Spiele im O-Ton oder lokalisiert?

Von Black Baron · 12. August 2010 · Aktualisiert am 17. August 2010 ·
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  1. Hallo allerseits!

    Heute möchte ich mich mit einem Thema beschäftigen, das für mich ähnlich viel Gewicht hat, wie vor einigen Jahren die Frage nach zensierter und unzensierter Versionen von Ego-Shootern. Das war früher eine heikle Sache, da diese Zensierungsgeschichten öfter in die Hosen gingen und total lächerlich wirkten, wie z.B. die Cyborg-Soldaten aus C&C, die eine Ölpfütze statt Blut hinterließen. Oder die Robo-Marines *würg* in der deutschen Version von Half-Life 1. Oder grünes statt rotes Blut. Am erträglichsten war's da noch das Blut und Gore-Effekt einfach wegzulassen, dann war das in etwa wie ein mittelprächtiger 80er-Jahre-Actionfilm oder ein alter Western, in denen zwar viele Kugeln fliegen, die Leut aber einfach nur verkrümmt zusammensacken.

    Sprachausgabe, wichtig und doch alltäglich

    MIr geht's jetzt jedoch um die Sprachausgabe. Seit Jahren ist das eine Selbstverständlichkeit (außer im MMO-Sektor, leider), allerdings muss ich dazu sagen, dass das selbst vor 10 Jahren nicht so war. Heuzutage wird aber erstens viel Geld in die Spiele gesteckt und die Publisher legen viel Wert darauf, dass die Kunden sich wohl fühlen und in die Spiele eintauchen können, damit der Absatz stimmt und sich ein Spiel auch durch Mundpropaganda als tolles Erlebnis rumspricht. Also nicht nur "Ey, Crysis is so geil, ich hab da 5 Gegner erledigt in dem ich mit dem Stärke-Modus des Anzugs die Hütte über ihren Köpfen zusammengedroschen hab".

    Heute sind die technischen Möglichkeiten auch besser. Moderne Rechner haben große Speicherkapazitäten, Spiele die mehr als 15GB belegen sind völlig normal und da macht die Sprachausgabe oft nur einen kleinen Teil aus und liegt oft multilingual vor.

    mittlerweile auf Film- und Serien-Qualitätsniveau

    Die Vertonung der Spiele wird auch immer professioneller. Vor einigen Jahren hörte man in der deutschen Version und teils sogar im englischen Original nur unbekannte Stimmen, die oft nicht in die Rolle passten, was stark an der Atmosphäre sägte. Mittlerweile hört man aber immer öfter sogar Synchronsprecher berühmter US-Schauspieler und auch prominente deutsche Schauspieler. Aktuelles Beispiel ist BioWares Mass Effect 2, das im US-Original mit einigen bekannten Schauspielern vertont wurde, im deutschen Original mit vielen Sprechern, die man auch aus synchronisierten Filmen und Serien kennt. Oder Drakensang 2, bei dem sich Tobias Meister, Stammsprecher von Kiefer Sutherland und Brad Pitt, der Arbeit angenommen hat, sowie seine durchwegs aus Serien und auch Filmen bekannten Kollegen. Auch Batman: Arkham Asylum wartet mit hervorragenden Sprechern auf, die ihre Rollen sehr gut ausfüllen (der Joker ist mMn seeeehr passend!).

    störrische Kunden/Kritiker oder Modeerscheinung?

    Dennoch scheint es, besonders in der GS-Comunity, Mode zu sein deutsche Versionen strikt abzulehnen und nur im O-Ton zu spielen. Dabei begründen die wenigsten ihre Entscheidung mit guten Argumenten, es scheint vielmehr wirklich so zu sein, dass diese Ablehnung pauschal erfolgt und alles weitere nur Ausflüchte sind.

