Tests gehören zur DNA des Spielejournalismus. Aber was gilt es zu beachten, wenn man einen verfassen möchte? Hier findet ihr eine erste Anlaufstelle.
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So schreibt ihr Spieletests – ein Einsteiger-Guide
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Glaubt man den Kommentarspalten im Internet, ist das Verfassen von Spieletests kinderleicht: Ein bisschen daddeln, ein paar Sätze dahinklatschen, Text veröffentlichen – Profit!
In der Realität ist der Prozess natürlich etwas komplizierter und birgt manch einen Fallstrick. Wenn ihr jemals mit dem Gedanken gespielt habt, einen Spieletest zu schreiben, dann solltet ihr jetzt sehr gut zuhören. In diesem Guide mache ich euch nämlich mit den Grundlagen dieses Handwerks vertraut.
Falls ihr mich noch nicht kennt: Ich bin Enrico, seit 2021 freier Spielejournalist und Betreiber meiner eigenen kleinen Website. Meine Anfänge als Spieletester liegen jedoch im User-Bereich von GameStar.de. Der Kollege Bakefish hat mir bei diesem Text außerdem etwas unter die Arme gegriffen und wertvolle Tipps beigesteuert (vielen Dank nochmal!). Wir beide haben zusammengenommen um die 150 Tests verfasst – mehr Erfahrung werdet ihr also höchstens noch bei langjährigen professionellen Redakteuren vorfinden.
Technische Grundlagen
Wenn ihr euch heutzutage den Community-Bereich anschaut, werdet ihr merken, dass es immer noch eine spezielle Sektion für Lesertests gibt. Es können dort aber keine neuen Texte mehr veröffentlicht werden. Stattdessen möchten wir uns zu den »Blogs« begeben. Nun müsst ihr zuerst einen eigenen Blog erstellen, den ihr zum Beispiel »Tests von [euer Name]« nennen könnt. Diese Funktion ist aber nicht bei allen Usern von Anfang an freigeschaltet. Wenn ihr noch neu seid, solltet ihr euch zuerst ein wenig im Forum einbringen, damit der Button auftaucht. Alternativ könnt ihr auch unserer Community-Managerin Mary schreiben, die euch dann gegebenenfalls manuell freischaltet.
Habt ihr erfolgreich einen Blog kreiert, könnt ihr darin nun Einträge veröffentlichen. Der Editor gibt euch eine ganze Reihe an Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand, darunter Kursivierungen, Links und farbige Schrift (letzteres bitte nur mit Vorsicht benutzen). Auch Überschriften sind wichtig, um eurem Text Struktur zu geben. Die entsprechenden Codes findet ihr, wenn ihr euer Profil ansteuert und dort in der oberen rechten Ecke die drei weißen Balken anklickt. Geht dann auf »Hilfe« und anschließend auf »BBCodes«.
Um euren Text möglichst ansprechend zu gestalten, solltet ihr Bilder einbauen. Für Anfänger bietet es sich an, die Bilder aus der Galerie der jeweiligen Produktseite hier auf GameStar.de zu nehmen (Beispiel). Wenn ihr hingegen eure eigenen Bilder verwenden wollt, könnt ihr diese bei Anbietern wie abload.de oder directupload.net hochladen. Screenshots könnt ihr bei Steam-Spielen komfortabel mit f12 erstellen, ansonsten bietet sich unter anderem Geforce Experience für diesen Zweck an. Bildunterschriften setzt ihr am besten kursiviert direkt unter das Bild. Wichtig: Die Bilder unterstützen den Text, nicht anders herum. Seht zu, dass euer Text auch tatsächlich noch als Text zu erkennen ist und nicht wie eine Bildergalerie anmutet.
Vorbereitung
So viel zur technischen Seite. Aber wie fängt man nun konkret mit einem Test an? Wählt zunächst ein Spiel aus. Ihr könnt hier natürlich direkt eines eurer Lieblingsspiele nehmen, aber selbst in diesen Fällen lohnt es sich, vorher noch einmal reinzuspielen. So könnt ihr überprüfen, ob sich eure Erinnerungen an das Spiel noch mit der Realität decken (und ihr könnt gleichzeitig Screenshots erstellen).
Es ist außerdem sinnvoll – aber meiner Meinung nach nicht zwingend notwendig – vor dem eigentlichen Schreiben des Texts Notizen anzufertigen. Manch ein Kollege schreibt handschriftlich während des Spielens mit, ein Textdokument tut es natürlich auch. Bringt eure Notizen in eine sinnvolle Reihenfolge (dazu gleich mehr) und überprüft diese dann auf ihre Schlüssigkeit. Verzweifelt nicht, wenn eure Stichpunkte überschaubar geraten sind – viele Ideen ergeben sich erst beim richtigen Schreiben.
