Raus aus Georgien - Es geht wieder los!

Von belerad · 2. Mai 2023 ·
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  1. Meine Zeit in Georgien musste sich nun langsam dem Ende nähern, denn es zog mich wieder weiter in die Ferne. Aber die restlichen Kilometer blieben nicht ereignislos…


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    Letzte Vorbereitungen


    Erst einmal muss ich beichten. Nachdem ich die Zeit über Weihnachten im Hostel mit ganz wundervollen Menschen verbracht hatte, hatte ich dennoch ganz ordentliches Heimweh. Gerade zu dem Fest, das für mich am meisten mit Familie verknüpft ist, war es für mich sehr schwer, die Zeit ohne sie zu verbringen. Darum saß ich ein paar Tage später im Flieger und blieb eine gute Woche im Kreise meiner Familie, bis es anschließend wieder zurück ins Hostel ging.

    Zurück in Tiflis wollte ich aber endlich wieder weiter. Ich wollte nur noch auf die Bestätigung meines iranischen Visums warten und dann sollte es weitergehen. Am 26. Januar war es dann endlich soweit und ich begab mich wieder auf den Weg. Dieser sollte mich kreuz und quer durch Georgien, in den kleinen Kaukasus, hoch zum großen Kaukasus und von Batumi aus über die Grenze in die Türkei führen, wo ich in Trabzon mein Visum abholen konnte. Es war zwar mitten im Winter und Touren ins Gebirge können problematisch sein, jedoch hat es in dieser Saison ungewöhnlich wenig geschneit, so dass alle geplanten Pässe frei waren.

    Den Rahmen wiederum hatte ich noch nicht schweißen lassen. Ich hatte ein Angebot aus der Türkei, von meinem Freund Mert, dass ich ihn dort kostenlos reparieren lassen konnte und das von jemanden, der auch versteht was genau ich möchte. Darum hatte ich den Rahmen für die Strecke bis nach Erzincan noch einmal etwas besser provisorisch geflickt. In dem Rahmen selbst habe ich noch Rostschutz gesprüht, alles Wasserdicht mit Tape abgeklebt und mit Rohrschellen gesichert. Den Gepäckträger dann wieder, wie zuvor, mit Draht und Tape an den Schellen befestigt. Scheint zumindest zu halten und was kann schon schief gehen.

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    Los geht’s (mit ersten Pannen und Problemchen)


    Der erste Tag verging auch ganz ereignislos, aber ich genoss es wirklich, wieder auf dem Sattel zu sitzen. Dafür war die erste Nacht empfindlich kalt, ging es doch gleich vom extrem beheizten Hostel auf -5C im Zelt. Darum wachte ich nach einer sehr unruhigen Nacht am nächsten Morgen mit enormen Kopfschmerzen auf. Das ließ sich mit Paracetamol zwar problemlos beheben, aber es dauerte noch einige Nächte, bis sich der Körper an den Wechsel ins kalte Zelt gewöhnt hatte und ich ohne Painkillers am Morgen weiterfahren konnte.

    Bis nach Gosi ging es an der Weinroute entlang. Zu anderen Jahreszeiten kann ich mir gut vorstellen, dass hier weitaus mehr los ist. Gerade die ganzen leerstehenden Stände mit Tonamphoren entlang der Straße ließen das vermuten und gerne hätte ich dort eine Flasche des traditionellen Georgischen Quevri Weins gekauft. In der Stadt angekommen, hätte ich auch gerne die Burg besichtigt, aber da zeigte sich mal wieder das Problem, wenn man Radreisender ist. Die Straße hoch zur Burg war gesperrt und ich wollte das Rad, mitsamt der Ausrüstung, nicht unbewacht stehen lassen. Also ging es ohne Umschweife direkt weiter und als Trost, baute ich mein Zelt neben der Burg von Samtservsi auf.

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    Als es am Morgen schließlich weiter ging, war alles nur noch grau in grau. Das Wetter verschlimmerte sich zusehends und es wurde immer unangenehmer. Aber nicht nur das Wetter. Die Straße nach Borjomi wurde sehr eng, sodass ich bei jedem der vielen LKWs in den unbefestigten Seitenstreifen ausweichen musste, in denen immer wieder Müll lag. Das machte sich natürlich innerhalb kürzester Zeit mit einem Platten bemerkbar.
    Am Abend fand ich dann einen leerstehenden Pavillon, in dem ich windgeschützt mein Zelt aufbaute und pünktlich zum Essen am warmen Lagerfeuer Besuch bekam. Dem Besuch schmeckten zwar die Folienkartoffeln nicht, aber Brot und Wurst schien er zu mögen.

