München

Von TheVG · 26. Juli 2016 ·
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  1. Eigentlich könnte ich jeweils einen Blog darüber schreiben, was im Moment wie Gewehrsalven durch die Medien pfeift. Ich könnte einen über Würzburg schreiben und erörtern, inwiefern ich den IS und dessen Methoden verabscheue. Ich könnte aber auch über Reutlingen berichten und die Ängste von Flüchtlingen thematisieren. Ich könnte Nizza oder Paris zum Thema machen, oder mich vielleicht doch über Polizeigewalt und Rassismus bei unseren guten Freunden aus den USA auslassen.

    Wir Spieler haben aber wieder ein ganz anderes Ereignis auf der Agenda. Es geht um München und David S.

    Wir alle sind mal wieder bestürzt, dass es zu einem Amoklauf gekommen ist. Wir alle suchen wieder Gründe dafür, wie es so weit kommen konnte. Und wir alle sind wahrscheinlich unheimlich sauer über die verbalen Schnellschüsse von Politikern, die von Computerspielen so viel Ahnung haben wie wir vom Bauen einer Atombombe.

    Und da ist sie wieder – fast schon in den Tiefen des journalistischen Archivs verschwunden, fast schon aus den Köpfen der Bürger getilgt. Die Killerspieldebatte ist zurück.

    Einige Gedanken sind mir mal wieder durch den Kopf gegangen. Einige vermeindliche Beweggründe bewegten mein inneres Pendel von einem Argument zum nächsten, wieder war ich fast dabei, mir reflexartig und trotzig meine Parolen bereit zu legen. Aber – und das ist das Tolle daran – will ich gar nicht mal so auf die Killerspieldebatte eingehen. Das liegt nicht nur an meinem Misswillen, schon wieder dieselben Phrasen zu dreschen, die mir vor 14 Jahren wegen Erfurt oder vor sechs Jahren aufgrund der Tat von Winnenden von innen heraus sprudelten. Glaubt mir, ich war kurz davor... doch zum Glück ist das nicht nötig. München trägt plötzlich ganz andere Gründe zutage, und das ist schon ein gewaltiger Fortschritt.

    Also lest ihr im Folgenden nicht über ständige Rechtfertigungen, warum ich meine Gewaltspiele spiele, warum ich virtuelle Gewalt nicht für voll nehme, auch nicht über meine Ablehnung gegenüber Spielegegnern. Nein, ihr werdet etwas anderes lesen, wie etwa Begleiterscheinungen von Onlinespielen, welche Verantwortung wir Spieler tragen sollten, aber auch über die Gründe, die in den Massenmedien glücklicherweise als die wichtigsten erachtet werden. Es werden Fragen gestellt, die vielleicht nicht beantwortet werden können, aber auch Vermutungen aufgestellt, die vielleicht gar nicht stimmen.

    Es geht mir eher darum, vielleicht ein anderes Bewusstsein wachzurufen, wenn wir über das Thema Amok reden wollen (und auch sollen). Und vor allem möchte ich nicht ausklammern, in welchem Kontext wir selbst zu solchen Taten beitragen könnten.




    Schon wieder Killerspiele?

    Es dauerte ja schon ein paar Stunden, wenn nicht Tage, bis die Sachlage der Tat richtig offengelegt war. Erst war von drei Tätern die Rede, dann lediglich von Verletzten, bis die Zahl sich irgendwann bei der zehn Toten festgebissen hatte. Die Tragik manifestierte sich erst, als Terrorismus ausgeschlossen wurde und die Gewissheit eintrat, dass der Amokläufer sich das Leben nahm – also das „klassische“ Szenario eines Menschen, der aus vermeintlich unerfindlichen Gründen mit der Welt abrechnete.

    Die Hintergründe lesen sich auch genau wie die letzten AfD-Posts und -tweets. Irgendwer schnappt irgendwo irgend ein Wort auf, konstruiert sich mal schnell eine Theorie daraus und blökt sie in die Welt hinaus – die sozialen Medien machen ihrem Ruf wieder alle Ehre. Dann schon mal die erste positive Nachwehe: die Polizei München reagiert mit Tweets, die die Menschen zur Besonnenheit aufrufen. Ihr Verhalten und die Führung der Bevölkerung war von Weitsicht und Deeskalation geprägt, und dafür hat sie meinen größten Respekt verdient. Ja, selbst die Politik war voll des Lobes für ihren Polizeiapparat.

    Tja, zu früh gefreut...

