Das Dilemma mit dem Anspruch

Von Black Baron · 29. Mai 2011 · Aktualisiert am 30. Juni 2011 ·
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  1. Der Wankelmut der Spielerschaft

    Spiele entwickeln sich. Nicht immer zum Besten, aber nicht alles was neu ist, ist auch automatisch schlecht. Gesunde Skepsis ist gut, aber bei aller Schläue, die so mancher meint an den Tag zu legen, wenn er Neuankündigungen anzweifelt, man sollte diese Schläue auch dazu nutzen Neuerungen eine Chance zu geben und sie in ihrer Gesamtheit zu verarbeiten. Das haben viele Spieler aber verlernt bzw. nie gelernt. Es vergeht kaum ein Release-Termin eines Spiels mit breiterer Aufmerksamkeit, ohne dass es Kritik hagelt. Von Außen betrachtet möchte man meinen die Spielerschaft sei wie ein verzogenes Kind, das immer Mehr will, aber niemals zufrieden ist. Wenn man Einblick in eine Community hat erkennt man aber zum Glück, dass es noch viele Spieler gibt, die einen festen Geschmack haben und deren Stimmen, egal ob Lob oder Kritik, sich mit der Gesamtheit vermischen. Es gibt aber auch einige Leute da draußen, die schnell etwas an einem neuen Spiel finden, das sie hassen können. Diesen Hass posaunen sie dann flott auf mehreren Plattformen hinaus und schaukeln sich mit anderen Aspiranten der Überkritik soweit hinauf, dass man meint ein Staatsstreich sei im Gange.

    Die Entwicklung der letzten Jahre

    In den letzten Jahren hat sich ein Phänomen gebildet, das von vielen als "Casualisierung" bezeichnet wird. Damit meint man allgemein, dass Spiele in Sachen Interaktivität und Anforderungen an den Spieler immer stärker vereinfacht werden. Der Spieler muss sich um immer weniger Dinge Gedanken machen (Mikromanagement), die Abläufe werden immer einfacher (Schlauchlevels, in denen man sich kaum verirren kann, offenkundige Plot-Entscheidungen), die Steuerung wird immer anspruchsloser und nimmt dem Spieler damit immer mehr Raum für Erfindungsreichtum. So die allgemeine These. Und tatsächlich trifft dies auf manche Titel in Teilen zu. Im Gegenzug fokussieren sich einige Entwickler immer mehr auf die Inszenierung. Man versucht filmähnliche Erlebnisse zu bieten und verschleiert die damit einhergehende technische Begrenztheit mit vielen Kleinigkeiten wie Minispielchen. Manchen Spielen gelingt das gut, manchen nicht und diese wirken dann wie schlichte Blender. Titel, die dieser These nicht gerecht werden finden sich immer weniger, weil sie als wenig lukrativ betrachtet werden und die Spieleindustrie sich in ihrem Gebaren immer mehr an die Filmindustrie angleicht. Man sucht sichere Blockbuster, die in möglichst kurzer Zeit die Produktionskosten hereinholen und wendet sich von "speziellen Ideen" weitgehend ab. Einige Leute geben den Konsolen die Schuld daran, andere der breiten Spielerschaft, die ja mit ihrem Kaufverhalten die Nachfrage steuere.

    Back to the Roots?

    Nun stellt sich aber auch ernsthaft die Frage: Kann es keinen Mittelweg geben? Darf ein großes Spiel nicht an manchen Stellen ein "Blender" sein, wenn es dem Spielerlebnis dienlich ist? Muss es immer ein Hardcore-Game sein? Diese Fragen kann man nicht allgemeingültig beantworten. Fakt ist aber, dass sich viele Spieler schwer mit Änderungen tun und gleich das Ende der Spiele ankündigen, weil ihr Lieblingsgenre untergeht. Meist fußt dieses Unvermögen nicht allein auf eigenen Spielerfahrungen, sondern auf Schilderungen Anderer. So manche Spieler wünschen sich die alten Tage zurück. Und übersehen in ihrer Griesgrämigkeit das, was heutige Spiele ausmacht.