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    Der nächste Tag begann auch gleich wieder mit einem Platten. Scheinbar bin ich beim Ausweichen in eine Scherbe gefahren, denn der Mantel war bis zum Schlauch aufgeschnitten. Nach dem üblichen Flicken, sicherte ich den Mantel von der Innenseite noch mit Tape, in der Hoffnung, dass es ausreichen wird, den Schlauch von Dreck zu schützen. Dafür war heute wieder besseres Wetter am Start und auch die Landschaft war wunderschön. Das änderte sich aber am Abend. Kurz nach Benara, am Einstieg zum Pass, zog das Wetter zu. Erst kam Regen, der kurze Zeit später zu Schneefall wurde. Ich hatte zwar mein Zelt schon aufgebaut, aber mir schwante schon übles…

    Wie sollte es auch anders sein. Nicht nur war am nächsten Morgen mein Zeltplatz ein einziges Schlammfeld, so dass der ganze Dreck zwischen Reifen, Schutzblech und Bremsen hängen blieb, bis sich nichts mehr drehte, sondern nachdem das Problem gelöst war und ich schon einiges an Höhenmeter hinter mir hatte, wurde ich von der Polizei angehalten. Aufgrund des Schneefalls gestern Nacht war der Pass gesperrt. Aber nicht nur das, sondern auch der zweite Pass, der von Benara nach Adigeni führte, war ebenfalls gesperrt. So blieb mir nur noch übrig, direkt in die Türkei zu fahren oder umzudrehen, aber einerseits war der Pass in die Türkei noch höher und ich hatte dazu keine Informationen, und andererseits galt meine Aufenthaltserlaubnis für die Türkei nur noch knapp 30 Tage, was mit dem Umweg den ich in Kauf nehmen müsste knapp werden könnne. Also hieß es umdrehen und den gleichen Weg wieder zurückzufahren. Die einzig positiven Sachen waren, dass das Wetter wieder aufklärte und die vorher grauen Landschaften um einiges schöner waren und dass aufgrund des Schneefalls und der gesperrten Pässe keine LKWs mehr fuhren.

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    Etwas zu feiern und “Schnauze voll”


    Zum Mittag wieder in Kashuri angekommen, war ich ziemlich durchgefroren. Zwar war das Wetter schön klar mit blauem Himmel, aber es war auch saukalt und ich kam einfach nicht auf Temperatur. Darum hielt ich gleich bei den ersten Ausläufern der Stadt einen Imbiss an, um mich mit einer heißen Teigtasche aufzuwärmen. Der Verkäufer schien Mitleid mit mir zu haben, denn er gab mir auch noch einen Becher Chacha aus, ein selbstgebrannter georgischer Schnaps, mit rund 70 Umdrehungen. Nach ein bisschen Smalltalk schenkte er mir gleich die ganze Flasche, die mir ab sofort und für sehr lange Zeit sehr gute Dienste leisten wird.

    Mit wenig Lust, weiter auf Hauptstraßen zu fahren, entschied ich mich blindlings dafür, den Suramipass Richtung Kharagauli zu fahren. Mitten beim Aufstieg fiel mir dann auch auf, dass ich gerade die 10.000km Marke auf der Reise geknackt hatte. Natürlich gönnte ich mir darum gleich noch einen kleinen Schluck Chacha.

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    Der Pass war weitaus problematischer als ich es mir vorgestellt hatte. Dabei lag das weder an dem Schnee noch an der Steigung beim Aufstieg. Nein, der Abstieg machte mich aufgrund des Schlamms fix und fertig. Zwar kein Lehm, der sich überall festsetzte, aber dünnflüssige, tiefe Schlammpfützen, die das komplette Rad und mich braun färbten, zusammen mit einem von eben diesen Pfützen verdeckten Geröll Untergrund, wo man aufpassen musste, nicht ständig mit dem schwer beladenen Rad umzukippen. Zeitgleich hatte ich das Gefühl, dass sich meine Bremsbeläge aufgrund des zusätzlichen Drecks innerhalb von Sekunden auflösten.

    Der Abschnitt zog sich deshalb auch länger als gedacht, weshalb ich langsam aber sicher unbedingt einen Platz fürs Zelt brauchte. Dieses Mal direkt neben einer Bahnlinie, bei der die Züge die ganze Nacht durch, stündlich das Hupen anfingen.

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    Am nächsten Morgen hieß es erst einmal weiter Bergab bis nach Kharagauli und kaum hatte ich die ersten paar Kilometer hinter mir, machte sich mein Pedal selbständig. Da hatte sich doch tatsächlich eine Schraube gelöst, die sich jetzt irgendwo, zwischen Zeltplatz und der jetzigen Position, in irgend einer Schlammpfütze befinden konnte. Natürlich suchte ich nicht danach, auch wenn ich wusste, dass es eine Art Schraube ist, für die ich vermutlich keinen Ersatz finden werde. All so schlimm ist es aber nicht, ich konnte das Pedal doch lose wieder auf die Stange schieben und im losen Zustand weiter trampeln.

