Titanfall und Evolve: Eine wohlwollende Analyse

Von Ranger_the_75th · 3. Januar 2016 · Aktualisiert am 13. Februar 2016 ·
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  1. Titanfall aus dem Hause Respawn Entertainment ging den Weg, den neue Marken im Shooter- und Action-Genre häufig gehen: Sie werden, unterstützt durch wahnwitzige Marketingkampangnen, in den Himmel gehyped - und verschwinden dann so schnell wieder vom Radar des Mainstreams wie ein ein Pilot mit "Active Camo"-Burncard aus dem Visier seiner Gegner.

    Dabei ist der von den Call of Duty-Veteranen Jason West und Vince Zampella produzierte First Person Shooter weit davon entfernt, ein schlechtes Spiel zu sein. Genauso wie das Anfang diesen Jahres veröffentlichte Evolve der Entwickler von Turtle Rock Studios. Aber beide Titel leiden unter demselben Problem: Nach nur wenigen Monaten waren die Server so verwaist wie der Eisplanet Hoth aus dem Star Wars-Universum. Nur wenige hundert Spieler tummelten sich ein gutes Jahr nach der Veröffentlichung am 13. März 2014 noch in Titanfall, bei Evolve ist das Problem noch schlimmer. Teilweise sind nur noch 100 Spieler gleichzeitig als Jäger oder Monster unterwegs. Aber was möchte ich Euch damit eigentlich verdeutlichen?

    Dass es ein nur schwierig zu definierendes Problem auf dem Videospielemarkt gibt. Wieso können sich Spiele wie Titanfall und Evolve nicht langfristig bei den Spielern etablieren? Was unterscheidet Titanfall von Battlefield oder dem Shooter-Goldesel Call of Duty, und was unterscheidet Evolve von dem vergleichbaren Left 4 Dead 2, das immer noch unter den Top 10 der meistgespielten Spiele auf Steam ist? Sehen wir uns also die beiden (Bei-)Spiele voneinander getrennt an und versuchen, Gründe für ihr Scheitern als langfristig gespielte Titel zu finden.



    Was ist Titanfall? Was unterscheidet das Debüt der Jungs und Mädels von Respawn Entertainment von der direkten Konkurrenz der ehemaligen Kollegen von Infinity Ward? Das augenscheinlichste Merkmal: Call of Duty ist so etabliert als Spielemarke, wie man nur etabliert sein kann. Fans der Serie finden sich in jeder Ecke des Gameruniversums, vom Kampange spielenden Casualgamer bis zum Hardcorezocker (auch wenn diese es nur ungern zugeben). Jahr für Jahr pilgern Millionen Menschen gehorsam in den GameStop ihres Vetrauens und erwerben den neusten Teil der Reihe, ungeachtet der Jahr für Jahr genauso zuverlässig stattfindenden Beschwererei über die mangelnde Innovation innerhalb des Activision-Blizzard-Goldesels. Aber um mal einen etwas ungewöhnlichen Vergleich zu verwenden: Call of Duty ist für Activision-Blizzard das, was für Volkswagen der Golf ist. Eine ziemlich sichere Einkommensquelle mit gerade soviel Innovation, wie der Kunde braucht, um den Kauf eines Nachfolgers für sinnvoll zu erachten.
    Titanfall hingegen war ein Neuling, als das Spiel auf den Markt kam. Und das merkte man, vollgepackt mit neuen und frischen Ideen wurde die Marke umgehend als die dritte Säule im gewaltigen Shooter-Tempel gehandelt, neben Battlefield und Call of Duty. Aber was ist von den großen Erwartungen übrig geblieben? Ein gutes Spiel, das, wie bereits beschrieben, niemand mehr spielen will. Aber was hält die über eine Million Käufer der PC-Version davon ab, sich erneut in ihre Titans zu schwingen und auf die Jagd nach gegnern und Levelaufstiegen zu gehen?

    Dass es für sie keine neuen Level mehr zu erreichen gibt. So traurig es ist, ein Spiel muss heutzutage nicht mehr einfach nur Spaß machen, wir wollen mehr als Spaß. Wir wollen einen Grund, eine Motivation haben, hunderte Stunden in ein Spiel zu investieren. Das System des Erfahrungspunktesammelns hat Call of Duty mit dem Prestige-System perfektioniert, das Spieler selbst nach dem Erreichen des Maximallevels dazu animiert, weiter zu spielen und die Jagd nach immer besserer Ausrüstung auf immer höheren Leveln von neuem zu beginnen. Die andere Krankheit, an der Titanfall leidet, ist, dass man als Spieler nach kurzer Zeit nichts neues mehr erlebt. Anders als in Battlefield 3, wo ich auch nach fast 300 Stunden Spielzeit immer noch "Wow"-Momente habe. Durch große, dynamische Levels und unbegrenzt viele unterschiedliche Ausrüstungsvariationen mit bis zu 63 Mitspielern ist jede Runde Rush auf Operation Metro immer noch eine besondere, einzigartige Runde.
    Fazit: Titanfall mangelt es an Motivation und an Abwechslung. Tödlich für ein reines Multiplayerspiel.

