Das Märchen von Angebot und Nachfrage

Von Yeager · 17. August 2013 · Aktualisiert am 26. August 2013 ·
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  1. Microsoft bringt eine neue Konsole raus, die scheinbar in jeder Hinsicht dem Sony-Pendant unterlegen ist. Sie ernten zumindest hierzulande jede Menge Kritik - und kommen dann zum Schluss: "Man hätte nicht auf den Spieler hören sollen".
    Sinngemäß also: "Die wollten das doch so!"
    Nein, wollten sie nicht.
    Genauso wenig, wie die User gerne Handy-Kachel-Startbildschirme wollten...
    Hätte man mal die Spieler vorher WIRKLICH gefragt.
    Kann mir keiner weissmachen, dass Microsoft das vorher wirklich getan hätte.


    Das neue Thief scheint in vielerlei Hinsicht eher ein weiteres Assassin's Creed zu sein, denn ein würdiger Nachfolger des Begründers der Schleich-Spiele. Springen soll z.B. nur an vordefinierten Stellen erlaubt sein, um "die Immersion zu verstärken".
    Das Gegenteil wird der Fall sein, denn immersiv, also mich in die Spielwelt mitreissend, wirken solche Gängelungen auf keinen Fall.
    Siehe The Witcher 2: wie soll ich tief in die Rolle eines Hexers eintauchen, der zwar Vampire vermöbelt, aber einen kleinen Kieselstein nicht überspringen darf, sondern selbigen umkreisen muss. Lächerlich. CD Projekt hat daraus gelernt, andere scheinbar nicht.
    Wenn Thief floppen sollte, wird es heissen, Schleich-Spiele seien heutzutage nicht mehr absatzfähig, die Nachfrage nach dem Genre würde nicht existieren.
    Doch, tut sie.
    Nur nicht SO.
    Hätte man mal die Spieler vorher gefragt.


    The Secret World kam raus und brachte eine ungeahnte Anzahl von Neuerungen ins dicht besiedelte Feld der MMOs, darunter auch einige, die den Spielspass nicht förderten.
    Wie z.B. die Tatsache, dass letztlich jeder früher oder später alles kann, was der Rest auch kann. Unterscheidungen fallen irgendwann unter den Tisch, es ist nur eine Frage der Zeit. Überdenkt man dies? Hat man sich vorher wirklich Gedanken dazu gemacht? Wirklich Spieler gefragt, ob die das so woll(t)en?
    Nein.
    Kommt man zu den richtigen Schlussfolgerungen?
    Auch nicht. Man sagt, völlig unangemessen arrogant, die Community sei noch nicht bereit für solch ein "hochentwickeltes" Spiel.


    Neverwinter bringt eine Neuerung mit sich, die es so noch nicht gegeben hat:
    einen Editor, mit Hilfe dessen man eigene Dungeons erstellen kann.
    Doch sie lassen es im inakzeptabel verbuggten Zustand, kümmern sich lieber um den Ausbau des Shop-Angebotes.
    Wenn die Leute reihenweise abspringen, wird es dann heissen:
    Der Spieler will solche Editor-Spiele nicht.
    Doch, will er. Nur nicht in solch verbuggtem Zustand.
    Hat man den Spieler wirklich gefragt?
    Nein, man kümmert sich lieber um den Shop.


    World of Tanks hat ein Matchmaking-System, das gelinde ausgedrückt als "unfair" zu bezeichnen ist. Eine Solo-Kampagne fehlt komplett, viele Features ebenfalls.
    Die Community beschwert sich darüber seit langer Zeit.
    Interessiert das jemanden der Verantwortlichen?
    Nein.
    Solange man die Kuh melken kann, will heissen, solange neue, hoffnungsvolle Spieler an Bord kommen, die z.T. mangels Zeit oder Wissen Geld im Shop lassen, ist es doch okay.
    Wenn irgendwann zuviele abgesprungen sein sollten, wird es heissen, das Genre sei hinreichend abgegrast worden, sowas ziehe heutzutage nicht mehr.
    Doch tut es, nur wurde wieder mal der Spieler ignoriert.

    Rome 2 erscheint ohne übersichtliche Tech-Bäume.
    Dazu hätte man nur so einen kleinen Wicht, wie mich, fragen müssen, ob sowas fehlen würde. Ja, selbstverständlich würde es das.

    Jahrzehntelang erscheint kein rundenbasiertes Taktikspiel, weil sich diese angeblich nicht verkaufen liessen. XCOM erscheint und wird ein Renner - und findet immer mehr Nachahmer. Wie ist das möglich bei einem Genre, für das sich angeblich niemand mehr interessieren würde?
    Wurde der Spieler gefragt?
    Die Antwort ist dieselbe, wie eh und je.


    Derlei Beispiele könnte ich bringen, bis mir ein langer Gandalf-Bart wachsen würde.
    Das Ergebnis, das Dilemma ist stets dasselbe:

    Angeboten wird nur etwas, wofür auch Nachfrage besteht?

    Mitnichten!