    Kaum wurde die Wohnung von David S. in Augenschein genommen, der Computer des Täters beschlagnahmt und untersucht, passierte das, was uns Spielern direkt darauf schwer im Magen lag. David S. spielte „Counter Strike“.

    BUM!

    Da ist es wieder. Die heilende Wunde brach wieder auf. Der gefangen geglaubte Geist der Vergangenheit ist seinem Käfig entwischt. Oder doch nicht?

    Ich hatte schon früh angenommen, dass das Spiel (oder Ähnliches) auf seinem Computer gefunden werden würde. Ich erwartete, dass nach diesem Ermittlungsergebnis die Massenmedien diesen Fakt aufgreifen und sie in allen Facetten darstellen würden. Aber... nichts passierte. Nein, David S.´ Profil des Einzelgängers, des Depressiven, des isolierten Außenseiters wurde angesprochen. Auch die Verantwortlichen der Polizei verloren erst mal kein Wort darüber. Ähm... ja... und jetzt? Ich fühlte mich, so wie ihr wohl auch, wie Bart Simpson im Simpsons-Film, der mit Nad Flanders angeln geht und wegen einer Verfehlung reflexartig auf die Würgestrafe wartete – die aber nicht geschah.

    Na ja, die kam dann doch noch. Ausgerechnet mein „Freund“, der Bundesinnenminister höchstpersönlich, griff dann doch noch nach unserem Hals und drückte ganz Homer-like zu. Jup, das saß. Tiefschlag. Böser Mensch. Ich würde mich jetzt wahrscheinlich erst mal getroffen in die Ecke verziehen und hoffen, dass mich niemand als potenziellen Amokläufer entlarven könnte – doch bei Herrn de Maizière sehe ich die Lage ganz anders. Denn wer sich schon so viele verbale Patzer geleistet hat, muss sich nicht wundern, wenn man ihn nicht ernst nimmt. Oder wie war das mit den „Antworten, die einen Teil der Bevölkerung verunsichern würde“? Wer hatte die Idee, Bürger zu „Hilfspolizisten zu schulen“? Wer hat Flüchtlinge mit gefälschten/erfundenen Statistiken in Verbindung gebracht? Das ist derselbe Mann, der nun Spieler als unvernünftig hinstellt. Die Millionen Deutschen, die Tag für Tag in großer Zahl „Counter-Strike“ zocken. Sie alle sind (mal wieder) die Amokläufer von morgen, sie alle, die Unvernünftigen...

    Spätestens jetzt hätte ich erwartet, dass die Medien die Aussage ungefiltert weitergeben würden. Aber nein! Selbst der Spiegel, die Süddeutsche, alle wahrscheinlich seriösen Blätter und nicht mal die Tagesschau berichten darüber, und wenn, dann höchstens in den unteren Abschnitten. Ich so: „Uff.“, oder: „Wow.“. Ich glaube vielleicht doch wieder an einen Gott...




    Was sagt die Psychologie?

    Die wichtigsten Gründe wurden erstaunlich schnell in die Richtung des Außenseitertums des Täters und sein psychologisches Profil gelenkt. Ich bin dankbar dafür, dass hier nach tiefergehenden Beweggründen geforscht wird und diese nicht vollends ausgeklammert und irgendwas Schnelllebiges als Grund vorgeschoben wurde. Leider ist zwischendrin schon der allseits beliebte „Beißreflex“ angesetzt worden – sprich: die Spielemedien veröffentlichen kurz nach dem de Maiziére-Statement schon mal vorsorglich ihre Gegenargumente. Hier ist es Michael Graf, auf GamersGlobal Jörg Lange, also die Personen, die schon früher mit solchen Situationen zu tun hatten. Eigentlich jeder namhafte Spieleredakteur weiß sich vorsorglich warm zu diskutieren.

    Doch laufen diese schnellen Aufrufe für meine Begriffe schnell ins Leere. „Was ist da denn passiert?“, fragte ich mich unweigerlich. Keine plakativen Aufrufe zum Verbot von Killerspielen?? Gut – Volker Kauder (CDU) schießt in einem Zeitungsinterview auch schon mal gegen uns Spieler, ganz im Tenor seines Parteikollegen aus dem Innenministerium. Aber sonst? Keine der großen Gazetten spricht ihre Aussagen nach. Es wird sogar relativiert, die Diskussion mehr oder weniger den Politikern aus dem Mund genommen, in eine andere Richtung gelenkt – in die der Person David S. und seine Lebensgeschichte. „Counter Strike“ - nur eine Begleiterscheinung.