    Ein heißes Eisen hierbei ist z.B. oben schon erwähntes Mass Effect 2, dessen lokalisierte Fassung bereits in den ersten Tagen nach dem Release auf breite Ablehnung stieß. Es gibt zwar zu Beginn einen unnötigen Schnitzer in einem von Shepards Sätzen, bei dem der Sprecher sich offenkundig verhaspelt hatte und nochmals von vorne begann, wobei dies leider nicht entsprechend geschnitten wurde, allerdings wiederholt sich dieser Fehler nicht. Weiterhin sind die Sprecher durchweg gut gewählt und machen ihren Job super. Das einzige, das mich persönlich tatsächlich sehr gestört hat: Der Unbekannte (oder. Illusive Man) und Ratsherr/Cpt. Anderson haben in der deutschen Version die gleiche Stimme... dieser Sprecher passt hervorragend zum Unbekannten, jedoch war Andersons Sprecher aus Teil 1 passender für den Haudegen der Allianz.

    Das sind zwar Abstriche, die man tatsächlich machen muss und wie man sie in manch anderen Lokalisierungen auch findet, aber grade bei einem so umfangreichen Spiel sollte das nicht ausschlaggebend sein.

    Bei aller Professionalität: Original bleibt Original, mitsamt Atmosphäre

    Jedoch gibt es auch Argumente, die durchaus dafür sprechen zum O-Ton zu greifen, weil hier z.B. auch auf Akzente geachtet wird. Bald aktuelles Beispiel dürfte hier Mafia 2 sein, dessen Vorgänger schon mit den hervorragenden italienischem New-Yorker-Akzent hervorstach. Die Atmosphäre steigt dadurch enorm, sofern man gute Englisch-Kenntnisse hat und auch mit Akzenten klar kommt. Auch bei Mass Effect 2 greift dieses Argument: Die hier stärker präsenten Quarianer haben einen russisch anmutenden Akzent, der durchaus passt und den verhüllten Aliens eine eigene Identität gibt. Hierbei muss man aber, wenn man schon die deutsche Version kritisiert, in der die Quarianer akzentfrei bleiben, fair bleiben: Nicht alle Quarianer wurden mit diesem Akzent gesprochen, allen vorran Kal'Reegar, der von Adam Baldwin gesprochen wurde und sich eher wie ein US-Marine anhört. Auch die Originalversionen sind nicht fehlerfrei und für "Native-Speakers" ist das sicher ein ähnliches Ärgernis wie für unsereits die Schnitzer in den Lokalisierungen.

    Weg von der Hipness, wieder hin zu sinnvollen Vergleichen!

    Warum schreibe ich das Ganze hier? Ganz einfach: Ich beobachte, dass die Fachpresse, vor allem die GameStar, mittlerweile eine ähnliche Einstellung angenommen hat. Ich finde das schlecht, sehr schlecht. Vor einigen Jahren setzten sich die Redakteure der verschiedenen Zeitschriften stark dafür ein, dass die Lokalisierungen professioneller werden, entweder in dem sie deutsche Versionen abgewertet haben oder im Artikel mangelnde Qualität explizit beschrieben hatten. Jetzt wird stattdessen aber immer häufiger geschrieben "Wer gut Englisch kann sollte lieber auf Englisch spielen", oder in Videos wird ählich kleinlich wegen eines unpassenden Sprechers gesagt "ich werd auf jeden Fall auf Englisch spielen".

    Hier fehlt mir der Wille den Entwicklern und Publishern konstruktives Feedback zu geben, stattdessen wird mit der gleichen lapidaren Art der meisten User vorgegangen. Erstens finde ich, dass das unprofessionell wirkt, zweitens wirkt das auch sehr gleichgültig gegenüber der Lokalisierung.

    Ich wünsche mir, dass die Comunity und vor allem die Fachpresse mehr darüber nachdenkt gute Lokalisierungen zu würdigen zu wissen und wie man mangelnde Qualität hinreichend und konstruktiv benennen kann. Nur so wissen die Publisher und auch Tonstudios wo genau der Schuh drückt. Man sollte also in Artikeln und Argumentationen in Foren eher sowas schreiben wie "die Qualität ist gut, aber mir fehlen hier die Akzente aus dem Original, wer also gut Englisch spricht erlebt mit der Originalversion eine bessere Atmosphäre", oder "Die Sprecher leisten zwar gute Arbeit, sind aber zum Teil fehlbesetzt".

