Das System "Videospiele" - Geld regiert die Welt.

Von Roadwarrior · 24. Oktober 2019 ·
  1. Es hat sich was verändert...

    Nicht erst seit gestern, eher schleichend und über viele Jahre hinweg hat sich die Welt der Videospiele völlig verändert. Früher ein Hobby für sozial gestörte Außenseiter (so das Klischee), heute ein Milliardengeschäft in der Mitte der Gesellschaft, dessen Gewinnzahlen unter Anderem Hollywood verblassen lassen. Wie immer wenn viel Geld im Spiel ist kann man Kreativität erwarten. Nicht unbedingt was die Produkte angeht, sondern die Art wie sich damit Geld verdienen lässt. "Games as a Service" wurde anfangs noch belächelt und von den "richtigen" Spielern wurde eher mit Mitleid auf die Leute geblickt, die sich an Handy mit Spielen auseinander setzen mussten, in denen "In-App-Käufe" verfügbar waren.

    Inzwischen hat dieser Trend längst den AAA-Bereich der Videospiele erreicht, kaum ein Publisher lässt es sich noch entgehen seinen Kunden nach dem Kauf des Spiels auf andere Weise noch das Geld aus der Tasche zu ziehen. Season Pass, Shortcuts, kosmetische Items...es gibt viele Wege, Gewinne zu generieren.

    Wer hat daran Schuld?

    Ich denke, dass man als Erstes darauf achten muss, bei dem Thema die Emotionen weitgehend außen vor zu lassen. "Schuld" ist vielleicht auch nicht das richtige Wort, um die Umstände zu beschreiben, die uns an diese Stelle geführt haben. Früher kaufte man sich ein Spiel und nicht selten konnte sich der Entwickler darauf verlassen, dass die Community durch selbst erstellte Inhalte dafür sorgt, dass das Game lange am Leben bleiben wird. Natürlich, Modding gibt es auch heute noch. Aber der Umfang ist ein Anderer geworden, vor Allem weil besonders im AAA-Bereich die Türen geschlossen sind. Ein Call of Duty oder ein Battlefield lassen nicht mehr zu, dass Maps aus der Community kommen. Inhalte für solche Titel kommen häppchenweise vom Entwickler selbst und sollen - hier liegt die Krux - natürlich auch bezahlt werden. Irgendwann, irgendwo hat irgendwer gemerkt, dass dies lukrativ sein könnte. Und dort geschahen die ersten Schritt auf dem Weg zum "Season Pass".

    Es geht noch dreister...

    Das Paradebeispiel für "Gewinnoptimierung" und ein echter Traum für jeden Analysten dürfte wohl die FIFA-Reihe von Electronic Arts sein. Bekanntermaßen setzt EA beim Erscheinen der jeweils neuen Teile im Herbst eines Jahres am Release-Tag mehr Geld mit FIFA-Points um als mit dem Verkauf des Spiels an sich. Hier an dieser Stelle erkennt man, wie viel Potential - finanziell betrachtet - in einem Computerspiel liegt.

    Bei Ultimate Team fällt es mir selbst schwer, die Emotionen auszuklammern, weil ich das Spiel über Jahre hinweg intensiv betrieben habe und ca. 5 Jahre lang innerhalb meines Freundeskreises mit dem Spiel beschäftigt war. Ich habe von FIFA 14 bis FIFA 18 FUT gespielt und - ich war der Sparsamste unter meinen Freunden - jedes Jahr ca. 1500 bis 2000 Euro in das Spiel gesteckt. Klar, damit konnte man in LIGA 1 spielen und 90% seiner Spiele gewinnen...aber der Preis war hoch. Und damit meine ich nicht nur das Geld. Seit ca. 2 Jahren spiele ich nun "regular season" mit meinen Freunden und die Urlaube mit unseren Mädels sind deutlich üppiger geworden. Lustiger Fakt: Ich gewinne immer noch 90% meiner Spiele - nur eben mit originalen Mannschaften.

    Da ich mit Suchtpatienten arbeite im Alltag kann ich - auch bei mir selbst - sehr gut die Mechaniken erkennen, die da verwendet werden. Es hat ja bei mir selbst über Jahre geklappt. Und noch immer habe ich manchmal den Drang "Päckchen" aufzumachen, weil's so toll war, wenn ein super Spieler darin zu finden war. Es ist so simpel und trotzdem so effektiv. Und man darf sich absolut sicher sein, dass ein Konzern wie EA die psychologischen Faktoren in seiner Rechnung berücksichtigt und genau weiß, was da getan wird. Es ist eher so, dass solche Sachen genau erforscht werden und diese Erkenntnisse dann gezielt genutzt werden.

    Die Ursachen sind breit gefächert

    Nun ist es ja so, dass Konzerne nicht einfach ins Blaue hinein handeln können. Was also sind die Grundlagen für solche Konzepte?
    Für mich ist der Grund in der medialen Welt zu finden - Streamer machen es vor - und auch ein klein wenig in der Eitelkeit der User an sich. Man will vorne dabei sein, man will eine besonders tolle Mannschaft, ein besonders cooles Outfit oder eine absolut lustige Geste haben, mit der man die Mitspieler beeindrucken kann. Und natürlich will man auch gewinnen - warum sollte man das also nicht durch den Einsatz von Geld ein bisschen anfeuern?

    Es ist natürlich leicht Konzerne und Publisher zu verteufeln, es sind greifbare Gegner. Durch ihr Verhalten machen sie es einem einfach, sie als Schuldige auszumachen und deswegen anzugreifen. Aber die Spielwiese für diese Konzepte der Hersteller kommt von uns. Wir sind der fruchtbare Boden, auf dem diese Dinge wachsen und gedeihen konnten. Hätte sich nicht von Anfang angezeigt, dass die User das mitmachen, wären solche Geschäftsmodelle so schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht sind.

    Das kann man nun drehen und wenden wie man will, der Ball wurde uns zugespielt und wir haben es mitgemacht. Vielleicht nicht der "organisierte" Teil der Spieler, der sich in Communities und Foren austauscht und auch beklagt. Es ist eher die graue Masse, die den Großteil derer darstellt, die Spiele kaufen. Mama und Oma, die keine Ahnung haben, was sie da eigentlich bezahlen. Handyspieler, die eben mal nen Ingame-Kauf tätigen, weil sie nicht mehr warten wollen. Leute eben, die mit der Tragweite ihres Verhaltens gar nicht wirklich konfrontiert werden.

    Am Ende bleibt uns nur der Verzicht oder die radikale Akzeptanz der Umstände. Und vielleicht ein klein wenig Hoffnung darauf, dass der Wind sich nochmal drehen wird.

    Über den Autor

    Roadwarrior
    1975 auf die Welt losgelassen bekam ich 1982 von meinen Eltern zu Weihnachten ein Atari 2600 überreicht - seitdem nahm die Spirale ihren Lauf. Ich bin seit inzwischen etwa 40 Jahren "ingame". Durch verschiedene Berufe, Beziehungen, eine Ehe, Wohnorte und Weltanschauungen hindurch waren in meinem Leben in den letzten 25 Jahren nur 3 Sachen konstant: Motorräder. Heavy Metal. Gaming.

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