    Ihr werdet es vielleicht schon vom TV vernommen haben, vielleicht erzähle ich euch nichts Neues. David S. war einer dieser Einzelgänger, ein isolierter Sonderling, gemobbt, gehänselt und seiner eigenen Aussage kurz vor dem Suizid nach zutiefst gekränkt von diesen Misshandlungen und Denunzierungen. Da frage ich mich als Gründesucher natürlich, wie ein solches Verhalten solche Taten rechtfertigen mag. Ich kann hier nur mutmaßen, aber ich möchte euch deswegen noch einen Aspekt meiner eigenen Erfahrungen mit Mobbing beschreiben. Es ist nicht schön. Nein, gar nicht...

    Wie ist es also, ein Mobbingopfer zu sein?

    Ich muss sagen, dass ich schon in der Schule als ein wenig sonderbar galt. Von den „Coolen“ immer gemieden, hatte ich doch wenigstens ein paar in den Klassen, mit denen ich mich gut verstand. Es waren nicht viele, aber es waren wenigstens ein paar wenige. David S. schien dieses Privileg nicht genossen zu haben. Dies ist mir dann später widerfahren, bei einer Arbeitsstelle mit Zeitvertrag, den mir ein alter Ausbildungskollege verschafft hatte. Doch genau dieser Arbeitskollege war mit einer der Initiatoren für das Mobbingvergehen. Zusammen mit zwei engen Arbeitskollegen seinerseits wurde dann systematisch gemobbt. Mies über mich geredet, scheinbar unüberwindbare Aufgaben gestellt (die ich jedoch geschafft hatte), und als das nichts mehr half, wurden mir nur noch niedere Arbeiten aufgetragen. Und das alles unter der Schirmherrschaft des Abteilungsleiters.

    Was war da genau passiert? Und was hat das mit David S. zu tun?

    Der Ausschlag für das Mobbing waren Verhaltensauffälligkeiten meinerseits. Ich habe mich nicht untergeordnet und nicht den Verhaltenskodex eingehalten, also erst einmal stillhalten und sich einfügen. Das heißt: ich habe nicht funktioniert wie verlangt. Es ging sehr schnell. Danach wurde man schnell ignoriert, bedroht, beleidigt. Ich fühlte mich innerlich zerrissen. Schnell kam in mir die Schuldfrage auf – bin ich schuld? Sind die anderen schuld? Immer und immer wieder pendelte ich von einer Antwort zur nächsten. Okay, ich habe mich nicht regelkonform verhalten. Dann wieder: Was soll der Scheiß? Ich muss doch nicht nach Plan mein Verhalten anpassen... Nach deren Vorstellung anscheinend doch.

    David S. war wohl schon grundsätzlich unten durch. Die Aussagen der Mitschüler - „Er redete komisch“ oder „Er hatte einen schrägen Gang“ - schienen schon zu reichen, ihn völlig auszuschließen. Jetzt kommt der Eidetiker in mir durch, und ich kann mir förmlich vorstellen, wie es ablief. David S., der lieb-gesichtige, der unauffällig gekleidete, der von Babos, Schminktussis und sonstigen Kids blöd beäugt und verunglimpft wird. Hier schwillt sich mir spontan der Hutkamm, wenn ich daran denken muss, wie die Babos und Schminktussis in Leggings David S. mobben, schlagen, ihn nachäffen. Wie er nicht nach Plan funktioniert und wohl auch nie funktioniert hätte...




    Sind die Spieler schuld?

    Jetzt muss ich doch noch die Spiele ansprechen. Er spielte eben recht lange „CS: Source“, ist in Teamspeak angemeldet. Hat Kontakt zu anderen. Verbreitet so irgendwann seine Hassbotschaften, wird „komisch“, aggressiv und widersetzt sich Spielregeln. Und hier ist genau der Punkt, an dem wir als Spieler unser Verantwortungsbewusstsein hinterfragen sollten. Es gab Anzeichen, die niemand zu deuten wusste. Seine wirren Aussagen, seine plötzliche Affinität zu Amokläufen, die Breijvik-Fotos als Whatsapp-Bild und letztlich seine Nicknames wie „Hass“ sind wohl kaum mehr in die Ecke von „derbem Spaß“ zu setzen. Dies hier war bitterer Ernst, und das sollte uns auch mal bewusst werden. Es geht auch um das Sich-Kümmern und darauf einzugehen, es konkret anzusprechen und es dem Betroffenen offen ins Gesicht urteilen.