    In Teilen wird das ja auch so gemacht, aber grade in der Fachpresse setzt sich wie gesagt immer mehr durch, dass einfach gesagt wird "Englische Version ist besser", ohne dass dabei stichhaltig argumentiert wird. Es scheint einfach "hip" zu sein.

    Nicht hirnlos hänseln, sondern erst Nachdenken und Bedeutungen vs. "Klangfarbe" abwägen!

    Dabei hat sich auch die unschöne Angewohnheit mancher Leute entwickelt Spieler, die die deutschen Lokalisierungen akzeptieren und dies auch bekunden, quasi als Deppen hinzustellen. "Was, du spielst auf Deutsch? Mann, das is doch so uncool" oder es wird sich lustig gemacht über die Erwähnung eingedeutschter Begrifflichkeiten und Namen. Beispiel hierfür wäre Dragon Age: Manche finden es scheinbar sehr lustig wenn jemand "Dunkle Brut" statt "Darkspawn" schreibt. Dass "Darkspawn" aber mit ziemlicher Sicherheit für einen Muttersprachler ähnlich merkwürdig klingt wie "Dunkle Brut" für einen Deutschen, das entgeht den meisten hierbei aber völlig. Oder wieder Mass Effect 2: Einige finden es lächerlich, dass der "Illusive Man" im Deutschen "der Unbekannte" heißt, was zwar schlichter wirkt als das Original, zumal "illusive" eine stärkere Bedeutung hat und die Zwielichtigkeit dieses Charakters unmittelbar andeutet. Aber "der Unbekannte" leistet das genauso. Jemand der so genannt wird, ist nicht einzuschätzen und undurchschaubar. Es würde obendrein saudämlich klingen, wenn man ihn "der trügerische Mann" im Deutschen nennen würde.

    Ich hoffe hiermit zeigt sich, wie kurzsichtig viele Spieler mit dem Thema umgehen und sich einfach nur an die breite Masse ranhängen und eben sehen "Hey, die englischen Wörter und Sprachausgaben sind angesagter".

    Beides hat seine Daseinsberechtigung, beides verdient Würdigung

    Ich persönlich höre mir öfter mal den O-Ton an, um zu vergleichen und muss sagen, dass die Qualität der deutschen Versionen in den letzten Jahren massiv zugenommen hat, nicht zuletzt wegen der vielen bekannten Stimmen. Sei es z.B. die Splinter-Cell-Serie mit dem Stammsprecher von Nicolas Cage oder dem cool synchronisierten Brütal Legend, bei dem sogar die Stimmen für die bekannten Metal-Ikonen recht gut passen. Ich bevorzuge daher die deutschen Versionen, denn obwohl ich gut Englisch kann, es passiert immer wieder, dass mir manches entgeht, wenn es viel kracht oder jemand etwas nuschelt (wie im US-Amerikanischen oft der Fall), hier müsste ich dann zu Untertiteln greifen. Und ich hasse bei Filmen oder Dialogsequenzen wenig mehr als Untertitel lesen zu müssen, es sei denn die Sprache wechselt passend zur Szene.

    Ich stehe also klar für deutsche Sprachausgabe ein und für konstruktive Kritik, damit sich die Qualität weiter verbessert. Meiner Meinung nach brauchen sich etliche der heutigen Titel nicht mehr vor den O-Ton-Versionen verstecken.

    Und ich spreche mich deutlich gegen die gängige Praxis aus blind zu O-Ton-Versionen zu greifen und Lokalisierungen bereits wegen Kleinigkeiten links liegen zu lassen.

    Ich möchte aber absolut betonen - in der offenkundigen Absicht versöhnlicher zu klingen - dass ich absolut nichts dagegen einzuwenden habe, wenn es tatsächlich Liebhaber der Originalversionen gibt und sie sich z.B. auch Filme und Serien auf DVD mit dem O-Ton anschauen. Das ist etwas völlig anderes und in meinen Augen sogar etwas gutes, denn so lassen sich tatsächlich die eigenen Englischkenntnisse aufbessern oder zumindest frisch halten.

    Ich möchte nur, dass man Lokalisierungen mehr Chancen einräumt und diese nicht so achtlos ablehnt, wie es seit ein paar Jahren üblich ist.

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