    Einen oder zwei weitere Kilometer weiter, hatte ich den nächsten Platten. Es stellte sich natürlich heraus, dass sich das Tape gelöst hatte und der Schlauch an mehreren Stellen, vom Dreck, fast durchgescheuert war. Mal wieder konnte ich also einen fast neuen Reifen wegschmeißen und dazu auch noch den Schlauch. Langsam aber sicher hatte ich echt die Schnauze voll. Ich war keine 10 Tage seit Tiflis unterwegs, hatte in der Zeit aber schon 7 Pannen, die ich nicht alle einzeln aufgezählt hatte, sowie das “Unglück” vorm ersten Pass umdrehen zu müssen. Aufgrund dessen verlegte ich meine Route von kleinen Nebenstraßen, zurück auf die Autobahn. Hier traf ich mal wieder auf einen anderen Radreisenden aus Frankreich, den Jerome. Ich hatte aber absolut keinen Nerv und wimmelte ihn relativ schnell ab. Zum Glück stellte sich am Abend heraus, dass Leon, ein anderer Reiseradler, mit dem ich schon länger in Kontakt stehe, ihn ebenfalls kennt, so dass ich mich bei Jerome zumindest digital nochmal melden und mit ihm reden konnte.

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    Und wieder mal umkehren


    Wieder auf dem Rad hatte sich meine schlechte Laune fürs erste beruhigt, auch wenn mich am Morgen im Zelt das Tropfgeräusch stetigen Reges geweckt hatte. Und das sollte für diesen Tag auch so bleiben. Aber das störte mich nicht, denn einerseits hatte ich, was Regen angeht, auf der bisherigen Tour nur wenig zu meckern und andererseits hatte ich so eine Ausrede, mich selbst zu einem Besuch im Wendy’s einzuladen. Das einzige was mich daran störte war, dass ich Kutaisi blind durchfahren bin, denn auf eine Stadtbesichtigung im Regen hatte ich dann doch keine Lust.

    Nachdem ich am Abend einen leerstehenden Rohbau gefunden hatte, konnte ich meine Sachen erst einmal alle trocknen und machte mal wieder einen vollen Service am Bike. Nach dem ganzen Regen, Schlamm und Schnee der letzten Tage, war das auch nötig.

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    Der Wetterbericht stimmte mich dann aber trotzdem traurig, denn für die kommende Woche war durchgehend Schneefall für meine Route durch den hohen Kaukasus gemeldet. Da ich keine Lust hatte, wieder auf halbem Weg umkehren zu müssen, entschied ich mich schließlich komplett dagegen und plante meine nächste Route zwar weiterhin abseits der großen Straßen, aber nicht mehr ins Gebirge, sondern weiter in Richtung Batumi.

    Wettertechnisch hatte ich mich zumindest richtig entschieden. Während in den Bergen sichtlich ein Unwetter tobte, schien bei mir die Sonne, so dass ich sogar mal wieder im T-Shirt herumfahren konnte, wenn auch nicht lange, da der Wind kurze Zeit später ziemlich auffrischte.
    Die Laune war aber durch die Sonne und die Ortschaften wieder auf einem hohen Niveau. So ging es weiter durch Tskaltubo und einem kleinen verlassenen Dörfchen Namens Besiauri, wo immer noch stolz Flaggen und Schilder hängen, bis nach Poti, wo ich zum ersten Mal am schwarzen Meer ankam. Ein paar Kilometer weiter baute ich dann auch zum letzten Mal mein Zelt in Georgien auf, mit Blick auf Berge und Meer und wieder einmal mit einem neuen Freund mit vier Pfoten.

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    Am letzten Tag in Georgien schoss ich relativ flott am Mittag durch Batumi. Ich wollte den Grenzübertritt in die Türkei relativ zeitig hinter mir bringen, denn wenn ich die Karte richtig lese, sollte es ziemlich problematisch werden, an der türkischen Küste einen Zeltplatz zu finden und darum hätte ich dann doch gerne einen zeitlichen Puffer.

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    Wie immer sind in der Galerie noch einige Bilder mehr zu sehen

    Über den Autor

    belerad
    Baujahr 1982, 30 Jahre Videospielgeschichte und jetzt Abstinent, gehe ich auf Weltreise und versuche Menschen mitzunehmen, die neben dem Zocken, auch auf wirkliches Abenteuer Interesse haben.

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