    Ich kann mir schon vorstellen, wie da sonst reagiert worden ist. Nämlich mit Schweigen, Kopfeinziehen und die Hoffnung, er möge sich bald aus der Runde entfernen. Dass David S. in seinem Entwicklungsprozess schon einen langen Weg hinter sich hatte, kann man als Spieler natürlich nicht wissen. Aber es sollte eine Grundvoraussetzung sein, angemessen zu reagieren anstatt die Situation nur zu verschlimmern. Wahrscheinlich wurde David S. durch sein Fehlverhalten auf den Servern abgewatscht, also eben auch in gewisser Weise malträtiert.

    Wenn sich schon ein Gefährdeter in die Welt der Onlinespiele begibt, sind Verhaltensauffälligkeiten für das Spiel natürlich nicht von Vorteil. Doch kannten sich die Leute auch persönlich. Gingen ab und zu gemeinsam zum McDonalds, aßen, tranken und fachsimpelten über ihre Zocksessions. David S. hat wohl in diesem Moment entweder vermindert oder vollständig dieselben Zustände vorgefunden wie in der Schule. Saß für sich da, weil er „so komisch redet“ oder „einen komischen Gang hat“, eventuell. Vielleicht auch nicht ganz so direkt. Aber sollte uns bei solchen Dingen nicht doch die Schuld zugesprochen sein, dass wir in der Entwicklung des Gefährdeten, ganz im Einklang mit den anderen Amokläufern, so etwas wie die letzte Instanz bzw. der letzte Strohhalm für ihn sind und ihn abgewiesen haben? Indem wir genau dieselbe Verhaltensweise an den Tag gelegt haben wie Davids Mitschüler? Wie gesagt, da sitzt jemand, dessen Fass schon bis obenhin voll ist, und dann kommen wir daher und füllen die letzten Reste nach, bis es sprichwörtlich übergelaufen ist...




    Was kommt als nächstes?

    Wenn man Gründe für eine Tat wie diese sucht, bleiben die Opfer naturgemäß im Hintergrund. Da David S. seine Opfer, wie nachzulesen war, nach einem Muster aussuchte, wird der Hundert-Prozent-Status jedoch ein wenig herabgesetzt. Jetzt braucht ihr mir nicht sagen, dass man das nicht tut, ich will auch die Tragik und den Schock über die Unsinnigkeit der Tode nicht anzweifeln. Dass sie jedoch – zumindest optisch – in das „Beuteschema“ von David S. passten, hat etwas Bezeichnendes an sich.

    Der Täter hat nichts anderes getan wie andere auch, nämlich seine eigenen Feindbilder kreiert, sie zum Ziel gemacht und zurückgeschlagen. Doch hat er nicht gemobbt oder gehänselt. Er hatte eben nicht gelernt, wie man das tut. Seine Reaktion war eine andere, aber es war eine. Da ist es für den Außenstehenden leicht, ihm unsinnige Ratschläge zu erteilen. Ihn dazu gedrängt, die Leute zu ignorieren – das vielleicht. Höre ich auch ständig. Aber man kann es nicht ignorieren, wenn eine labile Seele schon lange nicht mehr nach dem Muster funktioniert, die Demütigung wegzuwischen oder ganz schnell ganz nach innen zu transportieren. Eine frische Wunde fängt ja auch wieder an zu bluten, wenn man mit den Fingern kratzt. Tut man das ständig, entzündet sich diese, bis die Gliedmaße nicht mehr zu retten ist. Eigentlich ganz simpel, oder?

    Da sich an unserem Verhaltensmuster und die Reaktionen Gefährdeter nichts oder nur wenig oder langsam etwas ändern wird, werden wir auch in Zukunft mit solchen Vorfällen rechnen müssen. Aber bin ich wirklich erstaunt und froh darüber, dass sich die Medien nicht schon wieder auf unser Hobby eingeschossen haben. Ja, selbst ein Christian Pfeiffer, unsere Nemesis schlechthin, hat sich in „hart aber fair“ nicht mal so wie sonst auch über den angeblichen Effekt von „Killerspielen“ ereifert.

    Es war schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Wir sollten es von der psychologischen Seite betrachten, uns anderweitig sensibilisieren und auffällige Menschen mit Macken nicht gleich in der Form ausschließen, wie es in Zügen David S. passiert ist. Jedenfalls kann es so nicht weitergehen, und wir sollten unseren Beitrag dazu auch mal überdenken. Einfach so weitermachen wie bisher, das ist der falsche Weg. Sonst ist es nur eine Frage der Zeit, bis der nächste David S. oder Tim K. vor uns steht und wir vielleicht in die Mündung eines echten Gewehres starren müssen...