Teil I: Die Einleitung
Manch ein Lesertest geht direkt in medias res und verzichtet komplett auf eine Einleitung. Begeht diesen Fehler bitte nicht. Einleitungen sind wichtig, um eure Leser in die Materie einzuführen. Sie sollen im besten Fall Interesse erzeugen und gehören außerdem auch ganz einfach zum guten Ton. Ihr könnt natürlich die klassische »Spiel X stammt von Entwickler Y und wurde dann und dann veröffentlicht«-Einleitung nehmen – das wird euch als Anfänger niemand verübeln. Besser ist es jedoch, einen interessanten Einstieg zu finden, zum Beispiel könnt ihr mit einem markanten Zitat aus dem Spiel einsteigen, ihr könnt eine besonders spannende Spielszene beschreiben oder ein übergreifendes Motiv schon einmal anschneiden. Hier könnt ihr natürlich auch erwähnen, was genau euer Interesse an dem Spiel geweckt hat. Weiterhin ist es sinnvoll, die Einleitung mit einer These abzuschließen, beispielsweise »Spiel XY ist eigentlich super, hat aber eine große Schwäche«.
Die Einleitung aus meinem GameStar-Test zu Teardown. Man beachte die These am Ende.
Teil II: Der Hauptteil
Der Hauptteil ist das Herzstück eures Tests und damit auch der bei weitem umfangreichste Teil – das kann abschreckend wirken. Ich würde euch folgende grobe Struktur nahelegen:
1. Besprecht zuallererst die Story und das Setting. Damit liefert ihr den nötigen Kontext für eure späteren Ausführungen. Wie lautet die Ausgangslage? Wie heißen die wichtigsten Figuren? Bleibt die Geschichte spannend? Ist sie glaubwürdig erzählt? Hier könnt ihr auch schon einmal die Spielzeit einbringen.
2. Widmet euch danach dem Gameplay. Erläutert zuerst die Grundlagen: Welche Perspektive wählt das Spiel, wie steuert sich das? An welchen Stellen ist das Spiel klassisch, wo innovativ? Bei Rollenspielen solltet ihr nun zum Beispiel das Kampf- und das Skillsystem beschreiben. Auch Aspekte wie das Balancing und die Langzeitmotivation können erwähnenswert sein. Wichtig: Als Kritiker sollt ihr nicht nur auflisten, sondern vor allem auch bewerten und einordnen.
3. Im letzten Teil des Hauptteils beschäftige ich mich in der Regel mit der Präsentation, also mit der Grafik und dem Sound des Spiels. In diesem Zusammenhang könnt ihr auch erwähnen, ob diese Elemente eine starke Atmosphäre aufbauen. Außerdem: Wie ist die Performance? Gibt es Bugs?
Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel. Bei Minecraft macht es zum Beispiel keinen Sinn, erst gegen Ende zu erwähnen, dass das Spiel ausschließlich aus Blöcken besteht und auf pixelige Texturen setzt.
Teil III: Fazit
Zieht ein Fazit! Hier solltet ihr die wichtigsten Pro- und Kontra-Aspekte gegeneinander abwägen und eine Qualitätseinschätzung treffen beziehungsweise eine Empfehlung abgeben. Ist das Spiel absolut großartig oder doch nur gut? Ist es nur knapp überdurchschnittlich, aber vielleicht doch für einen bestimmten Spielertyp interessant? Wenn ihr richtig kunstvoll arbeiten wollt, baut ihr im Fazit außerdem einen Rückbezug auf eure Einleitung ein.
Typischerweise steht am Ende eines Tests auch eine Pro-Contra-Aufzählung. Ich persönlich bin kein Fan dieser Listen und vermeide sie, wenn ich nicht gerade einen offiziellen GameStar-Test schreibe, aber diese Entscheidung liegt in eurem Ermessen.
So sieht ein Fazitkasten auf ModuGames.net aus. Beispiel: Mech Armada.
Umfang
Aber wie umfangreich soll ein Test denn genau sein? Grundsätzlich gibt es hierzu keine allgemeingültigen konkreten Vorgaben, allerdings erwarten die Leser von euch eine gewisse Mindestlänge, damit der Test als glaubwürdig angesehen wird. Meiner Meinung nach stellen 400 bis 500 Wörter die absolute (!) Untergrenze dar, wenn ihr nicht gerade über einen kleineren DLC schreibt. Gleichzeitig solltet ihr auch nicht zu sehr ins andere Extrem abdriften. Texte mit mehr als 3.000 Wörtern werden schnell langweilig, wenn sie nicht von einem richtig guten Autoren verfasst wurden – bitte nur bei Ausnahmespielen so viel schreiben! Erfahrungsgemäß solltet ihr auf 1.000 bis 2.000 Wörter hinarbeiten. Das klingt erst einmal nach viel, aber keine Bange: Ihr werdet euch noch wundern, wie viel ihr zu Papier bringen könnt, wenn ihr erst einmal richtig im Schreibfluss seid.
