechend.
  • Dell: Dieser Hersteller hat uns bislang als einziger konkret geantwortet. Man warnt zwar davor, dass es sich bei den folgenden Aussagen eines Mitglieds des US-Design-Teams um Vermutungen und nicht um belegbare Fakten handelt. Interessant sind sie aber dennoch:

Damals, in den "beigen" Tagen, wurde dem ästhetischen Design nicht wirklich viel Aufmerksamkeit geschenkt... es ging in erster Linie um die Technologie. Da die meisten frühen Computer für den kommerziellen Gebrauch entwickelt wurden, nehme ich an, dass man nicht wollte, dass etwas mit der neutralen Büroumgebung kollidiert. Es handelte sich zum größten Teil um ein Möbelstück. 

[...] Alle beigen Desktops, mit denen wir anfingen, waren gestanzte Blechgehäuse, die lackiert werden mussten. Die Verkleidungen waren aus geformtem Kunststoff, also nehme ich an, dass Beige die Lösung war, um eine gute Übereinstimmung zu erzielen.

Die Frage des Materials kommt erneut ins Spiel, wenn wir uns abschließend weitere mögliche Erklärungen für die lange Dominanz der Farbe Beige anschauen.

Ein kurzer Blick auf weitere Erklärungsansätze

Auch wenn die deutschen Sicherheitsregeln von damals für die Farbe Beige sprechen, ist unklar, wie groß ihr weltweiter Einfluss auf die Farbgebung von PCs damals wirklich war.

Andere Erklärungen für die meist beigen Gehäuse, auf die wir gestoßen sind:

  • Material und Kosten: Beiges ABS-Kunststoff war in dieser Zeit das am häufigsten verwendete Material für Computergehäuse. Es war relativ günstig, leicht zu verarbeiten und bot eine gute Haltbarkeit.
  • Marketing: Computerhersteller glaubten möglicherweise, dass beige Gehäuse ihre Produkte seriöser und professioneller wirken lassen.
  • Technologie: Die CRT-Monitore, die in dieser Zeit verwendet wurden, strahlten viel Wärme ab. Beige Gehäuse reflektierten diese Wärme besser als andere Farben und halfen so, die Computergehäuse kühl zu halten.
  • Zeitgeist: In den 1980ern und 1990ern waren Pastellfarben generell sehr beliebt, und Beige war eine der beliebtesten Pastellfarben.
  • Einheitlichkeit: Bunte und unterschiedliche Farben von PCs hätten für neidische Blicke und den Wunsch nach einem anderen Arbeitsgerät sorgen können.
  • Neutralität: Farben wir Rot oder Grün haben potenziell (negative) Auswirkungen auf die Stimmung von Menschen und könnten dazu führen, dass sich jemand unwohl oder eingeschüchtert führt.
  • Sauberkeit: Auf einem weißen Gehäuse ist Schmutz tendenziell schneller zu sehen als auf einem beigen.

Am Ende gibt es vermutlich nicht die eine Erklärung dafür, dass Computer früher meist beige ausgesehen haben. Stattdessen scheinen gleich mehrere Faktoren für die Dominanz dieser Farbe gesorgt zu haben.

Doch das Beige von alten PC-Gehäusen ist nicht die einzige Farbgebung bei Technik, die Fragen aufwirft.

Einer anderen spannenden Frage in diesem Zusammenhang widmen wir uns im Artikel unter dem obigen Link. Oder könnt ihr spontan direkt sagen, warum Platinen für PC-Hardware lange Zeit immer grün gewesen sind?

Lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen. Gleiches gilt für andere mögliche Erklärungen für die lange Dominanz von Beige bei PCs. Wir freuen uns über jeden Hinweis von euch!

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