Kommentare

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  1. Flatinger
    Da hast du recht, soweit. Allerdings geht es ja auch darum sagen zu können ist es ein "gutes", ein "gehyptes" Spiel wie CS:GO oder eben GTAV und dann muss ich sagen kann uns das mit DER Rahmenhandlung nicht passieren.
    Hier fehlen einfach wichtige Dinge, wieso hasst der alle Menschen? Warum entlädt sich die Wut in Gewalt? Kommt es aus dem Umfeld, sind es die Mitmenschen? u.s.w Um ein gutes Spiel zu sein, müsste es all
    diese Fragen beantworten und vielleicht noch weiter gehen und die folgen einer solchen Tat auch dem Spieler bewusst machen. Dann wäre die Handlung plötzlich vertretbar so wie bei GTA. Und dann könnte man auch trotz der makaberen Rahmenhandlung von einem guten Spiel sprechen wenn es denn diesen Mehrwert bietet und solch eine Tat nicht verherrlicht oder belohnt, sondern es als letzte Konsequenz eines Menschen darstellt der sonst keinen Ausweg mehr gesehen hat.
    Ich hoffe meine Meinung ist nachvollziehbar, sehr heikles Thema aber ich finde gut hier mit euch drüber mal reden zu können.
  2. TheVG
    Deine Ausführungen sind natürlich richtig, nur leider gibt es noch die Unterschiede zwischen Spielern und Verständnisvollen und den Gegnern und "Zartbesaiteten". Du bringst hier eine für dich gerechtfertigte Argumentation an, was auch prinzipiell richtig ist. GTA ist halt auch so ein bisschen ein Grenzfall. Die Satire hinter der Rahmenhandlung wird entweder nicht erkannt oder bewusst ausgeblendet. Hier sage ich noch, dass die Absichten erkennbar sind, und wer die nicht sieht, guckt eben nicht hin oder ist zu "doof" dafür.

    Hatred ist aber ein ganz anders gelagerter Fall. Lass mal das Spiel weg und erzähle einem Spielegegner ganz nüchtern, um was es sich im Spiel dreht. Dann sagst du wahrscheinlich: "Ein Amokläufer, der alle Menschen hasst und töten will.". Das ist doch quasi eine Einladung für ein fast wasserdichtes Argument für Spieleverbote. Da sollte man sich nicht trotzig hinstellen und mit Sprüchen wie "Es ist nur ein Spiel." ankommen. Es geht einfach um den Kontext in der Sache. Wenn die Hatred-Story mit einem Schlusstext versehen würde, dass man das in der Realität nicht tun sollte - kein Problem. Hinweis auf fiktive Handlung - auch kein Ding. Aber nicht einfach eine alles hassende Figur vorführen, die als Hauptfigur und "Held" dein Alter Ego wird. Das reflektiert moralisch gar nichts, sondern ist nüchtern betrachtet noch ein animierender Faktor. Das ist ja kein vorgehaltener Spiegel, sondern ein verlängerter Arm.
  3. Flatinger
    Man muss an dieser Stelle aber immer noch mal betonen, das sich dieses fiktive von dir genannte Spiel, egal ob gut oder schlecht umgesetzt, als Spiel versteht und so muss es auch gesehen werden. Ist die Handlung eines GTA Moralisch korrekt? Nein, aber dennoch ist es schon wieder so Wirr und überzeichnet das es in den Augen vieler Gamer, mich mit einbezogen, ein sehr gutes Spiel ist. Mit Spitzenwertungen in allen Bereichen. Das finde ich gehört mit dazu.Das überspitzte, der Trevor den man einfach nicht ernst nehmen kann.
    Wäre hier seitens Rockstar der falsche Tenor angesetzt worden, das Spiel wäre vermutlich untergegangenen, trotz technisch einwandfreier Machart. Als Spieler muss ich mich um ein Game genießen zu können mit der Handlung anfreunden, vielleicht sogar nachvollziehen. Es geht hier ja nicht rein nur um das Verbrechen begehen.Ein Spiel das uns auf traumatische Weise Amoklaufen ans Herz legt egal wie gut gemacht kann niemals "gute" Bewertungen bekommen, oder von der Community gefeiert werden, da jeder einen Beigeschmack beim Zocken hätte der nicht wegzuwaschen wäre. Es sei denn ich sehe dem Spiel an das es die Thematik selbst nicht allzu ernst sieht(keine Verharmlosung), ja vielleicht sogar kritisch. Um derartig denkende Menschen besser zu verstehen. Das würde aber den gesamten Kontext des kriminellen auf eine spielerische viel leichter mit sich zu vereinbarende Ebene heben, genau wie es bei GTA der Fall ist.
    Worauf ich hinaus will ist, ein Spiel bei dem man Amok läuft in realistischer Art und Weise und dafür den Spieler feiert und belohnt, wäre derart makaber und geschmacklos das es einfach niemals als "gut" empfunden werden kann. Auch wenn es überzeichnet ist, wie ein Gta, so ist es schon durch die Rahmenhandlung Amoklauf alles andere als witzig.
    Ein Spiel das die Psyche des Menschen zeigt, uns erleben lässt wie so jemand sich fühlt bevor es zu solch dramatischen Auswirkungen kommt, uns Zockern und der Gesellschaft einen Spiegel vorhält. Das wäre ein anderer, ein vielleicht besserer Ansatz, um vielleicht sogar durch Spiele eine solche Eskalation eventuell sogar zu verhindern. Ich hoffe niemand bekommt meine Gedanken in den falschen Hals, aber ich wollte meine Meinung auch mal äußern, übrigens super Artikel.
  4. Yeager
    Da haste Recht - nur wird es egal sein.
    Das hält vielleicht die "Mitdenkenden" ab. Menschen mit Empathie, Menschen, die über den Tellerrand schauen. Aber nicht den Rest und auch von Erstgenannten nicht jeden. Wie ich sagte: Es wird gespielt werden. DAS ist dann das eigentliche Problem. Nicht eine moralisch bedingte 60er Wertung. Nicht "überwiegend negativ" oder auch nur "ausgeglichen" @ Steam. Nicht warnende YT-LetsPlays.
    Sondern einfach die Tatsache, dass es Spaß macht.