Subjektivität vs. Objektivität
Der Begriff des »Tests« suggeriert objektive, ja fast schon wissenschaftliche Bewertungsstandards. Das ist bei Kunstmedien wie Videospielen natürlich schwierig. Grundsätzlich lautet meine Meinung zu dem Thema: Seid ruhig subjektiv – aber mit einem gesunden Augenmaß. Irgendwelche 0/10-Bewertungen, weil euch einige Aspekte an einem ansonsten soliden Spiel stören, mögen unter den Metacritic-Userbewertungen ja durchaus Usus sein, haben in einer seriösen Kritik aber nichts verloren. Das heißt natürlich nicht, dass ihr euch nicht ab und zu auch etwas trauen dürft – ich selbst habe schon manch eine kontroverse Wertung in meiner Spieletester-Laufbahn vergeben –, aber ihr solltet gegenüber dem Gegenstand eurer Rezension fair bleiben und euch auf valide Kritikpunkte konzentrieren. Es gibt mehr als nur »OMG, wie krass!« und »OMG, wie schlecht!«, geht also bitte mit einem gewissen Maß an Differenziertheit an die Sache heran.
Extrembeispiel Gothic 3: Götterdämmerung – GameStar vergibt 71 Punkte, 4Players nur 20. Wer hat nun Recht? Oder: Hat keiner Recht? (Ich habe übrigens eine 5/10 vergeben)
Wertungen
Apropos: Im Gegensatz zu den alten Lesertests müsst ihr hier im Blogbereich nicht notwendigerweise Wertungen vergeben. Es gibt natürlich gute Argumente für und gegen Wertungen, die ich hier nicht alle nochmal ausführen will, ich selbst bin aber ein Fan von Wertungen. Hier dürft ihr selbst entscheiden: 100er System, die Wertung ganz weglassen oder irgendwas dazwischen (10er System, fünf Sterne etc.). Wenn ihr eine Wertung vergebt, solltet ihr darauf achten, dass sie auch zum Text passt. Eine 9/10 am Ende eines Tests zu sehen, nachdem ihr zuvor hauptsächlich Kritik am Spiel geübt habt, wirkt ein wenig seltsam. Es ist klug, wenn ihr eure Wertungen in Textform definiert. Das müsst ihr nicht öffentlicht machen, hat mir aber schon immer sehr in der Wertungsfindung geholfen. Wie die GameStar ihre Skala definiert, seht ihr hier ganz am Ende, meine persönliche Auslegung findet ihr hingegen hier.
Korrekturlesen
Ich sehe leider sehr oft Texte, die inhaltlich wirklich gelungen sind, aber derartig voller Fehler stecken, dass der Lesespaß auf der Strecke bleibt. Benutzt bitte die Vorschaufunktion und überprüft euren Text auf Grammatik-, Zeichensetzungs- und Rechtschreibfehler (ein paar Flüchtigkeitsfehler hier und da sind aber okay – die unterlaufen auch den Profis).
Generell finde ich es sinnvoll, einen Test nach seiner Fertigstellung nicht direkt zu veröffentlichen. Wartet ein paar Tage und lest ihn mit ein wenig geistigem Abstand noch einmal. Dann fallen euch oft erst viele eurer Fehler auf. Das gilt auch für Aspekte des Spiels, die ihr ausgelassen habt, aber eigentlich im Text vorkommen sollten.
Macht mit!
Auch wenn das Schreiben eines Tests auf höchstem Niveau eine Wissenschaft für sich ist, sind das hier zumindest die wichtigsten Grundlagen. Ich hoffe, dass ich euch alles einigermaßen gut erklären konnte. Wenn ihr noch Fragen habt, stellt sie mir bitte in den Kommentaren oder schreibt mir eine Nachricht.
Und natürlich war meine Motivation für diesen Text letztendlich auch egoistischer Natur: Ich würde mir wünschen, dass wir die Lesertest-Tradition auch hier im Blogbereich fortführen. Insofern: Traut euch ruhig! Schreiben macht enorm viel Spaß – sonst hätte ich es nicht jahrelang unentgeltlich getan. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – okay, einer vielleicht ... – und wir erfahreneren Autoren helfen euch gerne.
Hier noch ein paar ebenfalls sehr lesenswerte Blogbeiträge, die sich mit dem Thema beschäftigen:
»Wann ist eine Rezension hilfreich?« von Yaeger
»Der perfekte Spieletest« von Martin Dietrich
»So schreibt ihr Lesertests und Guides« von Mary MarxMary Marx, oakTripod634605 und kepuexe gefällt das.
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