Skyrims Moralbotschaft

Von Bastius · 1. Oktober 2011 · Aktualisiert am 18. Oktober 2011 ·
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  1. Im Moment der absoluten Entscheidungshoheit entblößt Matschijewsky die finstere Brutalität der Skyrimwelt und lässt damit auch in seine Persönlichkeit blicken: Statt dem Dieb eine gerechte Strafe zukommen zu lassen, ermordert er ihn auf der Flucht. Und das alles für eine goldene Adlerkralle, nicht größer als ein Zeigefinger. Diebesgut, verschleppt in eine Spinnenhöhle, gefunden von einem verirrten Wanderer, der sich selbst größter Gefahren aussetze und nun von seinem Fund noch einmal profitieren wollte. Ein folgenschwerer Fehler, wie ihm Matschijewsky lehren sollte.

    Aber eine Spinne klaut doch keine Adlerkrallen! Doch was geschah wirklich? Haben Camilla und Lucan, die den Helden beauftragten, die, nach ihrer Aussage, gestohlene Adlerkralle zuzurückzubringen, sie selbst verloren und fürchteten ihre Feigheit als neusten Tratsch in der Dorfgemeinde zu hören?
    Vermutlich nicht, denn tatsächlich waren am Höhleneingang einige Banditen: Ich gestehe Matschijewsky ein, mit diesen Gesellen war wohl kaum zu verhandeln. Und so wurden sie niedergestreckt.
    War also der verwirrte Wanderer doch ein Dieb? Es lässt sich nur schwer nachvollziehen. Warum wagt er sich so tief in die gefährliche Höhle vor? Dient sie doch scheinbar als Banditenlager, die müssten doch wissen, was in der tiefen Dunkelheit haust.

    Der verwirrte Wanderer floh vor den Banditen, fand auf dem Weg die Adlerkralle und versteckte sich in der Höhle, nichts ahnend, dass eine Riesenspinne ihn zum späteren Verzehr vorhatte zu konservieren. Vielleicht.

    Matschijewsky hat seine Entscheidung zumindest getroffen und sein Opfer machte es ihm auch leicht: Warum flieht der denn auch! Und lacht dabei auch noch! Das Spiel aber machte es ihm auch leicht, er flehte nicht ums Überleben und gab auch nicht nach, im Angesicht des Todes! Im Dorf angekommen, sackt der Held erstmal die Belohnung ein, und? Nichts, es störte niemanden. Es gab keine Zeugen. Sonst hätte Matschijewsky die wohl auch beseitigen müssen.
    Und auch niemand vermisst ihn. Der perfekte Mord! Wer soll sich schon über eine Leiche in einem Banditenlager wundern, da sind die Täter nicht fern.
    Stattdessen wird Matschijewsky, der (bald) Drachentöter, mit einer wirklich folgenreichen Aufgabe betraut und das Spiel meint folgendes tatsächlich ernst, denn der Ausgang dieser Aufgabe hat wirkliche Auswirkungen auf den Spielverlauf, nämlich ob er einen Begleiter erhält.

    Hierfür entdecken die Skyrim-Macher, dass Humor erlaubt ist: Faendal, ein schüchterner Elfenjäger, ist verschossen in die hübsche Camilla. Aber er ist nicht der einzige, der um Camilla wirbt. Gegen den literarisch begabten Sven und seinen romantischen Liebesbriefen kommt er nicht an, meint er zumindest. Für den Helden ist das natürlich kein Problem: Schnell einen Liebesbrief fälschen, die blöde Camilla merkt das schon nicht, und schon wird sie Sven hassen und sofort auf Faendal abfahren, der sich ja nur gespielt uninteressiert im Hintergrund aufhielt.
    Und das, ich hoffe, ich spoiler nicht zuviel vom Artikel, ist laut Pete Hines eine folgenschwere Entscheidung: Davon wirds auch mehr geben!

    Dabei wurde die echte Entscheidung schon vorher gefällt und die war wirklich folgenreich: Hier wurde blitzschnell (und das kann gute Entscheidungen auszeichnen) eine Wahl über Leben und Tod getroffen, im Schnellverfahren über eine Strafttat gerichtet. Die Chance, dem Spieler einen Spiegel vorzuhalten: Was hab ich denn da gerade getan?

    Hilfreich dazu: Wo war der Aufstand im Dorf? Die Dorfbewohner nehmen doch nicht einfach den Mord, wenn auch eines Diebes, einfach so hin.
    Das Potenzial, welches sich aus dieser einen Entscheidung rekrutiert, ist fast unbegrenzt. Ich möchte eine Variante vorstellen:
    Die Dorfbewohner sind entsetzt, einen Mörder dulden sie nicht. Er soll gehängt werden. Noch bevor der Held die Flucht ergreifen kann, wird er von Soldaten eingekreist. Gewinnen kann er hier nicht, nur seine Strafe noch härter ausfallen lassen. Denn bisher hat er nur einen Dieb erschlagen, versichert er, und wenngleich die Dorfbewohner das Schlimmste fordern, entscheidet hier jemand anderes.

    Die Situation klärt sich, der Held wird in Haft genommen. In den folgenden Tagen wird über seine Strafe geurteilt werden, der faire Gerichtsprozess wurde noch nicht erfunden. Doch das Schicksal meint es gut mit ihm: Ein Drache wurde gesichtet! Angst macht sich breit und besonders Ratlosigkeit, bis der Blick auf den Gefangenen fällt: Er solle den Drachen erlegen, das Dorf retten, dann seien sie bereit, ihm zu vergeben.
    Denn es war doch nur ein Dieb ... das kann unmöglich die einzige Chance auf Überleben wert sein!

    Aber was passiert eigentlich, wenn der Held eben nicht vorschnell richtet und den Wanderer fliehen lässt? Er wird vermutlich in die Stadt fliehen, dort vom Helden aufgespürt werden und schlussendlich doch noch nachgeben. Wie das genau vorgeht, ist dann wohl dem Produktionsaufwand zu bemessen. Denn das möchte ich doch eingestehen: So ausgeprägte Entscheidungen kosten viel Arbeit und werden im Zweifelsfall gar nicht von allen Spielern wahrgenommen.

    Der Text bezieht sich auf den Skyrim-Preview von Daniel Matschijewsky aus der Gamestar 11/11, der sehr lesenswert ist, auch wenn ich die kritische Betrachtung abseits von technischen Details und Spielmechaniken vermisse. So werden wir wohl nie erfahren, ob der Wanderer ein Dieb war oder vielleicht sogar selbst beauftragt wurde, die Adlerkralle zu holen.

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