    WoW war nicht das erste MMO - aber es war erfolgreicher, als alle anderen zuvor zusammen gezählt. Es erzeugte Sucht, es führte in vereinzelten Fällen zu drastischen Folgen, sogar zum (realen) Tod. Es war und ist ein Zeitfresser sondergleichen. Peter Molyneux hat damals in einem Interview gesagte, dass WoW das Schlimmste war, was der Gamebranche überhaupt passieren konnte, weil die Leute nur das spielen und nichts anderes mehr.
    Es gab also viele Gründe, die dagegen sprachen.
    Dennoch wurde es gespielt, massiv, Millionenweise, auch durch mich.

    Nun stelle man sich etwas Vergleichbares vor, muss kein MMO sein, dessen Thematik Amok und Terror ist. Aber ähnlich wie bei den SIMS "verspielt", verharmlost. Oder einfach "nur" griffig, spielbar, taktisch fordernd mit vielen Belohnungselementen, mit einer durchdachten, gut inszenierten Story (!), mit Crafting und Open World, ein GTA, wo es um das Niedermachen von Menschen geht - einfach so - als Frustauslebung und zentralen Spielinhalt, aber eben "gut gemacht"...Ich muss an den Film "Falling Down" denken. An den Effekt, den man als Zuschauer erlebte. Den Wandel: Erst steht man auf der Seite des Protagonisten, dann - erst spät - kippt es und alles ist anders. Was aber, wenn selbst das nicht geschieht, wenn es nie kippt? Wenn dann noch Amokläufe statt finden und man dieses Game bei Durchsuchungen findet: Aus die Maus.

    Das könnte extrem weitreichende Folgen nach sich ziehen.
    Verbote wären nur der Anfang.
  5. TheVG
    Wenn wir ein Hatred mit Spielspaß hätten, dann wäre das tatsächlich ein Dilemma, richtig. Ich kann dann nur hoffen, dass die Magazine ihrer Linie treu bleiben und ihren moralischen Teil des Auftrages wahrnehmen. Hier darf man letztlich dem Spieler das Zepter nicht in die Hand geben, ähnlich dem Rechtspopulismus und "besorgten" Bürgern. So fallen Hemmschwellen, die wir sonst - eigentlich selbstredend - nicht überschritten hatten.
  6. Yeager
    Nein, aber das dachte ich mir. Mache ich auch. Wahrscheinlich ist meine S-Grösse höher eingestellt, liegt glaub ich bei 11 oder 12.

    Ich glaube, wir können von Glück reden, dass Hatred in Sachen Spaß machender Game-Mechanik versagte und schon deswegen miserable Wertungen erhielt. Mein erster Gedanke war es - und ist es immer noch:

    Was machen wir, wenn mal ein Neo-Hatred rauskommt, das dann aber als Spiel wirklich GUT ist? Dann haben wir ein gewaltiges Problem!