    Jammern als Internet-"Volkssport"

    Oh, und wie wird gejammert. Das Problem ist dabei die Meinungen Einzelner auseinander zu halten. Denn nicht immer jammern die selben User über die selben Probleme. Aber es gibt ein kollektives Gejammer sondergleichen, seit das Internet Hinz und Kunz die Möglichkeit dazu bietet. Auch dieser Blogeintrag hier fällt streng genommen unter "Gejammer". Aber ich beschwere mich hier über eine Entwicklung, die es immer schwerer macht einem neu veröffentlichten Spiel etwas Positives abzugewinnen, wenn man Wert auf das Urteil der breiten Masse legt. Oft bleibt einem nur über die allgemeine Resonanz zu einem Spiel zu ignorieren, damit man sich seine wirklich ureigene Meinung bilden kann. Auf diese Weise fällt es einem manchmal dann wieder leichter differenzierter zu urteilen, denn nach Abschluss eines Spiels erkennt man viel deutlicher welche Meinung auf eigener Erfahrung beruht und welche Meinung übertrieben und aus der Luft gegriffen ist.

    Aktuelles Beispiel: The Witcher 2

    Als derzeitiges Objekt des Zerpflückens sei The Witcher 2 genannt. Die Leute beschweren sich aktuell über den hohen Schwierigkeitsgrad und das komplexe Kampfsystem, welches Übung und Einarbeitung erfordert. Man rechnet dem Titel zwar allgemein seine Qualitäten im Storytelling und der Präsentation an, aber erneut haben sich viele Leute zusammengefunden, die etwas gefunden haben, das sie an einer Neuveröffentlichung hassen können. Zum Vergleich: Als Dragon Age 2 erschien beschwerten sich die Spieler, dass das Spiel zu schlecht ausbalanciert sei (was nicht von der Hand zu weisen ist) und vor allen Dingen die Kämpfe viel zu einfach und simpel gestrickt seien. Jetzt ist ihnen aber ein Titel wie The Witcher 2 zu schwer. Warum? Weil sie es seit ein paar Jahren kaum mehr mit anspruchsvollen Titeln zu tun haben? Das glaube ich nicht. Fallout 3 und Fallout New Vegas sind Beispiele für Titel, die ebenfalls Frustpotential haben, wenn sich der Spieler nicht ausreichend mit der Handhabung befasst. Das sind keine Titel, die man nach 5 Minuten Anspielzeit vollends verinnerlicht hat.

    Mehr Gelassenheit und Souveränität

    Die Spieler müssen also wieder lernen sich ihr Urteil in Ruhe zu bilden. Kritik nicht vorschnell anzubringen. Es ist leicht etwas zu verteufeln, weil man es nicht zur Gänze verstanden hat oder mehr als einmal damit auf die Nase fällt. Man wird mit etwas Neuem konfrontiert und muss - vielleicht anders als gewohnt - etwas mehr Mühe hineinstecken, um es zu meistern. Natürlich gibt es auch berechtigte Kritik, gar keine Frage. Aber ich glaube einige Leute da draußen sind es inzwischen so sehr gewöhnt zu meckern, dass sie sich ihr Hobby damit selbst madig machen. Das Schlimme ist aber, dass sie es selbst nicht merken und ständig nur mit dem Finger auf andere (meist die Entwickler und Publisher) zeigen. Stattdessen sollte man sich aber einfach mal folgendes überlegen und in dieser Formulierung spreche ich jetzt ganz bewusst den Leser als Einzelperson an: Mach dir selbst nichts vor und sei dir bewusst, dass ein Entwickler nicht deine Ansichten von einem guten Spiel im Hinterkopf hat, wenn es an die Umsetzung geht. Nicht jedes Spiel, das dich irgendwie interessiert, ist auch explizit für dich gemacht. Du musst immer Unwägbarkeiten hinnehmen und damit ist es an dir die Bedeutung und Gewichtung deiner Ansichten zu Teilaspekten zu bestimmen. Lass dir also keine Flöhe von anderen ins Ohr setzen. Versuch ein Spiel als Gesamtwerk zu begreifen. Und wenn du deinen Spaß mit einem Titel hast, dann überlege dir genau wie sehr dich Aspekte stören, die deiner Meinung nach negativ sind. Vor allen Dingen aber überlege dir, wie du Kritik daran äußerst, damit andere gleich erkennen, ob es deine persönliche auf dich zutreffende Meinung ist, oder ob du glaubst ein generelles Problem erkannt zu haben.

    Die Community muss als Ganzes lernen das rechte Maß anzulegen. Denn so wie es den "Hype" gibt, mit dem manche Spiele über Gebühr gelobt werden, so gibt es auch das Phänomen, dass sich viele Leute vom Hass weniger anstecken lassen und ein Spiel - oft grundlos - verschmähen.

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