    Es ist schon im Wort NACH-FRAGE enthalten:
    Man sollte vielleicht mal nach gefragt haben?!

    Ich habe keine Ahnung, wie die Marktforschungsabteilungen der jeweiligen Unternehmen arbeiten. Aber es gibt für mich derzeit nur folgende Erklärungsmöglichkeiten:

    a) mit Hilfe einer Glaskugel

    b) sie fragen nur den speichelleckenden Fan-Boy, der ALLES toll findet

    c) die Fragestellungen sind missverständlich, vielleicht sogar bewusst, um auf diese Weise versteckte Vorab-Werbung zu machen

    d) es gibt keine ernst zunehmende Marktforschung

    Egal, welche der Möglichkeiten zutrifft, sie sind alle schlecht.

    Noch viel schlimmer, als das, ist die ewig gleiche und ewig falsche Schlussfolgerung:

    "Das Genre/Produkt/Feature hat keine Nachfrage, derlei Spiele wird es in Zukunft folglich nicht geben"

    Falsch, falsch und nochmals falsch.

    Doch es gibt sie, die echte Nach-Frage bei einem Angebot:

    Kickstarter & Co.

    Daher bin ich recht guter Dinge, was die Zukunft angeht.
    Die bisherige, traditionelle - und auch traditionell schlechte - Arbeit der Publisher blickt einem zunehmend näher rückendem Ende entgegen, die Tage der monopolistischen Angebots-Diktate, auf welche es Nachfrage lediglich aufgrund fehlender Alternativen gab, scheinen endlich gezählt.

    Wenn dasselbe nun endlich auch mal in der Politik geschehen würde, wäre es perfekt.

    ---------------------------------------- PS ----------------------------------------

    @ GameStar:

    Übrigens, liebe GameStar-Redaktion, bei diesem Thema sehe ich euch in der Pflicht:

    Wenn man sich die letzten Umfragen von euch anschaut, ob der Leser sich eine Oculus Rift-Brille kaufen würde, wozu er sein Notebook hauptsächlich gebraucht und wie gross seine SSD ist, wird man den Eindruck nicht los, dass ihr hier nur der verlängerte Marktforschungs-Arm der Industrie seid, der für entsprechende Studien bezahlt wird. Vor allem der Hardware-Industrie.

    Ich habe Verständnis dafür, dass just zur allgemeinen Medien-Krise und bei sinkenden Absatz-Zahlen weitere Gelder aus anderen Quellen fliessen müssen.
    Wobei Letzteres immer zu euren Ungunsten ausgelegt werden wird, da ihr damit die Neutralität einer echten Fachpresse immer stärker preisgebt - und somit Gefahr läuft, irgendwann nicht mehr ernst genommen zu werden.

    Aber wenn ihr dies schon tut, wenn ihr schon diese Möglichkeiten besitzt, dann nutzt diese doch mal ausnahmsweise zugunsten der SPIELER.
    Also eurer Kunden.

    Fragt die Leute, ruhig lieber zuviel, als zu wenig, was sie wirklich wollen.
    Was sie von dieser oder jener GameDesign-Geschichte halten.
    Welche Art von Spiel sie gerne hätten.

    Und belasst es nicht dabei.
    Transportiert diese Antworten zu den jeweiligen Publishern.
    Artikel zu verfassen, in denen man Feature A kritisiert und das Fehlen von Feature B anprangert ist eine Sache. Wenn dies aber von dem, auf den es ankommt nicht gelesen wird, hilft es lediglich eine Kaufempfehlung für das gegenwärtige Produkt auszusprechen. Es fördert aber keine zukünftigen, "richtigeren" Entwicklungen.
    Auf euch kann zumindest die Industrie hören.
    Mir hört keiner zu, wenn ich in einem Community-Forum etwas zum Besten gebe.
    Das fällt dann unter die Rubrik der exotischen Meinung eines Einzelnen und wird ignoriert.
    Will nicht wissen, wieviele Male ich mir schon Spiele gekauft habe, bei denen mir die Hälfte nicht gefiel. Mangels Alternativen.
    Und kommt mir jetzt bitte nicht mit Verweis auf Boykotte.
    Das Phänomen der falschen Schlussfolgerungen sprach ich schon an.
    Ihr wärt geradezu prädestiniert für diese Rolle.
    Damit wärt ihr ein wortwörtliches "Spiele-MEDIUM".

    Ja, solche Fragen hat es von euch schon gegeben.
    Nur viel zu wenige, wie ich finde.
    Dafür umso mehr Fragen danach, wie gross meine Bildschirmdiagonale ist und ob ich in diesem Jahr noch gedenke mir eine Playstation zu kaufen.

    Sorry, musste aber mal raus...

    Über den Autor

    Yeager
    Chuck Yeager durchbrach als erster Mensch die Schallmauer.
    <br/>Ich stolperte über seinen Namen als damals noch kleiner Junge beim Gucken von "Der Stoff aus dem die Helden sind".
    <br/>Sein Name gefiel mir, wurde zum Nick und blieb es.

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