    Denn egal, wie die Berichterstattung darüber ausfällt, egal, ob einige Zines da trotzdem moralische Abzüge für geben - die Leute werden es spielen. Damit erscheinen wir als Spieler endgültig in dem Licht, von dem du gesprochen hast. Und können uns nicht mehr rausreden. Alles, was wir dann noch als Argument hätten wäre, dass dieses neue, Spaß machende "Hatred" (kann auch anders heissen und von anderem Studio sein) uns unseren Zynismus in sonstigen Spielen vor Augen hielte. Wie etwa Counter Strike, Call of Duty, Battlefield und wie sie alle heissen. Das wäre dann selbst für uns ein sehr wackeliges Argument - für einen aussenstehenden Rezipienten wird das aber viel drastischer ausfallen: Der wird uns jede Empathie absprechen, uns als unreflektierte, unmenschliche, durch Spiele konditionierte Zombies darstellen. Und das dann eventuell sogar zurecht.

    Medien und Politiker schlachten ALLES aus. Es kann erfolglos sein, es kann uralt sein, es kann sich um ein Spielgenre handeln, das nicht mal zu den üblich Verdächtigen gehört. Sogar World of Warcraft wurde damals in einen Topf mit CS & Co geworfen. Aber bei den Medien habe ich keine Sorge. Egal was sie schreiben, sie haben letztlich keine Handhabe. Ganz anders sieht es bei Politikern aus:

    Wenn eine Wahl vor der Tür steht - und das tut sie bundesweit im nächsten Jahr - wenn die Ergebnisse nicht rosig aussehen, wenn zu den bereits vorhandenen Parteien eine dazu gekommen ist, die noch weitaus tiefer im rechts-konservativen Spektrum liegt - und die eigene, bereits stark rechts-konservative Einstellung noch zu toppen droht - und das auch noch mit Erfolg (AfD -> CD/SU), dann wird aber ganz schnell Nägel mit Köpfen gemacht. Dann ist jedes Bauernopfer recht. Das passiert jetzt schon bereits, als ginge es um ein Wettrennen, wer die strengere, konservativere, engstirnigere Politik fährt. Weil es nicht nur so wirkt, sondern auch so ist. Hauptsache, man kann kurz vor Schluss sagen, man hat gehandelt und nicht gepennt. Das kann dann ganz fix gehen. Ich glaube daher, dass unser Gefühl von "Sicherheit", hat sich alles gelegt, passt scho', verfrüht ist.
  7. TheVG
    Ich kopiere den Text immer aus Open Office rüber, liest du mit Smartphone?

    ...

    Was "Hatred" angeht, stimme ich dir zu, zumindest bis zu einem bestimmten Punkt. Das Spiel ist ja schon innerhalb der Spielerschaft so derbe kontrovers aufgenommen worden, dass es sich vielleicht aufgrund der Rahmenhandlung die Aufmerksamkeit erschlichen hat, aber ist als Spiel ziemlich öde, wie zu lesen ist (ich werde da keinen Cent reinstecken). Schon eine ziemlich blöde Situation für uns, dass Spieler da keine moralische Wertung abgeben und gerade wegen der Amoklauf-Vorgeschichte sowie der Mediendiskussion scheuklappenmäßig den Spielspaß proklamieren. Ja, das nährt dann den Eindruck, dass wir angeblich abstumpfen und die Würde der Amoklaufopfer mit Füßen treten würden. Ich finde es auch geschmacklos. Andererseits gibt es noch die andere Hälfte der Spieler, die genau das Gegenteil tun, nämlich kritisieren, um die Sachlage nicht zu unseren Ungunsten zu verlagern.

    Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass da irgendwann noch nachgetreten würde. "Hatred" ist ja schon eine Weile auf dem Markt, und die Aufregung hat sich ja ziemlich verflüchtigt so wie das Spiel selbst. Die Wertungen waren mies, niemand redet mehr so recht darüber. Auch ein gutes Zeichen, würde ich sagen.

    Ich kann deine Besorgnis vor dem Umschwenken der Medien schon verstehen. Ich denke aber nicht, dass erstens irgendein Umstand eintritt, der uns Gutgläubigen vor den Latz geknallt werden wird. Ich denke auch nicht, dass die Massenmedien "Hatred" noch gar nicht auf den Schirm hätten, und dass jetzt einer mal etwas genauer recherchieren würde und das Spiel jetzt wie einen verlorenen Geldbeutel auf der Straße liegen sieht. Nein, im Grunde haben uns die Massenmedien die Arbeit erspart.
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  8. Yeager
    @ TheVG:
    Kannst du die Schrift grösser machen?
    Keine Ahnung, ob es nur bei mir so ist, aber es ist anstrengend (optisch) zu lesen. Ansonsten: Daumen hoch!