    Kommen wir zu Evolve. Nur rund 61% der Käufer auf Steam geben dem Spiel eine positive Bewertung. Left 4 Dead 2 hingegen kriegt von 97% der Spieler einen Daumen hoch? Was machen die Entwickler bei Valve so viel besser als ihre Kollegen bei Turtle Rock Studios? Bei beiden Spielen spielt man zu viert und kämpft gemeinsam. In dem einen gegen KI-gesteuerte Zombies, in dem anderen gegen ein spielergesteuertes Monster. Gründe für den Niedergang der Monsterhatz zu finden ist schwer. Den einen Grund gibt es da nicht. Es ist wie ein Uhrwerk, in dem einmal etwas kaputt gegangen ist, was zu immer neuen Problemen führte. Wenn man etwas durch die Usereviews in Steam stöbert, liest man einen Begriff mit trauriger Regelmäßigkeit: monoton. Evolve leidet wie Titanfall an einer fehlenden Motivation. Fast alle Spieler loben das innovative Gameplay, nur um im nächsten Satz auf die fehlende Langzeitmotivation hinzuweisen. Das führt zu negativen User-Reviews. Das hingegen führt zu weniger Neu-Käufern. Das führt wieder zu weniger aktiven Spielern. Und das führt irgedwann zu den leergefegten Servern, die ein vernünftiges Matchmaking bei Evovle inzwischen unmöglich machen. Was also tun? Content nachreichen! DLCs! Keine schlechte Idee. Blöd nur, wenn die 36 (!) Spielerweiterungen ausschließlich kosmetischer Natur sind. Neue Skins sind zwar nett, wie sich am Beispiel Counter Strike zeigt, aber wenn ein Spel langweilig ist helfen auch die schönsten Modeinovationen für unsere vier Jäger nicht viel.
    Fazit: Evolve mangelt es an Motivation und an Abwechslung. Tödlich für ein reines Multiplayerspiel. Den Satz kennen wir doch schon, nicht war?



    Was bleibt also von diesen beiden Eintagsfliegen? Titanfall wird wieder gespielt. Nur etwas anders. Ohne Titans. Und mit anderem Namen. Call of Duty: Black Ops 3 hat die gameplaytechnischen Ideen aus dem Hause Respawn perfektioniert, sie mit dem unglaublich motivierenden Erfahrungssystem der meistverkauften Shooterserie aller Zeiten kombiniert. Wallruns, Jetpacks, Burncards, selbst das Gefühl beim erschossen werden ähneln dem von Titanfall auf eine erschreckende Weise. Dass die Macher der Serie, der sie selber lebewohl gesagt haben, ihre Ideen erfolgreich zu vermakten wussten, dürfte Zampella und West besonders ärgern.
    Und Evolve? Hier ist eine zuverlässige Prognose kaum zu stellen. Ein Nachfolger könnte mit langfristig motivierenderem Gameplay und einer faireren DLC-Politik durchaus die Spieler zurückgewinnen, die man im ersten Anlauf direkt wieder vergraulte. Aber das ist reine Spekulation.

    Für mich bleibt jedoch festzuhalten: Evolve und Titanfall sind für unser Hobby und vor allem für die Shooterfans unter uns Spielern sehr wichtige und vor allem mutige Schritte gewesen. Titanfall mischte den Markt auf und brachte die angestaubte Call of Duty-Reihe wieder auf Trab. Evolve könnte das Potenzial eines Planescape Tornment haben, das sich zwar nur mittelmäßig verkaufte, dafür aber zum hochwertigen Kultspiel avancierte. Aber das werden wir wohl erst in 10 Jahren wissen.

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    Ranger_the_75th
    Spiele sind vielschichtig. Sie verdienen, das über sie geschrieben wird. Mit jeder Minute, die wir in Spielen verbringen, lernen wir mehr über unser Lieblingshobby. Uns wir sollten nie aufhören zu lernen!

Kommentare

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  1. cpt_andi
    Habe Titanfall selber auch sehr gerne gespielt (Xbox). Und finde es wirklich schade, dass dieses Spiel "gestorben" ist. Hat wirklich Spaß gemacht. Es war mal etwas neues, mit den Wallruns und den Jetpacks. Vor allem hatte in Titanfall jeder die Chance einen Titan zu bekommen. Anders als in COD, wo vor allem schlechtere Spieler immer wieder daran scheitern, eine starke Abschussserie zu erreichen.

    Ich spiele selber auch gerne COD, Battlefield und........ da war doch noch ein Shooter, der mal vor langer Zeit ganz oben war, und heute sehr in Vergessenheit geraten ist. Dieses Spiel legte einst den Grundstein für COD und Battlefield.
    Die Rede ist von Medal of Honor!
    Warum ist dieses Spiel so weit nach unten gesunken?
    Was haben COD und Battlefield, was andere Spiele nicht haben?
    Ich finde es wirklich schade. Mir hat es sehr gefallen, und für mich immer noch eines der besten Shooter Spiele!
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