    Scheint so.
    Ich traue dem Braten aber nicht.

    Die Medien haben es nicht vergessen, wie negativ ihr Populismus damals ankam. Das hat sie den einen oder anderen Stamm-Konsumenten gekostet und ihr teilweise akribisch auf Authentizität und Reflektiertheit bedachte Image angekratzt. Kurz: Sie haben einen Grund sich in Zurückhaltung zu üben. Bis auf BILD. BILD kann alles, darf alles, macht alles, weil sie sich genau deswegen verkauft. BILD kann heute A, morgen B und übermorgen wieder A sagen und sieht darin nicht das geringste Problem. BILD hat kein Image, das sie verlieren könnte.

    Bei Politikern sieht es anders aus: Sie wollen das Bild erzeugen, dass sie fähig sind, dass sie etwas tun. "Besser das Falsche, als gar nichts" lautet die Devise. Das ist ein Faß mit doppelten Boden und kann durchaus nochmal explodieren.

    In der Fachwelt ist Einigkeit ebenfalls selten:
    Es gibt Meinungen von Psychologen, dass kein Medium imstande ist jemanden zu einer Tat zu bewegen, zu der er nicht schon VOR dem Konsum des Mediums positiv eingestellt war. Dass sie also kein Feuerleger, schlimmstenfalls ein Brandbeschleuniger sind.
    Und dann gibt es wiederum Untersuchungsergebnisse die belegen, dass Spiele enthemmend wirken und sogar dieselben Hirnzentren aktivieren, wie in einem Echtfall der Aggression, des Angriffes oder der Verteidigung. Was für sich selbst gesehen erstmal nichts heisst, aber als Indiz heran gezogen werden kann. Und wir wissen, wie schnell aus Indizien "mehr" wird.

    Die Hetze wird teils auch von den Medien scheinbar "zufällig" mit verursacht. So ist z.B. heuer von einem Deutsch-IRANER die Rede. Dass die grosse Mehrheit der Amokläufer Deutsche waren, wird unterschlagen. Das "Iraner" wird nicht zufällig hinten dran gesetzt. Und schon hat man wieder einen Sündenbock gefunden. Könnte mit Spielen genauso passieren.

    Was die Allgemeinheit betrifft, so ist die Lage ein Unentschieden. Der spielende Teil hält nichts von der Hexenjagd, dem nicht-spielenden ist es entweder egal, oder er sieht vereinzelt, dass kein Medium für solche Taten belangt werden kann oder es ist ihm ganz Recht, da er einen Sündenbock braucht. Also ist von der Seite der Allgemeinheit ebenfalls alles Mögliche zu erwarten.

    Momentan überschlagen sich die Ereignisse, ein Attentats- und eine Terrormeldung nach der nächsten kommen rein. Alle aus unterschiedlichen Orten, alle unterschiedlich motiviert und von unterschiedlichen Personen(gruppen) verübt. Wenn das weiter anhält und auch nur in einem geringen Teil solcher Fälle Hausdurchsuchungen Computerspiele mit Gewalthintergrund finden - möglicherweise sogar extrem kontroverse Titel, wie z.B. "Hatred" - dann bin ich mir sicher, dass die Diskussion erneut aufflammen und diesmal "durchgegriffen" wird - analog zur o.gen. Devise.

    Wenn es schon so weit gekommen ist, dass Teile der Regierung, namentlich CDU und speziell Verteidigungsministerin Von der Leyen den Einsatz des Militärs im Innern (!) nicht nur als unproblematisch, sondern sogar als wünschenswert ansehen und basierend auf juristischen Schlupflöchern in München schon einsetzen wollten, dann ist alles möglich. Dann könnte die Debatte wegen Killerspielen noch das geringste Problem werden.
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  9. Yeager
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  10. meisterlampe1989
    Ich glaube mittlerweile, dass "wir Computerspieler" uns hysterischer benehmen, als die "andere Seite". Bis auf den Schnellschuss des Ministers und einem polternden Volker Kauder bin ich bisher positiv überrascht. Es gibt keine Verbotsforderungen, ein Christian Pfeiffer findet fast schon versöhnliche Worte bei "Hart aber Fair", es gibt keine Artikel in den Medien, die nicht darauf hinweisen, dass es keine klare Studienlage gibt. Manche Zeitungen und Magazine, darunter sogar der "Stern" und die "Süddeutsche", kritisieren sogar, dass der Innenminister Computerspiele erwähnt hat. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender stehen dem Thema dieses Mal ausgeglichen gegenüber.
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